Die britische Militärregierung stand vor dem Problem, „ein einfaches und ordentliches Leben“ für die Deutschen zu gewährleisten, wie Oberbefehlshaber Montgomery seine Aufgabe in einer Proklamation vom 30.5.1945 bezeichnete. Dazu mussten die Reste der deutschen Verwaltungen reaktiviert werden. In Münster ernannte die Militärregierung am 14.4.1945 den 74jährigen Justizrat Fritz Carl Peus zum kommissarischen Oberbürgermeister. Rudolf Amelunxen wurde am 6.7.1945 beauftragt, eine Provinzial-Regierung für Westfalen, Lippe und Schaumburg-Lippe zu bilden.
Ende 1945 gründeten sich demokratische Parteien, auf Vorschlag des Oberbürgermeisters ernannte der britische Stadtkommandant im Januar 1946 eine neue Stadtvertretung; Vertreter der SPD war neben anderen der Handwerksmeister Theodor Geringhoff, der im August 1945 die Wiederbegründung der münsterschen SPD betrieben hatte. Die erste demokratische Wahl zum Stadtrat fand dann am 13.10.1946 statt.
In Hiltrup herrschte nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen Ostern 1945 für kurze Zeit Anarchie. Am verlassenen Bahnhof stand ein mit Fleisch beladener „herrenloser“ Eisenbahnzug, die Schweinehälften wurden mit Handwagen und Fahrrädern abtransportiert. Es gab Plünderungen, nach Erinnerungen der Familie Vogt kamen die deutschen Nachbarn und plünderten Vogts Bäckerei und Kolonialwarenladen an der Bahnhofstr. 72. Auch das von der Deutschen Arbeitsfront beschlagnahmte Paterkloster (als Zwangsarbeiterlager genutzt) sei von Hiltrupern – zum Teil von der Klosterstraße – geplündert worden. Die früheren Zwangsarbeiter waren auf sich selbst gestellt, einige versorgten sich durch Überfälle und Einbrüche; besonders gefährdet waren einzeln liegende Häuser und Bauernhöfe. Im leeren Bahnhofsgebäude spielten die Kinder mit den Fahrkarten.
Die Ortskommandantur übernahm zunächst eine belgische Armeeeinheit im Haus der Familie Dalhoff an der Bahnhofstraße.
Am 4. April 1945 bildete sich ein vorläufiger Gemeindeausschusses. Auf Wunsch des vorläufigen Gemeindeausschusses und „mit Zustimmung weiter Kreise der Hiltruper Bevölkerung“ erklärte sich schließlich Josef Elfering (Zentrum) bereit, das Amt des Bürgermeisters zu übernehmen. Elfering wurde am 6.4.1945 vom belgischen Ortskommandanten zum Bürgermeister bestellt, Heinrich Dalhoff zum stellvertretenden Bürgermeister. Nach Elferings Bericht in der ersten Sitzung des Beirates für die Gemeinde Hiltrup, der von der Ortskommandantur eingesetzt worden war, waren 48 Häuser mit 118 Wohnungen völlig zerstört, Straßen kaum befahrbar und Strom- und Wasserversorgung vielfach unterbrochen. Innerhalb von 8 Tagen wurde die Stromversorgung wieder hergestellt, danach die Wasserversorgung.
Einzelne Haushalte in Hiltrup erhielten einen Schutzbrief, der vom amerikanischen Kommandanten und von Bürgermeister Elfering unterschrieben war: „Die Angehörigen dieses Haushalts stehen unter dem Schutz der Militär Regierung der Amerikanischen Armee“.
Die amerikanische Armee, die Ostern 1945 in Hiltrup einmarschiert war, wurde am 11.6.1945 durch die englische Armee abgelöst (Kriegstagebuch der HIltruper Missionsschwestern).
Die Bevölkerung der Stadt Münster litt schwer unter den Folgen des Krieges. Die Stadt war verwüstet durch die Bombenangriffe, Luftaufnahmen der US Air Force vom 12.5.1945 zeigen eine Ruinenlandschaft. Viele Wohnungen waren zerstört. In Hiltrup waren nach 12 Bombenangriffen 48 Häuser mit 118 Wohnungen total zerstört, 32 Wohnungen schwer und 80 Wohnungen leicht beschädigt. 298 Hiltruper waren als Soldaten umgekommen und 35 Menschen aus der Hiltruper Zivilbevölkerung.
Überall in Deutschland waren während des Krieges Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene als Arbeitskräfte eingesetzt. Ungefähr 1000 Zwangsarbeiter aus verschiedenen Ländern waren bei Kriegsende in Hiltrup untergebracht. Einheimische Bevölkerung und Zwangsarbeiter standen sich nach Kriegsende verständnislos gegenüber: Überlebende ukrainische sowie weißrussische Arbeitseinsätzler versuchten sich der Repatriierung zu entziehen, da Stalin sie als Kollaborateure ansah und in die GULAGs seines Imperiums steckte. Auf deutscher Seite hingegen registrierte man vor allem Übergriffe und Straftaten, die von einigen unter den Displaced Persons verübt oder ihnen zugeschrieben wurden.
Das in Münster ausgebombte Clemenshospital nutzte einen großen Teil des Hiltruper Paterklosters.
Die früheren Einwohner strömten in die Stadt zurück. Da Wohnraum knapp war, mussten sie zunächst eine formelle „Rückkehrgenehmigung“ bzw. „Zuzugsgenehmigung“ beantragen. Zugleich kamen Flüchtlinge und suchten eine Bleibe.
Auch der frühere NSDAP-Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Gustav Fiegenbaum, der im März 1945 geflohen war, beantragte 1946 nach der Entlassung aus dem Internierungslager eine Zuzugsgenehmigung für die Rückkehr nach Hiltrup. Der Gemeinderat lehnte dies ab: Fiegenbaum habe verantwortungslos gehandelt, als er die Gemeinde ohne Bestellung eines Vertreters verlassen habe; er habe durch sein unwürdiges Verhalten sein Bürgerrecht verloren. Bei seiner Rückkehr seien schwere Ausschreitungen zu erwarten, die es notwendig machen würden, ihn in Schutzhaft zu nehmen. Eine Arbeitsmöglichkeit sei für ihn nicht gegeben, da seine früheren Arbeitgeber (Fiegenbaum war Betriebsinspektor in der Personalabteilung von Glasurit gewesen) einmütig die Weiterbeschäftigung ablehnten.
Viele Menschen „hatten die Nase voll“ von Uniformen. Noch Anfang 1948 wurden Feuerwehrleute angefeindet, weil sie in der Öffentlichkeit ihre Uniform trugen. Die Westfälischen Nachrichten berichteten detailliert über grauenhafte Einzelheiten der Nazi-Verbrechen, die in den Gerichtsverfahren öffentlich wurden (siehe Online-Archiv der Westfälischen Nachrichten ab 1946, https://e-paper.wn.de/titles/wnarchive/13657/archive), aber: Es war keine Zeit der Reflexion über die vergangenen Jahre, sondern eine Zeit des sich neu Orientierens, des Anpackens. Auf Anordnung der Besatzungsmacht (Kontrollratsdirektive Nr. 30 vom 13. Mai 1946) wurden auch in Hiltrup einige Straßennamen geändert (Adolf-Hitler-Straße, Albert-Leo-Schlageter-Straße, Bismarckstraße, Hindenburgstraße, Horst-Wessel-Straße, Weddigenstraße).
In dem sehr kalten Winter wurde die Lage Anfang 1946 in Münster zusätzlich durch Hochwasser der Aa verschärft, Notstandsmaßnamen wurden angeordnet. „Man musste sich irgendwie über Wasser halten“: Die zerbombte Gärtnerei Lange in Hiltrup pflanzte unter anderem Tabak an, um diesen auf dem Schwarzmarkt gegen Lebensmittel einzutauschen.
Die Clemensschule an der Clemensstraße (heute: Patronatsstraße) war Ende 1944 mit Zwangsarbeitern der Organisation Todt belegt worden. Das Gebäude war durch eine Bombe beschädigt und wurde nach dem Krieg von der amerikanischen Armee belegt.
Ein Zeitzeuge erinnert sich: Als Jugendliche seien sie zu mehreren zur Clemensschule gegangen, dort seien unter anderen auch farbige amerikanische Soldaten gewesen; einige von ihnen hätten die Amerikaner abgelenkt, andere hätten die Armeefahrzeuge nach brauchbaren Sachen durchsucht.
