Die Sache mit dem Bürgersinn
Eine leidenschaftliche Liebesbeziehung ist das, dies merkwürdige Verhältnis zwischen Hiltrup und seiner Marktallee. Der frühere Bezirksbürgermeister sprach gern von Hiltrups Flaniermeile, und auch die Kaufleute unternehmen alles Mögliche, um die Marktallee weit über den Stadtteil hinaus zu promoten. Gleichzeitig befindet sich dieser Kern von Hiltrup in einem schleichenden Umbruch. Wenn man das aktuelle Bild mit der Bestandsaufnahme vor zwei Jahren vergleicht, fallen eine Reihe von Veränderungen auf. Aber ob es sich zum Guten entwickelt? Das Bild im Herbst 2022 lässt nicht unbedingt hoffen, genauso wenig wie der Streit um die Geranienpflege.
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Das alte Ladenlokal an der Marktallee 55, in dem Brintrup früher Kinderwagen und Spielwaren verkaufte, ist wieder besetzt – aber nicht mit Einzelhandel, der das Angebot der Marktallee bereichern könnte. Der Schuster und der alte Eingangsbereich des früheren Café Klostermann sind Vergangenheit; was nach dem Abbruch kommen wird, ist ungewiss. In den verbliebenen Räumen Klostermanns hat im Oktober 2022 Krimphoves pain et gâteau eröffnet. Einige Häuser weiter klafft eine Lücke, wo früher Frisör Heßling und Annettes Weinlädchen waren (Marktallee 36), gegenüber gleich die nächste Lücke. An der Marktallee 34 in bester Einkaufslage ist eine Arztpraxis mit blinden Schaufenstern eingezogen.
Die Wirtschaftsförderung der Stadt Münster sieht die Situation ganz nüchtern: Die Marktallee in Hiltrup habe an Attraktivität deutlich abgenommen, der Facheinzelhandel sei auf dem Rückzug (Westfälische Nachrichten 1.10.2022).
Und die Geranien – man mag gar nicht mehr hinsehen. Auf dem Weg durch Amelsbüren leuchten einem die Blumen entgegen, Hiltrup zeigt den Kontrast. Jämmerlich ist das. 2021 mochte niemand gießen. 2022 gab es einen neuen Anlauf, aber nicht alle Geranien-Paten mochten gießen. Im Herbst 2022 kann man an vielen Stellen wie vor Nikos gerade noch welke Stengel sehen – wenn man genau hinschaut. Dabei ist es doch so einfach, Wasser und Flüssigdünger lassen Geranien bis zum Frost leuchten. Man muss es nur tun.
Amour fou nennt man das. Eine leidenschaftliche Liebe: Die Geranien müssen leiden. Mit ihnen das Bild von Hiltrup. Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut. Karl Valentin in Westfalen.
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 30.11.2022.)