Verkehrsgefahr durch Neubau
Wenn das Kind im Brunnen liegt, sucht man nach Schuldigen. Der Neubau der Prinzbrücke ist fast fertig, die Mängel der Planung kommen auf den Tisch. Fußgänger und Radfahrer kommen dem Schwerlastverkehr in die Quere, und die Polizei stellt ein Sicherheitsrisiko fest. Nicht zum ersten Mal: Schon 2019 hatte die Polizei zu derselben Verkehrsführung, wie sie jetzt neu realisiert ist, den Finger gehoben: Die Polizei wundere sich, “dass dort bislang keine Unfälle passiert sind“ (WN 18.12.2019). Auf der westlichen Kanalseite queren Radfahrer die Fahrbahn, wenn sie nach Hiltrup-Ost fahren; sie sollen rechts fahren und sich die schmale Fahrbahn mit den LKW teilen. Anders geht’s nicht: Wenn sie auf dem herrlichen rot markierten Radweg auf der Nordseite der Brücke, also auf der linken Seite der Straße fahren, kommen sie in Lebensgefahr: Sie müssten quer über die Einmündung Föhrenweg / Osttor fahren, und die hat’s in sich. Die neue Brücke liegt viel höher als die alte, im Kreuzungsbereich müssen alle auf der Steigung anhalten und wieder anfahren – und dann noch auf Radfahrer achten, die diagonal über die Kreuzung fahren?
Damit die Radfahrer dabei nicht unter die Räder kommen, gibt es die Neuauflage eines Provisoriums aus dem Jahr 2008. Die Radfahrer müssen auf der Westseite des Kanals die Straße queren. Als Querungshilfe etwas rote Farbe auf der Fahrbahn, Radfahrer und LKW zusammen auf schmaler Fahrbahn.
Kann das denn wahr sein?
Es war das Jahr 2008, da wandten sich Bürger von Hiltrup-Ost an die SPD in der Bezirksvertretung Hiltrup. Der LKW-Verkehr zum Gewerbegebiet an der Nobelstraße (früher: Rockwool) nahm zu, die Konflikte zwischen schweren LKW und Radfahrern häuften sich. Die SPD ergriff die Initiative, bei einem Ortstermin mit der Verwaltung wurde das Provisorium verabredet: Rote Farbe auf die Fahrbahn. Rote Farbe soll LKW stoppen.
Dann wurde lange über die Verkehrssicherheit an dieser Stelle debattiert. Die Prinzbrücke wurde marode und sollte ersetzt werden. Das wäre die Gelegenheit gewesen, die gefährliche Situation zu entschärfen.
Und an die Debatten in dieser Zeit, also ab ungefähr 2008, sollte man sich im Jahr 2024 genau erinnern. Vor allem dann, wenn jetzt die Suche nach den Schuldigen beginnt.
Denn die Politiker sind genauso wenig betrogen worden wie die Hiltruper BürgerInnen. Niemand darf sich heute getäuscht fühlen. Was jetzt fast fertig gebaut ist, ist ein Debakel mit Ansage.
Der Vorwurf der Täuschung richtet sich für unvoreingenommene Betrachter erst einmal gegen die Verwaltung der Stadt Münster – und die ist nun wirklich nicht schuld. Denn wenn man Eingeweihten glauben darf, hat die münstersche Verwaltung damals die einzig sichere Planungsvariante ins Spiel gebracht, die Planungsvariante 5: Anbindung des Gewerbegebiets durch ein Auffahrtsohr nördlich der Landesstraße und Neubau einer Geh-/Radwegbrücke in der Lage der alten Brücke. 2011 schrieb die Verwaltung: „… Dies bedeutet einen erheblichen Verkehrssicherheitsgewinn. Ich bitte, daher für die weiteren Planungen die Variante 5 zugrunde zu legen. [vorbehaltlich Ratsbeschluss]“
Wer diese Lösung verhindert hat, ist genauso eindeutig auszumachen: Die münsterschen Grünen.
Es hat damals eine Vielzahl von Gesprächen mit den Grünen gegeben. Die großen Sicherheitsprobleme, die allein mit roter Farbe nicht zu beseitigen waren, sind klar benannt worden; bei einem Ersatz der alten Brücke durch eine neue Brücke für motorisierten und Radverkehr an fast gleicher Stelle werden diese – sich ständig verschärfenden Probleme – für weitere 100 Jahre aufrechterhalten. Das ist im Detail mit Herrn Peters als Vertreter der Grünen besprochen worden, die Zeichnung mit Eintragung der Konfliktstellen lag auf dem Tisch. Für die Grünen spielte das keine Rolle, Peters‘ Kommentar war: „Es ist ja noch nichts passiert“.
Was danach passierte, kann man kaum der münsterschen Verwaltung zum Vorwurf machen. Erst wurde um Denkmalschutz gestritten, die rostige Brücke sollte unbedingt erhalten werden – als Geh- und Radwegbrücke. Dann ging es um Bäume, die für das Auffahrtsohr gefällt werden mussten. „Mein Freund der Baum“ war die Parole, Sicherheit spielte keine Rolle. Und nicht zuletzt ging es um schlichte Parteipolitik. Als Juniorpartner erpressten die Grünen ihre wechselnden Partner im Rat. Mal waren es die Roten, dann die Schwarzen, dann wieder die Roten, und jedesmal mussten die Partner der Grünen ihre Meinung zur Prinzbrücke ändern, wenn sie eine Mehrheit für den Haushalt suchten. Und die Grünen ignorierten beharrlich die Gefahr: Noch 2019 wollten sie alle Warnungen ignorieren, warfen anderen eine „unehrliche Sicherheitsdebatte“ vor. „Radler müssen die Fahrbahn nicht mehr queren“ behaupteten die Grünen im Jahr 2019 – die Realität der „grünen“ Brückenplanung im Jahr 2024 sieht anders aus.
Auch der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist kein Vorwurf zu machen. Diese Verwaltung stand unter dem Druck, einen Ersatz für die baufällige alte Brücke zu schaffen. Egal wie, Hauptsache fertig, bevor die alte Brücke einstürzt. Auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sah die Probleme kommen. Im informellen Gespräch konnte man dort hören, dass auch ein breiter Radweg auf der Nordseite der Brücke keine Lösung ist: Der breite Radweg an der Nordseite funktioniere nur bei geringen Verkehrsstärken und müsse bei einer städtebaulichen Entwicklung des Industrie-/Gewerbegebietes Nobelstraße mit höherem Verkehrsaufkommen rückgängig gemacht werden, im Endergebnis sei eine Entschärfung des Konfliktes zwischen Schwerlast- und Geh-/Radverkehr in der Variante 1 [2023/2024 gebaut] nicht möglich.
Fazit:
Die Stadt Münster gibt sehr viel Geld für einen breiten Radweg auf der Prinzbrücke aus, und die Sicherheitsprobleme bestehen fort und wachsen.
Wem soll man da Vorwürfe machen? Den verschiedenen beteiligten Verwaltungen kaum. Die Verwaltungen haben die fachlichen Argumente in die Debatte eingebracht, das war ihre Aufgabe. Dann hat die Politik Unsinn beschlossen – man muss es so hart sagen -, und die Verwaltungen haben den ihnen aufgetragenen Unsinn ausgeführt.
Haftet irgendjemand aus der Politik für den Unsinn? Scheuer ist nicht mehr Minister, aber den Maut-Schaden hat der Steuerzahler. In der Kommunalpolitik sind die finanziellen Schäden kleiner, aber sollte da nicht auch mal jemand über Konsequenzen nachdenken?
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