Der Hiltruper Schulbetrieb wurde erst Ende Januar 1946 wieder aufgenommen mit der Rektorin Alma Neisemeyer, zunächst nur in der alten Mädchenschule an der Burchardstraße (heute: Zur Alten Kirche; das Gebäude ist durch ein neues Wohnhaus ersetzt). Die Clemensschule war noch bis Frühjahr 1948 von der englischen Armee besetzt. Durch den Zuzug von Flüchtlingen wuchs die Zahl evangelischer Kinder, am 10.5.1946 wurde eine evangelische Volksschule eröffnet.Der ehemalige NSDAP-Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Gustav Fiegenbaum, der im März 1945 zunächst geflohen war, blieb bis 1947 (!) Schützenkönig des Bürgerschützenvereins von 1851 Hiltrup. 1951 weist ihn die Festschrift zur 100jährigen Jubelfeier des Bürgerschützenvereins von 1851 Hiltrup für die Zeit von 1939 bis 1947 als Schützenkönig aus.
Auf der einen Seite wurde sofort das Vereinsleben wiederbelebt, der Männergesangverein 1848 Hiltrup fuhr schon 1946 im offenen LKW zu einem Wettstreit nach Altena ins Sauerland, …
…, auf der anderen Seite suchten auseinandergerissene Familien noch mit Kleinanzeigen nach verlorenen Angehörigen. Das deutsche Rote Kreuz organisierte einen Suchdienst (“Nachforschungsdienst”), der Heimkehrer befragte und auch über das Radio Informationen sammelte. Bei der Suche nach einer Wohnung war Fantasie gefragt, …
…, und auch in Hiltrup stand Tatkraft am Beginn des Wirtschaftswunders, wie Zeitzeugen berichten.
Schon im Oktober 1946 beschloss der Kirchenvorstand von St. Clemens Hiltrup, Ersatz für die 1942 eingeschmolzenen Glocken zu beschaffen. Die Pfarre hatte im Jahr 1945 Gussbronze kaufen können gegen Mithilfe bei der Beschaffung von Einkellerungskartoffeln. Auch die verbliebene Glocke aus dem Jahr 1925 nahm die Glockengießerei in Zahlung.
Die Bevölkerung wurde zu Räumarbeiten herangezogen. Die Versorgung mit Wasser und Elektrizität und die Entwässerung wurden zunächst nur provisorisch wieder hergestellt. Heizmaterial und Kleidung waren knapp. Nahrungsmittel waren rationiert, Selbstversorgung bis hin zur eigenen Ziege half ; im Mai 1945 standen nur noch 910 Kalorien pro Person zur Verfügung, im Mai 1947 885.
Die Nahrungsmittelzuteilung für den gesamten Monat April 1946 listet eine Hiltruper Zeitzeugin auf: „3600g Brot, 125g Nährmittel, 100g Kaffee-Ersatz, 550g Fleisch, 300g Fett, 62,5g Köse, 375g Zucker, 10kg Kartoffeln“ – wenn man sie überhaupt bekam. In der ersten Nachkriegsnummer des Landwirtschaftlichen Wochenblatts (zunächst in Steinhagen, später in Hiltrup produziert) rief die britische Besatzungsmacht die Bauern auf: „… Es ist unnötig, den Ernst der Ernährungslage zu betonen. Aber wenn Sie auf dem Lande schwere Zeiten haben, so denken Sie daran, daß es in den Städten noch viel schlimmer aussieht. … Es ist Pflicht eines jeden in Stadt und Land, jeden Zoll Bodens zu bestellen, damit der nächste Winter statt mit düsteren Vorahnungen mit Vertrauen erwartet werden kann. Halten Sie sich heran und lassen Sie sich nicht selbst im Stich!“ Die Baumschule Eschweiler wurde von der britischen Besatzungsmacht angewiesen, an Stelle der Gehölze Obst und Gemüse zu produzieren.
Das Glasurit-Werk in Hiltrup war im September 1944 und März 1945 durch Luftangriffe schwer beschädigt, die Forschungs- und Entwicklungslabore waren vollständig zerstört. Das Werk nahm wenige Monate nach Kriegsende die Fabrikation wieder auf.
Die 1936 gebaute (zweite) Prinz-Brücke über den Kanal in Hiltrup war in den letzten Kriegstagen von deutschen Truppen gesprengt worden. Hiltruper Bürger hatten vergeblich versucht, das zu verhindern. Eine Personenfähre hielt den Verkehr notdürftig aufrecht, das Fähr-Häuschen ist auf dem Foto neben der zerstörten Brücke zu sehen.
Um die Fähre zu benutzen, brauchte man eine Erlaubnis. Die einfachen „Berechtigungsscheine zur Benutzung der Fähre an der Prinzbrücke in Hiltrup“ wurden durch „Erlaubnisscheine“ abgelöst.
Monatsweise wurden die Erlaubnisscheine auf der Rückseite abgestempelt, das dokumentierte Exemplar zuletzt noch im Dezember 1946.
Als Ersatz wurde 1946 ein Brücken-Überbau von der Ruhr nach Hiltrup umgesetzt, der 1907 in Duisburg als „Karl-Lehr-Brücke“ errichtet worden war. (Diese dritte Prinzbrücke ist inzwischen wegen Baufälligkeit gesperrt, sie ist 2023/2024 durch einen Neubau ersetzt worden.)
Auch die Brücke der Hammer Straße über den Kanal war gesprengt worden, die Alliierten hatten als Ersatz eine Pontonbrücke gebaut. Wer sie passieren und sich auf der Straße bewegaen wollte, brauchte einen Passierschein der Ortskommandantur.
Die zuerst belgische Ortskommandantur war im Haus der Familie Dalhoff an der Hiltruper Bahnhofstraße einquartiert. Dalhoffs Tochter konnte Französisch, sie entwarf am 16.4.1945 den Passagierschein für den elfjährigen Ludwig Leding aus der Hiltruper Bahnhofstraße; Leding holte für die Familie jeweils einen Liter Milch vom Bauern Kussel in Rinkerode.
Der belgische Kommandant beschränkte den Passagierschein handschriftlich auf die Ostseite von Straße und Kreuzung.
Schon 1946 gründete der spätere „Zelluloid-König“ Heinz Riech in Hiltrup sein erstes Kino.
Das Gloria-Theater im Saal der Gaststätte Vogt an der Bahnhofstraße (heute Marktallee) war Ausgangspunkt der Münstersche Filmtheaterbetriebe GmbH, die im Jahr 2023 u.a. das Cineplex in Münster betreibt.
Leo Schencking begann 1946 nach der Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft mit dem Wiederaufbau des Kalksandsteinwerks, das er 1928 am Hiltruper Bahnhof gegründet hatte. Zunächst beschäftigte er 12 Esten, später Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten. Das Unternehmen wuchs schnell auf bis zu 200 Mitarbeiter, es lieferte bis zu 200.000 Mauersteine täglich für den Wiederaufbau.
Die allgemeine Aufbruchssituation spiegelt das Foto eines Trauerzugs im August 1947 wieder:
Nach alter Tradition ist der pferdebespannte Leichenwagen auf dem Weg vom Trauerhaus zur Kirche. Ringsum wird Hiltrup wieder aufgebaut: Im Hintergrund sind vor Alt St. Clemens das wieder aufgebaute Gasthaus Heithorn, die Tankstelle und die Bäckerei Heithorn an der Hammer Straße (heute: Westfalenstraße) zu erkennen. Rechts im Bild ist die 1944 durch eine Bombe beschädigte alte Clemensschule eingerüstet und erhält ein neues Dach; ab Frühjahr 1948 konnte sie wieder für den Schulbetrieb genutzt werden.
Das Foto von Lehrer Wolf mit seiner Schulklasse 1946/1947 zeigt aber auch: Die Militarisierung der gesamten Gesellschaft durch das NS-System hat tiefe Spuren hinterlassen. Noch nach Kriegsende stehen die Schulkinder für den Fotografen „mit den Händen an der Hosennaht“ in militärischer Haltung.
Die Stromversorgung war zunächst eingeschränkt. Je nach „Belastungszustand des Stromnetzes Nordrhein-Westfalen“ mussten die Stadtwerke Münster noch 1947 vormittags und nachmittags stundenweise den Strom abschalten.
Das Hiltruper Hoesch-Röhrenwerk war zu fast 80% zerstört worden. 1945 fanden sich 47 Belegschaftsmitglieder zusammen und begannen „ohne Dach und Fach bei Wind und Wetter“ mit der Wiederherstellung der Betriebsgebäude. Bereits 1946 konnte mit 70 bis 80 Arbeitern die Produktion wieder aufgenommen werden, „mit Rücksicht auf Ihre betrieblichen Leistungen insbesondere beim Wiederaufbau unseres Werkes“ bekam ein Arbeiter im Juni 1946 eine Lohnerhöhung von 0,84 auf 0,88 Reichsmark pro Stunde.
