Ziegenhaltung

"Die Ziege ist es wert, daß man sie ehrt, weil sie ihren Mann ernährt.": Denkmal zum 25jährigen Bestehen des Hiltruper Ziegen Zucht Vereins 1900-1925 (Hiltrup, Garten der Kaffeewirtschaft Bernard Vogt an der Marktallee; historische Postkarte um 1935)
"Die Ziege ist es wert, daß man sie ehrt, weil sie ihren Mann ernährt.": Denkmal zum 25jährigen Bestehen des Hiltruper Ziegen Zucht Vereins 1900-1925 (Hiltrup, Garten der Kaffeewirtschaft Bernard Vogt an der Marktallee; historische Postkarte um 1935)

„Die Kuh des kleinen Mannes“

In einigen Städten gibt es Ziegendenkmale, auch in Hiltrup hatte der Ziegen-Zucht-Verein in Vogts Garten der Ziege ein Denkmal gesetzt. Als karnevalistische Tradition hat sich im Nachbar-Stadtteil Wolbeck der Ziegenbocksmontag erhalten. Humor und Sicherung des Lebensunterhalts waren lange eng miteinander verbunden, wie das Leben des „Ziegenbarons“ Alfred von Renesse zeigt.

Die Bezeichnung der Ziege als „Kuh des kleinen Mannes“ hatte bis weit ins 20 Jahrhundert einen ganz realen Hintergrund. Wer einen Garten hatte oder anderswo Futter beschaffen konnte, konnte eine Ziege halten. Wenn sie gedeckt wurde, gab sie Milch – die schmeckt zwar streng, kann aber auch zu Käse und Butter verarbeitet werden, und Ziegenlämmer gaben einen Braten.

Butterapparat für 2 Liter Milch (um 1920; Foto: Henning Klare)

Butterapparat für 2 Liter Milch (um 1920; Foto: Henning Klare)

Für die kleinen Milchmengen einer Ziege (etwa 3 Liter pro Tag) brauchte man kein großes Butterfass wie auf den Bauernhöfen. Der im Bild gezeigte Butterapparat fasste 2 Liter Milch.

Butterapparat: Handbetriebener Quirl und Glasgefäß (Foto: Henning Klare)

Butterapparat: Handbetriebener Quirl und Glasgefäß (Foto: Henning Klare)

Auf das mit Milch gefüllte Glas wurde eine Art Quirl aufgeschraubt. Ähnlich wie bei handbetriebenen Schneebesen wurde der Quirl mit Kurbel und Zahnrad-Übersetzung so lange gedreht, bis sich die Butter absetzte.

Ziegenmilch wurde um die Jahrhundertwende als Mittel gegen die im Ruhrgebiet, aber auch in Westfalen grassierende Tuberkulose angesehen. So war die Ziege nicht nur als „Bergmannskuh“ verbreitet, sondern auch in Amelsbüren und Hiltrup.

Ziegenhaltung in Hiltrup um 1925 (Haus Klönne, Westfalenstr. 140; Foto: Hiltruper Museum)

Ziegenhaltung in Hiltrup um 1925 (Haus Klönne, Westfalenstr. 140; Foto: Hiltruper Museum)

In den Hungerzeiten nach dem I. und dem II. Weltkrieg diente sie der Selbstversorgung. Zwischen 1920 und 1925 hatte die Ziegenzucht ihre größte Bedeutung. Ziegenhalter organisierten sich in Ziegen-Zucht-Vereinen. Die Kommunen waren verpflichtet, Gemeinde-Ziegenböcke zu unterhalten, um die Ziegen am Ort decken lassen zu können. So zahlte Amelsbüren zum Beispiel 1924 160 Reichsmark an zwei Ziegenbockhalter. Als es in den 50er und 60er Jahren in Amelsbüren keinen Ziegenbock mehr gab, zahlte Amelsbüren jährlich noch 150 DM an Wolbeck für den Unterhalt des Wolbecker Ziegenbocks.

Ziege Grete auf der Weide Hanses-Ketteler in Hiltrup (um 1950; Foto: Hiltruper Museum)

Ziege Grete auf der Weide Hanses-Ketteler in Hiltrup (um 1950; Foto: Hiltruper Museum)

Baron von Renesse gründete 1900 einen Verein für die Hebung der Ziegenzucht. Der Hiltruper Ziegenzuchtverein war seine größte Zweigniederlassung, er bestand von 1900 bis 1955 mit einer Bockstation in Hiltrup. Zum 25jährigen Bestehen des Vereins errichtete er im Garten der Kaffeewirtschaft Vogt das Denkmal, Baron von Renesse weihte es ein. Es wurde im II. Weltkrieg zerstört. Der Verein feierte Sommer- und Winterfeste, im Sommer war das Ziegenfest bei Vogt ein Höhepunkt. Es war mit einer Ziegenausstellung verbunden, die besten Muttertiere, Böcke und Lämmer wurden prämiert. Der „Ziegenbaron“ Alfred von Renesse ließ es sich nicht nehmen, persönlich die Preisverkündung vorzunehmen.

Renate und Ute Winzer in der Ziegenbock-Kutsche (Bad Rothenfelde, 1936; Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Familie Schnabel)

Renate und Ute Winzer in der Ziegenbock-Kutsche (Bad Rothenfelde, 1936; Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Familie Schnabel)

Für die Kinder gab es nachmittags eine Belustigung mit Wettspielen, sie konnten für 5 oder 10 Pfennig auf einem kleinen von zwei Ziegenböcken gezogenen Wägelchen eine kleine oder größere Rundfahrt durch die Gartenanlagen im Vogtschen Garten machen. Für die Erwachsenen bot Vogt Kegelbahnen und Schießstand, gefeiert wurde im Vogtschen Saal. Die Amtskette des Ziegenverein-Schützenkönigs und ein Silberkrönchen sind im Hiltruper Museum erhalten.

“Großer Parkettsaal“ des Restaurants Hermann Vogt, Hiltrup (1938; historische Postkarte)

“Großer Parkettsaal“ des Restaurants Hermann Vogt, Hiltrup (1938; historische Postkarte)

(Siehe auch Elisabeth Egger und Bärbel Reisener: Ziegen in Hiltrup)

(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 21.03.2024.)