Meister Hullmann

Schuhmachermeister Christian Hullmann (31.5.2022; Foto: Henning Klare)
Schuhmachermeister Christian Hullmann (31.5.2022; Foto: Henning Klare)

… wird uns fehlen!

Ein Geheimtipp auf der Marktallee? Die kleinen Lädchen machen den Charme, die unverzichtbaren Angebote des täglichen und auch des besonderen Bedarfs, die bekannten Gesichter. Wo geht man hin, wenn der historische Korb-Puppenwagen neue Lederriemen am Fahrgestell braucht? Natürlich zu Meister Hullmann.

Neben dem früheren Café Klostermann residiert er seit 20 Jahren auf engem Raum: Der letzte Schuhmacher in Hiltrup.

Die Hiltruper Schuhmacher: v.l. Scholthaus, Gottwald, Mai, Berger, Voß; vorn v.l. Wortmann, Kneilmann sen., Kneilmann jun. (1948; Foto: Hiltruper Museum; Bearbeitung: Henning Klare)

Die Hiltruper Schuhmacher: v.l. Scholthaus, Gottwald, Mai, Berger, Voß; vorn v.l. Wortmann, Kneilmann sen., Kneilmann jun. (1948; Foto: Hiltruper Museum; Bearbeitung: Henning Klare)

1948 waren es noch acht Schuhmacher, die sich in einer Hiltruper Werkstatt für den Fotografen versammelten. Schuster Schürmann arbeitete seit den 1940er Jahren in Hiltrup, 1984 bezog er das kleine Ladenlokal im Haus Klostermann an der Marktallee 49. Meister Christian Hullmann stieß später dazu und übernahm den Betrieb.

Ein grüner Trumm von Maschine beherrscht den kleinen Laden, davor die Theke, daneben Regale voller: Schuhe. Und wer Schuhe kann, kann auch die kleinen Lederriemen, die Sorte, die man nur einmal in seinem Leben braucht.

Nicht jeder, der kann, will auch: Die kleinen Lederriemen waren nicht einfach zu beschaffen. Meister Hullmann wusste Rat, war (und ist heute noch) freundlich, und besorgte für kleines Geld die Lösung.

Nostalgie: Am 1.6.2022 schließt der Handwerksbetrieb Hullmann (31.5.2022; Foto: Henning Klare)

Nostalgie: Am 1.6.2022 schließt der Handwerksbetrieb Hullmann (31.5.2022; Foto: Henning Klare)

Und jetzt das: „Der letzte Öffnungstag wird der 11. Juni 2022 sein“ steht im Schaufenster an der Marktallee. Aus und vorbei, Hiltrup ohne Schuster! Wohin in Zukunft mit Schuhreparaturen und den kleinen Extra-Problemen aus der Welt des Leders? Wo auf die Schnelle einen Schlüssel nachmachen, ein Schild gravieren lassen?

Meister Hullmann gibt die Selbständigkeit auf. Die große grüne Maschine wandert in seine Garage – so leicht trennt man sich eben nicht -, er arbeitet als Angestellter weiter bei einem Orthopädie-Spezialisten. Ja, da gibt es einen Kollegen, der wollte eine Annahmestelle in Hiltrup einrichten. Aber dem hat auch gerade der Vermieter gekündigt, weil ihm die Vermiet-Rendite zu niedrig war…

Schuhe sind wie Textilien zu Wegwerfartikeln geworden. Wer lässt sich schon Schuhe machen, vom Schuhmachermeister? Und wer zahlt etwas mehr für seine Schuhe und trägt sie dann – mit Rundumerneuerung zwischendurch – 10 Jahre und länger?

Ein gewohnter Anblick an der Marktallee – bis zum 11.6.2022 (Foto: Henning Klare)

Ein gewohnter Anblick an der Marktallee – bis zum 11.6.2022 (Foto: Henning Klare)

Die Geringschätzung der Schuhe, die Verschwendung von Ressourcen treffen auch das qualifizierte Handwerk dahinter. Wir sind selber schuld, wenn es uns plötzlich fehlt.

Und was ist aus dem Ladenlokal an der Marktallee geworden? Es steht leer.

Hiltrup, Marktallee 49: Eineinhalb Jahre Leerstand (3.12.2023; Foto: Henning Klare)

Hiltrup, Marktallee 49: Eineinhalb Jahre Leerstand (3.12.2023; Foto: Henning Klare)

Im Juni 2022 ist Meister Hullmann ausgezogen (und musste seine Selbständigkeit aufgeben), und bis Dezember 2023 ist nichts passiert. Keine Neuvermietung, kein Abbruch, kein Neubau, nur öder Leerstand, dürftig kaschiert mit Werbung. Warum ist man denn im Juni 2022 so ruppig mit Meister Hullmann umgegangen? Warum hat man den nächsten Schandfleck auf Hiltrups Marktallee geschaffen?

Hiltrup, Marktallee 49: 20 Monate Leerstand (24.2.2024; Foto: Henning Klare)

Hiltrup, Marktallee 49: 20 Monate Leerstand (24.2.2024; Foto: Henning Klare)

Schandflecken sind hartnäckig auf der Marktallee. Wie Fallobst: Erst kommen die brauen Flecken, und dann… erst einmal nichts. Oben sind die Fenster blind von Rollläden, unten hat sich das graue Elend ausgebreitet. Der Platz vor dem öden Ladenlokal, in dem früher Meister Hullmann arbeitete, dient oft als Parkplatz. Ein Gelände-Panzer, ein SUV steht dann dort. Schöne Bescherung. Bis zum Abbruch des alten Hauses dauert es bis September 2024 – mehr als zwei Jahre nach dem Betriebsende für Meister Hullmann.

(Dieser Artikel wurde zuletzt geändert am 07.11.2024.)