1947 wuchs die Belegschaft auf 111 Beschäftigte. Im Oktober 1947 konnte die von der englischen Besatzungsmacht geplante Demontage der wichtigsten Fertigungstechnik (der elektrischen Rohrschweißanlage) abgewendet werden, 1948 waren die Gebäude nach der Währungsreform wieder hergestellt. Beteiligt waren auch „Fremdarbeiter“, die während des 2. Weltkriegs zwangsweise nach Hiltrup gebracht worden waren; der Landkreis Münster meldete 1949 der britischen Militärregierung 118 Männer und 63 Frauen bei den Hiltruper Röhrenwerken, die in einem Lager auf dem Werksgelände untergebracht waren.
Bei der Wahl zur Amtsvertretung St. Mauritz am 15. September 1946 entfielen in Hiltrup 5542 Stimmern auf das Zentrum; CDU 2217 Stimmen, SPD 1926 Stimmen, FDP 1150 Stimmen, KPD 165 Stimmen. In Hiltrup gewann das Zentrum 13 Sitze, die CDU 3 Sitze, je 1 Sitz entfiel auf SPD und FDP. Josef Elfering (Zentrum) wurde zum Bürgermeister gewählt, er hatte das Amt schon im April 1945 vorübergehend inne. Die Gemeindevertretung befasste sich zum Beispiel mit der Schul- und Wohnungsversorgung, Zulassung von Gewerbebetrieben und Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs. In der Sitzung am 15.4.1948 ging es etwa um das Fehlen von Glühbirnen („unhaltbarer Zustand in vielen Familien“).
Eine „schärfere Überprüfung der Filme auf ihre Zulassung für Jugendliche“ wurde im Gemeinderat gefordert – das Kino löste in Hiltrup Diskussionen aus, wie sie in den 60er Jahren bundesweit geführt wurden unter Berufung auf die „allgemeine sittliche Ordnung“ und das „gesunde Volksempfinden“ (Aktion saubere Leinwand).
Durch die Kommunalwahl am 17.10.1948 verschoben sich die Mehrheitsverhältnisse im Hiltruper Gemeinderat. Auf das Zentrum entfielen nur noch 5 Sitze, SPD und CDU je 3 Sitze und FDP 1 Sitz. In der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats wurde von einzelnen Mitgliedern erklärt, „daß ein Vertreter der Landwirtschaft nicht als Gemeindebürgermeister gewählt werden könne, da 80% der Hiltruper Einwohnerschaft den anderen Berufsständen angehöre“. Nach hitziger Diskussion unterlag der Bauer Bornemann (Zentrum), zum Bürgermeister gewählt wurde der Diplomlandwirt Anton Niehoff (CDU, 1882-1950).
Hiltrup hatte einen gewaltigen Zuwachs von Einwohnern zu verkraften. Zu den ungefähr 5000 Einwohnern bei Kriegsende waren bis 1948 mehr als 2000 hinzugekommen. Neue Häuser waren noch nicht gebaut, die Wohnungsnot war groß. Das Foto von 1948 (aufgenommen vom Turm St. Clemens) zeigt oben in der Mitte des fernen Horizonts Münsters Wasserturm in der Geist, davor an der Münsterstraße (heute Hohe Geest) die evangelische Kirche, im Vordergrund das Haus Hohe Geest Nr. 24, schräg rechts dahinter hell das Haus Zimmermann (Nr. 26). Wo heute die Hülsebrockstraße verläuft, stehen an einem Sandweg Behelfswohnungen.
Als Behelfswohnungen dienten nach dem Krieg auch die Baracken des Zwangsarbeiterlagers Waldfrieden und die Baracken der Flakbatterie Vogelmann auf dem Feld zwischen Hohe Geest und Hof Hackenesch.
Der Wahlkampf vor der Bundestagswahl am 14.8.1949 wurde von der CDU/CSU auch mit Diffamierung des politischen Gegners SPD geführt. Die „Gefahr aus dem Osten“ wurde auf den Plakaten mit asiatischen Rotarmisten beschworen, denen die SPD angeblich keinen ausreichenden Widerstand entgegensetzte. Trotz dieser heftigen Agitation lag die CDU im Endergebnis bundesweit mit 31,0 Prozent nur ganz knapp vor der SPD (29,2 Prozent).
Der Aufbau in Hiltrup war mühsam. Die Postkarte um 1949 zeigt große Lücken in der Bebauung der Bahnhofstraße (heute: Marktallee): Links unten im Bild das Haus Moränenstr. 5, rechts unten Bahnhofstr. 31/33 (Beitelhoff). Am rechten Bildrand Bahnhofstr. 42 (Suhrheinrich), dahinter zwei unbebaute Grundstücke; an Nr. 48 steht ein später durch einen Neubau ersetztes Wohn- und Geschäftshaus (Anton Jaspert, Viehhändler und Metzgerei / Fleisch- und Wurstwaren W. Meixner, später Kolata / Superbiomarkt). In der Baulücke dahinter (Nr. 52) stehen Fahrzeuge des Tiefbauunternehmers Rink; an dieser Stelle stand bis 1944 die Villa Burmann, sie wurde 1944 durch Bomben zerstört (ab 1956: Sparkasse). Dahinter sind zu erkennen: Villa Brüning (Nr. 54), Haus Gescher (Nr. 56, später „Villa Korte“), Nr. 60, Nr. 62 (Richters) und – durch einen Baum teilweise verdeckt – Nr. 64 (Harling).
Mit Hinweis auf die Wohnungsnot fragten die Westfälischen Nachrichten am 14.12.1949: „Warum wird in der Hiltruper „Kleinsiedlung Holsenkamp“ nicht gebaut?“. 33 Siedlungshäuser für Werksangehörige unter der Patenschaft der Glasuritwerke waren 1939 begonnen worden, nur 7 waren bis 1949 ohne Unterstützung des Werkes fertiggestellt. „Dank der Initiative von Direktor Stein (Hiltruper Röhrenwerke)“ waren bis 1943 36 Siedlungshäuser für Werksangehörige des Röhrenwerks fertiggestellt worden, 1950 wurden in Nachbarschaftshilfe weitere Siedlungshäuser errichtet für die Neusiedler der „Neuen Heimat“. In den Folgejahren stellte die Gemeinde Grundstücke zur Verfügung für 76 Wohnungen der Wohnbau- und Siedlungs-GmbH des Landkreises Münster. Bis ca. 1960 konnten die meisten Baracken und Notwohnungen beseitigt werden, allerdings wurden noch 1962 zwei alte Baracken des früheren Zwangsarbeiterlagers „Waldfrieden“ bewohnt.
In Münster wurde in dieser Zeit das zerstörte Schloss wieder aufgebaut, beteiligt war der Hiltruper Bildhauer Ferdinand Kozole.
Auch auf der Bahnhofstraße (heute: Marktallee) gab es zunächst wenig Bewegung. Auf der Nordseite der Bahnhofstraße zeigt die Postkarte um 1950 ganz links Haus Nr. 29 (Säger), das 2023 schon zum zweiten Mal durch einen Neubau ersetzt worden ist. Nr. 31/33 dahinter (Beitelhoff) ist mit einigen Umbauten und wechselnden Nutzungen (Installateur, Haushaltswaren, Eisdiele Martini) bis 2024 erhalten. Im nächsten Haus Nr. 35 gibt es 1950 die Drogerie Säger und den Laden der Lebensmittelkette „Hill“ (2024: Rosenapotheke), erst wenige Jahre später entsteht gegenüber mit Nr. 38-40 ein Neubau mit größerer Ladenfläche für Hill (2024: Drogeriemarkt dm). Das kleine Haus am rechten Bildrand mit der Hausnummer 34 gehört Heinrich Averesch, Schuh- und Kolonialwaren, zwei Häuser weiter (Nr. 36) haben Friseur Heßling und Drogist Säger ihre Ladenlokale (2022 abgebrochen, bis Ende 2023 nicht wieder bebaut); dahinter steht mit einigem Abstand das Wohnhaus des Betonsteinunternehmers Suhrheinrich (Nr. 42).
Erste Bombenschäden wurden repariert. Die beschädigte Hälfte des Eckhauses Bahnhofstraße / Klosterstraße (Grosche und Holthenrich) wurde abgebrochen und durch ein einfaches Provisorium ersetzt.
In den Geschäften gab es wieder Waren „in Friedensgüte für verwöhnte Ansprüche“. In ihrem Weihnachtskatalog 1950 warben die Hiltruper Kaufleute für den Einkauf in Hiltrup: „… haben die Hiltruper Kaufleute mit viel Mühe und großer Sorgfalt das Niveau ihrer Geschäfte in den letzten Jahren derart gehoben, dass sie jetzt mit den münsterischen Kaufhäusern jederzeit konkurrieren können und sie in manchen Artikeln sogar noch übertreffen“. Die mechanische Holzschuhmacherei von Franz Israel bot wieder Holzschuhe von sämtlichen Sorten an (Werbeanzeige von 1948).
Die Fresswelle der Nachkriegszeit rollte an. Im Hiltruper Museum ist eine Schneiderrechnung von 1950 aufbewahrt, der Direktor des Röhrenwerks musste einen Anzug weiter machen lassen (Kosten: 5,50 DM). Die Rechnung zeigt auch, wie wertvoll Kleidung in dieser Zeit noch war: Einen neuen Anzug arbeitete der Schneider (92,50 DM), er flickte, arbeitete auf und bügelte.
Auch Schuhe waren wertvoll: Schuhe ließ man beim Schuhmacher anfertigen oder zumindest reparieren, solange es ging. Acht Schuhmacher versammelten sich 1948 noch für ein Foto – 2022 gab der letzte Schuhmacher in Hiltrup auf.
Die Verteilstellen der Konsumgenossenschaften, die nach dem I. Weltkrieg aufgeblüht waren (in Hiltrup zum Beispiel der Laden der Konsumgenossenschaft Eintracht an der Bahnhofstr. 32 / Ecke Klosterstraße), spielten keine Rolle mehr. Die Genossenschaften waren in der NS-Zeit aufgelöst worden, das Vermögen und die Verteilstellen (Läden) waren auf die NS-Organisation „Deutsche Arbeitsfront“ übergegangen; die Läden waren zum Teil auf die früheren Marktleiter übertragen worden, die nach Kriegsende häufig die Rückgabe verweigerten. (Im Jahr 1954 besiegelte das Rabattgesetz das Ende der Konsumgenossenschaften.)
Einige Geschäfte bildeten in den 1950er Jahren noch ein kleines Geschäftszentrum am Bahnhof, eine weiß verputzte einstöckige Häuserzeile gegenüber dem Bahnhofsgebäude (die „Schenckingschen Kolonnaden“).
Neben der Gaststätte Elfering gab es den Goldschmiedemeister August Raring (ab 1965 an der Marktallee), August Kasberg Blumen Gemüse Obst Südfrüchte / Blumen Lange, im Eckgeschäft die Bahnhofsdrogerie Niemeier / Karl Tesch, das Textilgeschäft Kirchhoff / Textil Thüning (ab 1967 an der Marktallee), Konditor Baumeister / Heinz Baumeister Toto Lotto, Radio Oexmann, Hermann Schürmann Schuh-, Maß- und Reparaturwerkstatt und zuletzt Frisör Helmer. „Konditor Baumeister bot viele Dinge des täglichen Bedarfes, Backwaren, Zeitschriften, Süßigkeiten und Schreibwaren“, erinnerte sich Raring (WN 28.7.2012).
Gegenüber gab es im Bahnhofsgebäude die Bahnhofsgaststätte Heinrich Hagehülsmann, auf der anderen Kanalseite die Gaststätte Zur Prinz-Brücke. Im Bahnhofsumfeld und bei Elfering trafen sich laut Raring bevorzugt die Arbeiter der umliegenden Betriebe.
Der Güterbahnhof von Münster war durch Bomben zerstört. Der Hiltruper Güterbahnhof war nicht zerstört.
Für den Güterverkehr war der Hiltruper Bahnhof nur eingeschränkt nutzbar, da er keine Kopframpe (OK) besaß. Neben den Hauptgleisen 1 und 2 hatte er 3 weitere Gleise. Von Gleis 5 auf der Ostseite zweigte das Industriegleis zum Röhrenwerk ab, auf der Westseite zweigten das Industriegleis zu Glasurit (heute BASF Coatings) und ein weiteres Gleis zu dem Güterschuppen neben dem Bahnhofsgebäude ab (der Güterschuppen wurde im Jahr 2000 abgerissen).
Fracht für Münster wurde in den 1950er Jahren am Hiltruper Güterbahnhof auf LKW umgeladen. Hier fanden auch viele Dienstbesprechungen mit der Bundesbahndirektion statt.
Die Güterwagen standen zum Entladen auf einem Gleis parallel zum Hauptgleis 1 an der Ostseite des Güterschuppens.
Gleisarbeiter, Aushilfen und das vielköpfige Bahnhofspersonal trafen sich in der Bahnhofsgaststätte, daneben mancher Glasurit-Arbeiter. Der Wochenlohn wurde bis zur Umstellung auf Girokonten bar ausgezahlt, es lag nahe, hier ein Bier zu trinken. Die „Bürger“ trafen sich laut Raring bei Ötte Vogt (2023: Nikos).
In den folgenden Jahrzehnten, verstärkt nach dem Bau der Hochbrücke 1980 wanderten die Geschäfte ab. Der Hiltruper Güterbahnhof wurde 1962 geschlossen und danach auch das Bahnhofsgebäude. Die Schenckingschen Kolonnaden wurden 1988 abgerissen und 2001 nach fünfjährigem Leerstand das benachbarte zweigeschossige Haus gegenüber dem Bahnhof, in dem sich zuletzt eine Kneipe und ein Frisörgeschäft befanden. Das Bahnhofsumfeld verödete. Es wurde erst ab 2007 durch Wohn-/Geschäftsbauten und 2017 durch die Geschäfte des Stroetmann-Komplexes (Wiewel-Supermarkt u.a.) neu strukturiert.
Hiltrup wuchs rasch, Flüchtlinge fanden hier eine neue Heimat, und die Industrie florierte. Mit dem Zuzug von Flüchtlingen kamen auch immer mehr Evangelische nach Hiltrup, 1948/1949 wurde die Paul-Gerhardt-Schule als evangelische Bekenntnisschule von der katholischen Clemensschule „abgezweigt“ (ab 1972 Gemeinschaftsschule). 1950 wurden dem damaligen Amt St. Mauritz, zu dem Hiltrup gehörte, 880 Vertriebene zugewiesen, die Wohnungsnot vergrößerte sich dadurch noch weiter. Hiltrup erschloss die Baugebiete Ringstraße, Amelsbürener Straße und Lange Straße. 1950 hatte Hiltrup bereits 7.348 Einwohner (davon über 700 Flüchtlinge).
Lebensmittel blieben knapp: Noch Anfang 1950 wurden die Grundnahrungsmittel mit Lebensmittelmarken des Landesernährungsamtes bewirtschaftet.
Die Bahnhofstraße (heute: Marktallee) war um 1950 noch sehr kleinteilig bebaut. Zwischen den Häusern lagen Gärten, einzelne Grundstücke waren noch frei.
Die Weihnachtspostkarte von 1951 zeigt einen Abschnitt der Bahnhofstraße (später: Marktallee): Rechts Grünstraß (ehemals Vielmeyer, Nr. 27), dahinter Jasper (Nr. 23-25) und die Kreuzung Münsterstraße (heute: Hohe Geest) – längst durch mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser ersetzt. Das Haus rechts (Vielmeyer/Grünstraß) wurde später durch ein mehrstöckiges Wohnhaus ersetzt, das 2022/2023 schon wieder durch einen Neubau ersetzt wurde.
Der Verkehr auf der Bahnhofstraße nahm „in einem solchen Maße zu, daß es notwendig erscheint, die Bahnhofstraße den übrigen Dorfstraßen gegenüber verkehrstechnisch höher einzustufen“ (WN 10.11.1951), an der Kreuzung Bahnhofstraße / Münsterstraße (heute: Hohe Geest) wurden Verkehrsschilder aufgestellt.
„Unseren Toten“ der beiden Weltkriege wurde 1951 das Ehrenmal an der Hammer Straße (später: Westfalenstraße) gewidmet. Zur Übergabe an die Gemeinde erschienen Fahnenabordnungen der Vereine, Kinder der Gefallenen, Bürger der Gemeinde, Feuerwehrleute mit brennenden Fackeln, Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene (Bericht der Westfälischen Nachrichten vom 11.9.1951). Eschweiler als Vorsitzender des Ehrenmal-Ausschusses erinnerte daran, dass die Gemeinde schon 1930 ein Ehrenmal geplant hatte.
Neben „Unseren Toten“ hatten die Initiatoren des Ehrenmals andere Gewaltopfer nicht im Blick. Noch 1967 wurde der Volkstrauertag ungeniert „Heldengedenktag“ genannt in einem Leserbrief an den von der CDU herausgegebenen Hiltruper Anzeiger. 1974 beklagt Dobelmann in seiner Darstellung der Hiltruper Geschichte (Hiltrup, Aschendorffsche Buchdruckerei Münster 1974) die „Schreckensherrschaft der freigelassenen ausländischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter“ nach dem II. Weltkrieg (ähnlich die Hiltruper Missionsschwestern in ihrem Kriegstagebuch), ohne auf deren schreckliche Lebensumstände einzugehen.
Das Ehrenmal wurde erst später um eine Bronzetafel ergänzt mit der Aufschrift „Zum Gedenken aller Opfer von Krieg und Gewalt“.)
1950 überschritt der Umsatz des Glasurit-Werks das Vorkriegsniveau.
Anfang 1950 wurden die Arbeiten an der II. Fahrt des Hiltruper Kanalbogens wieder aufgenommen. Am 23.1.1952 wurde die II. Fahrt feierlich eröffnet. 1959 wurde der Kanal für das 1000-Tonnen-Schiff freigegeben, 1963 für das 1350-Tonnen-Schiff („Europaschiff“).
1946 hatten die Besatzungsmächte verboten, Luftschutzeinrichtungen für die Bevölkerung zu unterhalten. Die alte Luftschutzsirene auf der Clemensschule wurde ab 1949 von der Feuerwehr zur Alarmierung benutzt. Anfang der 1950er Jahre änderte sich die Einstellung: Mit dem Beginn des Kalten Krieges wurde Katastrophenschutz wieder ein Thema. Zur Alarmierung der Bevölkerung wurden wieder Sirenen installiert, im Amt St. Mauritz 98 Stück im Jahr 1963. Das Foto zeigt den Steigeturm der Hiltruper Feuerwehr mit einer Sirene auf dem Dach.
Zur Bundestagswahl am 6.9.1953 stellten CDU, CSU und FDP wie schon 1949 die „Gefahr aus dem Osten“ in den Vordergrund. Die FDP verunglimpfte mit diesem Plakat die SPD als Landesverräter. Die katholischen deutschen Bischöfe ließen von allen Kanzeln ein Hirtenwort verlesen: „Erfüllt Eure Wahlpflicht … so, daß Ihr dereinst vor Eurem Richter bestehen könnt“ – sie erklärten SPD und FDP für nicht wählbar. Die Westfälischen Nachrichten (31.8.1953) verbreiteten das Hirtenwort, sie betrieben massive Wahlpropaganda für die CDU mit Schlagzeilen wie „Wo Adenauer spricht, strömen die Massen“, einem groß aufgemachten Bericht „Adenauer am Sarkophag Bismarcks“ und mit dem Abdruck von Adenauers Wahlaufruf für die CDU/CSU (WN 4.9.1953). In der Ausgabe vom 4.9.1953 druckten die Westfälischen Nachrichten ein diffamierendes Schmähgedicht mit dem Titel SPD war verreist: „Die SPD – Ihr könnt es lesen – sie tut in jedem Kommentar, als wäre sie verreist gewesen, solange Adolf oben war….“
Der Vorsprung der CDU (45,2 Prozent) wuchs im Ergebnis der Wahl bundesweit deutlich gegenüber der SPD (28,8 Prozent). Von den 487 Sitzen im Bundestag entfielen 243 auf die CDU/CSU, 151 SPD, 48 FDP, 27 Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE), 15 Deutsche Partei (DP) und 3 Deutsche Zentrumspartei (Zentrum).
Ab Dezember 1953 ließen Bundeskanzler Adenauer und sein Staatssekretär Globke durch Reinhard Gehlen (Chef der Organisation Gehlen, des späteren Bundesnachrichtendienstes) den Vorstand der SPD illegal ausspionieren (der Historiker Klaus-Dietmar Henke legte dazu 2022 auf der Grundlage der historischen Akten die Untersuchung Geheime Dienste vor).
Die Bevölkerung musste in dieser Zeit noch eng zusammenrücken. Bis in die 1970er Jahre hinein dienten auch die Baracken als Behelfsheime, die in der NS-Zeit für die Lager von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern gebaut worden waren. Auch Baracken des Lagers Waldfrieden in Hiltrup wurden bewohnt.
Eine Hiltruperin beschreibt die Wohnungsnot in ihren Erinnerungen 1926 bis 1980. Wohnraum wurde bewirtschaftet, das kommunale Wohnungsamt entschied über die Zuweisung einzelner Zimmer. Im II. Weltkrieg waren Viele ausgebombt und hatten dadurch ihre gesamte Habe verloren. Sie konnten einen Kriegssachschaden anmelden. Im Jahr 1950 dauerte es in Münster nach dem Antrag in einem Beispielsfall 10 Monate, bis Ausgebombte eine erste „Hausrathilfe“ von 100,00 DM erhielten. Zwei Jahre dauerte es von 1952 bis zur Bewilligung einer Hausratentschädigung: 700,00 DM insgesamt für den zweimaligen Verlust der gesamten Habe. (Bis zum abschließenden „Gesamtbescheid“ dauerte es im Beispielsfall weitere 4 Jahre: 1958 erhielten die Ausgebombten noch einmal 400,00 DM.) Wer vor 1945 gespart und zum Beispiel Kommunalobligationen gekauft hatte, dem ging es nicht viel besser: Aus 5.000 Reichsmark wurden 1954 im Beispielsfall 190,00 DM.
Auch in Hiltrup waren noch Häuser von der Britischen Armee für ihre Offiziere beschlagnahmt und wurden erst um 1950 wieder freigegeben.
„Zusammenrücken“ galt nicht nur für das Wohnen, sondern auch für den Schulunterricht. In der alten Klemensschule (heute: Bezirksverwaltungsstelle, Patronatsstr. 22) wurde in drei Schichten unterrichtet. Etwas Entspannung brachte im Herbst 1951 der erste Abschnitt des Schulneubaus an der Kardinalstraße 25 (damals: Volksschule Ludgerusschule).
Gesellschaftliche Veränderungen schlugen sich in den Berufswünschen der Schulabgänger nieder: „Zwei Drittel der schulentlassenen Mädchen haben die Absicht, Büroangestellte oder Verkäuferinnen zu werden. Nur eine verhältnismäßig geringe Zahl will sich der Hauswirtschaft widmen“ berichteten die WN (29.3.1952) – man spürt zwischen den Zeilen das Bedauern des Redakteurs. Weiter: „Von den Jungen will rund ein Drittel einen kaufmännischen Beruf erlernen.“
Viele Dinge waren nicht frei verkäuflich, sondern konnten nur über Bezugsschein gekauft werden. So konnte es passieren, dass man zwar die Zuteilung für einen Schlauch fürs Fahrrad bekam, aber nicht die dazugehörende Decke.
Aber es ging aufwärts. Nachdem schon 1939 der erste Deutsche Einheits-Fernseh-Empfänger entwickelt worden war, ging das Fernsehen zu Weihnachten 1952 auf Sendung. Die Geräte kosteten mit 1000 DM zunächst ein Mehrfaches des durchschnittlichen Monatslohns. Durchschnittlich beschäftigte Arbeitnehmer verdienten im Jahr 1950 zum Beispiel 212 DM netto / Monat.
Die Kriegsschäden verschwanden: Die an der Klosterstraße (heute: Am Klosterwald) durch Luftangriffe beschädigten Häuser wurden repariert bzw. durch Neubauten ersetzt. Das Textilhaus Grosche reparierte nach dem Krieg die zerbombte ehemalige „Kaiserliche Post“ an der Ecke Klosterstraße / Bahnhofstr. 32 (heute: Marktallee), die zerstörte Hausecke wurde zunächst provisorisch wieder hergestellt. Anfang der 1950er Jahre baute Grosche auf dem bis dahin unbebauten Nachbargrundstück (auf dem Foto links an das Eckhaus anschließend) das Modewarengeschäft. Auch eine weitere Baulücke wurde gefüllt, links an die giebelständigen Häuser der Bahnhofstraße anschließend wurde das Haus Nr. 38/40 gebaut. In dies größere Ladenlokal (im Jahr 2024: Parfümerie Pieper, dm, InfoPunkt) zog damals u.a. die Filiale der Lebensmittel-Ladenkette Hill, die mindestens seit 1940 gegenüber in Haus Nr. 35 bestanden hatte (im Jahr 2024: Optik Nühlen).
Die Gemeindeschwester war ein selbstverständlicher Teil des öffentlichen Lebens, sie kümmerte sich um die häusliche Krankenpflege. Mit der beginnenden Motorisierung bekam die Missionsschwester Altrudis von der Kommune ein Moped geschenkt.
Im Vordergrund des Fotos vom Spielmannszug im Jahr 1954 ist der Gehweg der Bahnhofstraße vor dem Eckhaus Grosche (Bahnhofstr. 32) nicht gepflastert. Das gegenüber liegende Eckgrundstück Bahnhofstr. 30 ist noch nicht bebaut (2024: Cityfoto Wohlgemuth), ein schlichtes Schild weist zur Sparkasse in der Klosterstraße.
Das zunächst provisorisch geflickte Eckhaus Bahnhofstr. 32 / Klosterstraße ersetzte Grosche erst Anfang der 1960er Jahren durch einen schlichten Neubau, in dem sich bis in die 1980er Jahre das Kurzwarengeschäft Grosche befand.
Das Glasuritwerk (heute BASF) wurde in den 50er Jahren mehrfach erweitert. Auf dem Foto von Mitte der 50er Jahre erkennt man noch einzelne Wohnhäuser auf dem Werksgelände und im Vordergrund ein mit Wasser gefülltes Baggerloch, den „Silbersee“.
Hiltrup war nach einem Bericht der Westfälischen Nachrichten (23.5.1953) das „Dorf der Sandgruben“. Mehr als die Hälfte des abgebauten Sands ging als Bausand nach Münster zum Wiederaufbau der zerbombten Stadt.
Zwischen dem Glasuritwerk und dem Hiltruper Ortskern wurde Sand abgebaut für das Kalksandsteinwerk Schencking. Das Foto von 1956 zeigt in der Bildmitte die Polizeischule, dahinter den Neubau des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums und das Paterkloster, im Vordergrund die Sandgrube in der Mertensheide mit Feldbahn zum Abtransport.
Das auf dem Foto sichtbare Baggerloch („Silbersee“) ist noch im Flächennutzungsplan von 1963 eingezeichnet (es wurde später zum größten Teil verfüllt, heute verläuft hier die Glasuritstraße). Glasurit beschäftigte wieder über 1.000 Mitarbeiter.
Auch das Hiltruper Röhrenwerk wuchs: Die Produktion in Hiltrup war auf Rohre von 10 bis 76 Millimeter Durchmesser begrenzt. Die Ölindustrie brauchte größere Rohre bis 219 Millimeter, für die erforderliche Werkserweiterung in Hiltrup kam der Grunderwerb nicht zustande. Auf Initiative des Direktors Stein baute Hoesch 1954 für größere Rohre ein Werk in Hagen, 1957 entstand ein Spiralrohrwerk in Barop. In Hiltrup arbeiteten 1956 schon rund 500 Mitarbeiter.
Das Leben bestand auch in diesen Jahren nicht nur aus Wiederaufbau-Arbeit. Die Gemeinde Hiltrup hatte 1935 am Nordufer des Steiner Sees ein öffentliches Freibad eröffnet, das „Seebad Hiltrup“. Es bestand neben dem privaten Badestrand, den der Unternehmer Steiner 1925 mit seinem exklusiven „Steinersee-Klub“ an seinem Haus am Nord-West-Ufer des Sees aufgemacht hatte. Nach dem Krieg erhielt das Freibad einen durch eine feste Barriere abgegrenzten Nichtschwimmerbereich und den auf der Postkarte abgebildeten Sprungturm. 1963 wurde der Bereich als Wasserschutzgebiet (ab 1985 mit Badeverbot) ausgewiesen, das „Seebad“ wurde 1965 geschlossen. Die Verkrautung und Tiefenströmungen hatten die Unfallzahlen im Badebetrieb ansteigen lassen. 1968 wurden die neu gebauten Schwimmbecken im heutigen Freibad eröffnet. Der (nördliche) „Steiner See“ wurde später mit dem „Schencking-See“, dem südlichen Seeteil, verbunden, nachdem das Kalksandsteinwerk dort 1967 den Sandabbau einstellte.
Wer nicht so weit laufen wollte, ging im „Silbersee“ baden: Durch den Sandabbau für das Schenckingsche Kalksandsteinwerk war zwischen Polizeischule und Glasuritwerk ein Baggersee entstanden. Im Hintergrund zeigt das Foto bereits den Neubau der Marienkirche in Hiltrup-Ost.
Neben dem Männergesangverein Hiltrup von 1848 blühte auch der Bürgerschützenverein Hiltrup von 1851 wieder auf. Auf dem Foto von 1956 schreiten der Präsident des Bürgerschützenvereins Dr. Walter Tillmann und das aktuelle Königspaar Martha Holthenrich und Bernhard Elkendorf die Front ab – einige der angetretenen Schützen präsentieren Holzgewehre, aber viele halten stattdessen Spazierstöcke oder andere Stöcke.
Neue Baugebiete entstanden an der Ringstraße, Amelsbürener Straße und Lange Straße. In Hiltrup-Ost wurde 1955/1956 die Marienschule gebaut und für eine neue Kirchengemeinde die Marienkirche. Für den Kirchbau hatten Glasurit 75.000 DM und das Schenckingsche Kalksandsteinwerk 50.000 Steine gespendet, das Hiltruper Röhrenwerk schenkte die Dachkonstruktion im Wert von 18.252 DM (Westfälische Nachrichten, Bericht über die Grundsteinlegung vom 28.7.1955). Am 8.12.1956 wurde die Kirche geweiht.
Messgewänder usw. waren zum Teil von Gemeindemitgliedern angefertigt, die große Monstranz und der Speisekelch stammten aus der Werkstatt des Hiltruper Goldschmiedemeisters August Raring. Die erste Glocke stiftete 1957 die Familie Buermann, die Turmuhr bezahlte die Kommune Hiltrup.
Das Foto aus dem Jahr 1956 zeigt den Hiltruper Gemeinderat: Eine Runde überwiegend älterer Männer, die SPD-Gemeindevertreterin Marga Niedenführ fehlt – zufällig?
Das neue Miteinander mit den aus Schlesien und Ostpreußen kommenden zahlreichen Flüchtlingen war nach dem Bericht von Albert Schäpers anfangs nicht leicht.
1960 wurde die Bahnhofstraße ausgebaut; die Straßenbäume wurden gefällt, die Anlieger mussten einen Teil ihrer Vorgärten abgeben. Von der alten kleinteiligen Bebauung fielen die ersten Häuser. Die Postkarte um 1962 zeigt bereits erste geschlossene Bebauung (Hausnummer 38/40).
Die Postkarte zeigt auch den beginnenden Umbruch im Einzelhandel. Der Schuhmacher Averesch in der Bahnhofstraße 34 hatte schon 1920 „Cigarren Cigaretten“ verkauft. 1926 eröffnete seine Frau im selben Haus ein Lebensmittelgeschäft; in den 1930er Jahren bauten sie an das alte traufständige Haus ein weiteres giebelständiges Haus an und vergrößerten das Geschäft: „Kolonialwaren Tabakwaren Schuhwaren“. Averesch verpachtete das Geschäft dann an den Lebensmittelhändler Wolske als Zweiggeschäft der sich weit ausdehnenden Hill-Ladenkette. Eine Filiale der überregionalen Lebensmittel-Ladenkette „Hill“ bestand in den 1940er Jahren in einem kleinen Ladenlokal in der Bahnhofstr. 35 gegenüber. Mit dem Neubau von Nr. 38/40 im Jahr 1954 ist „Hill“ umgezogen in das neue größere Ladenlokal gegenüber in Hausnummer 38/40 (rechts im Bild; 2024: Drogeriemarkt dm).
Die traditionellen kleinen „Kolonialwarenläden“ (Tante Emma-Läden) in Hiltrup kommen unter Konkurrenzdruck: Einige Häuser weiter gibt es das Lebensmittelgeschäft Holthenrich an der Ecke Klosterstraße / Marktallee 30 (es gibt 1978 auf, ab 1996 nutzt CityFoto Wohlgemuth das Ladenlokal). Weitere kleine Lebensmittelgeschäfte: An der Münsterstraße 24 (heute: Hohe Geest) Miling, an der Friedhofstr. 13 Bernhard Terbeck (1948), an der Bodelschwinghstr. 13 Staeck, in Hiltrup-Ost an der Wolbecker Str.58 Nolte (und am Heckenweg 14-16), an der Ringstraße Schiffels, an der Westfalenstr. 152 Anton Heithorn, am Burgwall 52 ab 1950 Büscher, an der Langestraße ab 1963 Wietheger, an der Amelsbürener Straße 44 Vogelsang, usw.; „Hill“ gibt später auf in der Konkurrenz mit noch größeren Supermärkten (die Drogeriekette dm übernimmt dann das Ladenlokal an der Marktallee).
In dem kleinen Ladenlokal links von Hill existiert lange das Schuhgeschäft Hemp (im Jahr 2024 nutzt die Parfümerie Pieper das Ladenlokal); nachdem der Besitzer sich zur Ruhe gesetzt hat, kann hier und auch zwei Häuser weiter kein Schuhgeschäft mehr Fuß fassen in der Konkurrenz zu dem späteren „Schuhpark“ (Marktallee 56). Im Nachbarhaus rechts von Hill (Hausnummer 34a) verkauft später der Amelsbürener Bäcker Rose Backwaren und lose Süßigkeiten (Gummibärchen und Drops aus großen Gläsern), bis bei Hill der Filialbäcker Hosselmann einzieht; dem Schreibwarengeschäft „Schreib und Spiel“ in Nr. 38 ist die Miete später zu hoch, an seiner Stelle zieht der InfoPunkt als Geschäftsstelle der Stadtteiloffensive Hiltrup e. V. ein, die Häuser Nr. 34 und 34a werden 2017 durch einen Neubau ersetzt.
1960 waren in Hiltrup noch verschiedene “Milchmänner” unterwegs und lieferten Frischmilch bis an die Haustür. In der Konkurrenz mit den Supermärkten und anderen Vertriebsformen hatten sie keine Chance.
Mit dem anhaltenden Wachstum des Ortes mussten auch die Schulen weiter wachsen.
Im Herbst 1958 bezog die Paul-Gerhardt-Schule als evangelische Volksschule ihr neues Gebäude (rechte Bildmitte) an der Bodelschwinghstraße, wo gerade die Wohnbebauung begann. Die katholische Ludgerus-Volksschule hatte 1951 den Neubau an der Kardinalstraße bezogen (untere Bildmitte) und war danach in Leichtbauweise erweitert worden (Anbau links).
1960 wohnten in Hiltrup schon 9.300 Einwohner.
Die Bahnhofstraße (heute: Marktallee) wurde 1960 umgebaut. Die Anlieger mussten ihre Vorgärten opfern, eine neue Baumreihe rückte näher an die Häuser heran, Radwege wurden angelegt und neue Laternen aufgestellt.
Von den alten Häusern der Bahnhofstraße, die das Luftbild um 1960 zeigt, ist bis zum Jahr 2024 kaum ein Stein auf dem anderen geblieben:
An der Nordseite: Die Bäckerei Klostermann an Nr. 49 (links oben im Foto) wurde durch einen Neubau ersetzt, der seit Mitte 2022 leer steht und auf den Abbruch wartet (Stand Mai 2024). An Stelle des Arbeiterhäuschens Nr. 51 steht der Neubau von Klostermann (2024: Krimphove), das Arbeiterhäuschen Nr. 53 wurde 2010 abgebrochen und durch ein Wohnhaus mit Arztpraxis ersetzt. Das Häuschen der Näherin Therese Grön an Nr. 67 wurde 1976 abgebrochen, der Nachfolgebau steht immer wieder über längere Zeit leer. Nebenan an Nr. 69 entstand ein Wohnhaus, das im Jahr 2024 wie Nr. 67 leer steht und einen verwahrlosten Eindruck macht. Die Falken-Apotheke an Nr. 71 wurde 1992 durch einen Neubau ersetzt. In der Lücke zwischen Volksbank (Nr. 73a) und Vogt (Nr. 73, Gaststätte „Nikos“) stand 1960 noch ein eingeschossiges Papiergeschäft mit Leihbücherei, auch diese Lücke ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus geschlossen worden. Der große Saal der Gaststätte Vogt an Nr. 73 beherbergte 1960 noch das Gloria-Filmtheater, nach der Schließung 1965 wechselten sich hier Discounter verschiedener Branchen und zwischendurch Edeka-Wiewel ab. Wo an Nr. 75 und 77 im Jahr 1960 noch das Häuschen des Weichenstellers Aegidius Breuer stand, stehen im Jahr 2024 zwei Mehrfamilienhäuser aus den 60er/70er Jahren. Die nach Osten anschließenden Grundstücke haben sich vollständig verändert. Für den Bau der neuen Brücke über Bahn und Kanal 1979/1980 und der neuen Kreuzung Marktallee / Hülsebrockstraße mussten mehrere Häuser weichen, von West nach Ost: Ein zweigeschossiges Wohnhaus, daran anschließend giebelständig das Büro der Baustoffhandlung Dalhoff, die alte Villa Dalhoff (später Gaststätte „Wildsau“) im Foto rechts unten und der Landwirtschaftsverlag (nicht im Foto).
In Gegenrichtung an der Südseite der Bahnhofstraße / Marktallee: Die Gärtnerei Hanses (Nr. 88, links im Foto) und die alte Post (Nr. 78) sind durch Neubauten ersetzt, die Freiflächen sind bebaut. Nur Nr. 74/76 (Wiesmann) steht noch im Jahr 2024, alle nach Westen anschließenden Grundstücke wurden nach 1960 neu bebaut.
1960 wurde im Westen Hiltrups das Baugebiet an der Langestraße erweitert, das Glasurit-Werk baute hier erste Wohnblöcke für Werksangehörige; weitere Neubaugebiete folgten.
Erste „Gastarbeiter“ aus Spanien kamen im Jahr 1960 nach Hiltrup. Ihr spanischer Seelsorger gab ihre Zahl im Jahr 1971 mit gut 300 an, zwei Drittel davon bei Glasurit, die „im allgemeinen meist die unangenehmsten Arbeiten erledigen“ mussten. Ihre Wohnverhältnisse waren „im allgemeinen prekär“, eine Gruppe von ihnen gründete 1967 das Spanische Zentrum.
Mit den Steuereinnahmen von Glasurit und Röhrenwerk finanzierte die Gemeinde den Aufbau von Infrastruktur. Wasserleitung, Kanalisation, Straßenbau und Müllabfuhr standen 1960 auf dem Programm, ein „Leitplan“ zur Entwicklung der Gemeinde wurde erarbeitet. Im Erläuterungsbericht zum ersten Flächennutzungsplan für Hiltrup von 1962 hieß es: „Die Gemeinde, die in den letzten Jahrzehnten aus kleinen dörflichen Verhältnissen herausgewachsen ist, hat heute fast 10.000 Einwohner. Mit diesem Wachstum haben die gemeindlichen Pläne und Einrichtungen nicht Schritt gehalten. Da auch weiterhin damit zu rechnen ist, daß ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, steht die Gemeinde vor der Notwendigkeit, Bauleitpläne aufzustellen.“
Die Gemeinde war reich. „Hiltrup ist und bleibt die Gemeinde der idealen Möglichkeiten“ jubelte 1960 der Zeitungsbericht Gemeinde in der Gärung. In dem Bericht schwingen aber auch Töne aus vergangenen Zeiten mit: als kennzeichnendes Merkmal Hiltrups wird genannt „… ein volksverbindendes Gemeinsamkeits-Bewußtsein. Die Betriebsgemeinschaft setzt sich fort in den idealen Werkswohngemeinschaften. … So kann man Hiltrup in seiner Entwicklung auch Gemeinde der Betriebsfamilien nennen, …“.
Bürgermeister wurde 1960 der Mühlenbesitzer Ludger Wentrup, CDU-Vorsitzender war Rektor Theo Harbaum, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat war August Harling. Die CDU-Fraktion dominierte den Gemeinderat.
Vor dem Hintergrund der „atomaren Finanzkraft“ Hiltrups diskutierte der Gemeinderat 1961 sogar eine Senkung der Gewerbesteuer, der Antrag der SPD wurde nur knapp (7 zu 9 Stimmen) abgelehnt (Münstersche Zeitung 2.12.1961).
Hiltrup sollte „Stadtlandschaft im Grünen“ werden. Mit dem Leitplan sollte als Hauptaufgabe ein Zentrum geschaffen werden, nachdem “sich die Bautätigkeit über das ganze Gemeindegebiet erstreckt“ hatte. „Ein eigentlicher Mittelpunkt wie in alten Kreisstädten mit der konzentrischen Häufung von Geschäften hat sich nicht gebildet und wird auch derartig nicht geschehen, weil die beiden Reihenstraßen [heute: Marktallee und Westfalenstraße] gleichzeitig zu den Hauptgeschäftsstraßen geworden sind.“ An der Marktallee, heute fast durchgehend mit mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftshäusern bebaut, stand noch eine sehr gemischte Bebauung, darunter eine Vielzahl kleiner eingeschossiger Häuser mit großen Gärten.
Der Zeitungsartikel Leistungsfähiger Einzelhandel von 1960 lobt die Hiltruper Einzelhandelsgeschäfte, die aus den alten Handwerksbetrieben hervorgegangen seien: „Ein Supermarkt als neue Manie und Magie braucht hier nicht zu sein“, durch die Ausbreitung des Markenartikels gebe es keinen Unterschied in der Qualität der Ware und auch kein Preisgefälle mehr – man wollte sich abschotten.
Man diskutierte die Verbreiterung der Bahnhofstraße (heute: Marktallee), die Anlieger mussten dafür 1960 ihre Vorgärten opfern; hier sollten „Hochhäuser“ mit bis zu sechs Geschossen entstehen. („Die Grundstückseigentümer an der Bahnhofstraße müssen im Interesse des Gesamtwohls der Gemeinde auch zu Opfern bereit sein“ heißt es im Zeitungsbericht vom 2.4.1960.
Der Gleisanschluss der Glasuritwerke wurde nicht mehr benötigt und stillgelegt. Daraufhin stellte die Deutsche Bundesbahn (DB) den Betrieb im Güterbahnhof ein.
1961 war Hiltrup bereits auf 10.137 Einwohner gewachsen. 1963 stand im Röhrenwerk die nächste große Werkserweiterung an mit einer neuen Fertigungshalle.
Verwaltung und Gemeinderat diskutierten vor diesem Hintergrund Anfang der 60er Jahre, wie Hiltrup sich weiter entwickeln sollte. Das Bauerndorf Hiltrup hatte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts ein klar definiertes Zentrum rund um Alt-St. Clemens. Nach dem Bau des Bahnhofs 1868 und dem Neubau von St. Clemens an der Bahnhofstraße (heute: Marktallee) war Hiltrup entlang der Hauptachsen gewachsen, ohne ein eindeutiges Zentrum auszubilden. Mit der beginnenden breiten Motorisierung zeichneten sich Verkehrsprobleme auf diesen Achsen ab. Der gesamte Verkehr von Münster nach Süden lief durch Hiltrup über die Hammer Straße (die danach gebaute Autobahn A 1 brachte erst ab 1968 Entlastung). Mindestens 5 Tankstellen lebten in Hiltrup davon, eine links im Foto („Benzin 46 ₰ „).
Im Januar 1963 beschloss der Gemeinderat einen Flächennutzungsplan mit weitreichenden Zielen: Der Nord-Süd-Verkehr sollte über eine neu zu bauende Straße östlich der Westfalenstraße geführt werden. In Ost-West-Richtung sollten neue Straßen den Verkehr nördlich und südlich weiträumig um den Ortskern herumführen; die Südumgehung – heutige Hansestraße – sollte zwischen Bahnhof und Glasuritwerk die Bahn und den Kanal queren und erst in Höhe des heutigen Pfarrer-Ensink-Wegs auf die Straße Osttor treffen. (Realisiert wurde letztlich nur ein Teil der Hansestraße, für die sich die Hiltruper SPD beim SPD-Landesverkehrsminister Zöpel einsetzte. Die Anbindung der Hansestraße an den Knoten Glasuritstraße/ Hülsebrockstraße hat sich später als höchst problematisch erwiesen wegen der übergroßen Verkehrsmengen.)
Der Alltag veränderte sich, Textilien aus Kunstfasern kamen auf, zum Beispiel bügelfreie Nyltest-Hemden, und Wäsche wurde nicht mehr mühsam von Hand gewaschen.
Seit 1952 war die Hebamme Marga Niedenführ für die SPD im Gemeinderat, bis 1969 war sie Fraktionsvorsitzende.
Marga Niedenführ verfolgte eine Konsens-Politik mit der CDU. Man kannte sich … und fuhr im September 1964 kurz vor der Kommunalwahl schnell noch auf „Besichtigungsfahrt“.
Politik wurde am Abend beim Bier gemacht:
Der spätere Nachfolger Wentrups als Bürgermeister, Rechtsanwalt Dr. Franz Tölle, war mit von der Partie. Bier und Zigarre, man gab sich selbstbewusst.
Im 1964 gewählten Gemeinderat saß neben CDU und SPD auch ein Vertreter der Christlichen Volkspartei (Heinrich Schwöppe). Bürgermeister wurde erneut Ludger Wentrup (mit 23 von 25 Stimmen). Für die Position der/des 1. Stellvertreterin/s kandidierten die beiden SPD-Ratsmitglieder gegeneinander, Marga Niedenführ gewann mit 16 von 25 Stimmen gegen Otto Weinrich (8 Stimmen). 2. Stellvertreter wurde Dr. Franz Tölle (CDU, 15 Stimmen).
1966 übernahm die SPD die Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen. Im selben Jahr führten Willy Brandt und Herbert Wehner die SPD auf Bundesebene in die Regierungsverantwortung (zunächst im Rahmen einer großen Koalition mit der CDU, 1969 in einer sozial-liberalen Koalition mit der FDP). In den meisten Großstädten der Bundesrepublik gewann die SPD in den 1950er und 1960er Jahren das Vertrauen der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in der Kommunalpolitik.
1966 verlegte die Hoesch AG das Röhrenwerk nach Hamm, Hiltrup verlor rund 400 Arbeitsplätze. Die Firma Basalan übernahm das Betriebsgelände, Ende 1966 beantragte sie die Errichtungs- und Betriebsgenehmigung für eine Anlage zur Herstellung von Basaltwolle. Der Antrag gab an, dass die Anlagen gewaltige Mengen Feinstaub und Schwefeldioxid ausstoßen sollten, die als Bindemittel eingesetzten Phenolharze sollten angeblich in einer katalytischen Verbrennungsanlage vollständig verbrannt und über Dach abgeführt werden.
Hiltrup prosperierte: Alte kleine Häuser an der Bahnhofstraße (heute: Marktallee) wurden allmählich durch größere Neubauten ersetzt und Baulücken geschlossen (z.B. Hausnummern 46 und 48 neben der Sparkasse). 1967 standen noch alte kleine Häuser an Hausnummer 23 (2024: takko), 25, 27, 39 (Eckhaus Moränenstraße mit Gaststätte) und 41 (gegenüber liegendes Eckhaus Moränenstraße, 2024: Onkel Alex und Ernstings), auch sie wurden bald ersetzt. Für die neue Realschule wurde 1967 mit dem Bau eines neuen Schulgebäudes begonnen.
Mit steigendem Wohlstand nahm die allgemeine Motorisierung Fahrt auf. Kleinstfahrzeuge wie der Janus, die Isetta oder das von der Hiltruper Firma Karl Georges angebotene Goggomobil fanden keine Käufer mehr. An ihre Stelle traten in wachsender Zahl größere Fahrzeuge.
Vor der Firma Karl Georges steht auf der Postkarte um 1968/1969 nur noch ein einziges Goggomobil. Auf dem Hof steht noch ein Kleinwagen (NSU-Fiat Jagst 770) und mit dem Ford Escort Mk. I ein Vertreter der Kompaktklasse. Im Übrigen fährt Hiltrup bereits Mittelklasse-Modelle: Ford 12M und Ford 17M (P3 und P5), daneben ein Glas 1700.
Auf dem ehemaligen Hoesch-Gelände an der Nobelstraße zwischen Eisenbahn und Kanal eröffnete 1968 die Basalan Isolierwolle GmbH ein Werk. Basalan verschmutzte die Luft in unzumutbarem Maß (Quelle: Bericht im Hiltruper Anzeiger Nr. 6 von 1968); laut mündlichem Bericht von Zeitzeugen fielen wegen der in die Luft abgegebenen Schadstoffe Passanten auf der Straße um. Basalan (später: Reinhold+Mahla / DEUTSCHE ROCKWOOL Mineralwoll GmbH & Co. OHG) musste später den Abluftkamin erhöhen und zusätzliche Filteranlagen einbauen, Umweltschutz war ein Thema geworden. (Das Werk wurde 2002 stillgelegt, die städtebauliche Brache an der Nobelstraße wartet auf eine der zentralen Lage angemessene Entwicklung.)
Mit steigender Lebenserwartung und Veränderung der Familienstrukturen stieg der Bedarf an Alten-Pflege. Im alten Pfarrhof An der Alten Kirche hatten die Schwestern schon seit 1927 alte Menschen zur Dauerpflege aufgenommen, nebenan baute die katholische Kirchengemeinde St. Clemens im Jahr 1968 das Marienheim für zunächst 60 Bewohner.
Im Sommer 1968 eröffnete die Familie Krautkrämer, die bis dahin das Davertjagdhaus in Amelsbüren geführt hatte, ihr Hotel am Steiner See. Die Kapazität betrug zunächst 66 Betten, von vornherein geplant waren 140 Betten. Im selben Jahr wurde nebenan das neue beheizte Freibad eröffnet, und der am 15.11.1968 gegründete Segelclub durfte an der Landzunge zwischen den beiden Seen eine Steganlage mit Schutzhütte bauen. (In den 1970er Jahren wurden die zwei Wasserflächen miteinander verbunden, 1984 entstand das Clubhaus am Nordufer.)
Hiltrup wuchs währenddessen unaufhörlich weiter: 1970 wohnten hier schon 14.663 Einwohner. Für ihre Kinder war das Schulsystem auch in Hiltrup 1968 neu geordnet worden. An die Stelle der zwei Volksschulen Klemensschule (an der Clemens-/Patronatsstraße) und Ludgerusschule (an der Kardinalstraße) traten eine Hauptschule (an der Kardinalstraße) und vier Grundschulen: Clemens- und Paul-Gerhardt-Schule in Hiltrup-Mitte, Marienschule in Ost und Ludgerischule in West.
(Dieser Artikel wurde zuletzt am 19.11.2024 aktualisiert.)