Autsch: So ein Oberbürgermeister...

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… ist doch nur der Grüßaugust, sagte mal ein Oberbürgermeister. Es ist ein schwieriges Amt, und es lässt eigentlich gar keine Zeit für ernsthafte Arbeit. Da kommen die notleidenden Apotheker, denen muss der Oberbürgermeister doch helfen; fleißig betreibt er PR-Arbeit für sie, will ihnen zusätzliche Einnahmen verschaffen, das kostet Zeit. Dann ist da der Städtetag, irgendwer muss doch den Vorsitz übernehmen, auch das kostet Zeit. Dann auch noch Corona! Kam so schnell, war keine Zeit, eine ordentliche Maske aufzusetzen. Die Arbeit machte zum Glück der Dezernent. Da ist die Gefahr groß, dass die eigenen Schäfchen pardon BürgerInnen der Stadt Münster ihr Oberhaupt aus dem Blick verlieren.

Das zu verhindern ist die Aufgabe der Hauspostille. Eine ganze Seite gibt’s dafür in der Printausgabe (25.10.2023). Großes Foto in staatstragender Pose, feiner Zwirn, man weiß, was man dem bürgerlichen Publikum schuldig ist. Aber auch hier: Der Mann hat gar keine Zeit. Konnte sich nicht vorbereiten. Oder hat den Spickzettel nicht gelesen. „Kontrolle der Außengrenzen, klare Rückführungsabkommen und das Ende irregulärer Einwanderung“, da hatte ihm wohl jemand den Spickzettel von Herrn März untergeschoben, als er diese Forderung präsentierte. So ein peinliches Versehen! Wo doch jeder weiß, wie fleißig manche Länder Flüchtlinge durchwinken auf dem Weg nach Deutschland, und wie wenig Einfluss Deutschland auf diese Länder hat. Erst recht peinlich das Stichwort „Rückführungsabkommen“: Auch das weiß jeder, viele Länder wollen ihre Leute einfach nicht zurück haben; und die Engländer hatten keine freundliche Presse, als sie all die unerwünschten Flüchtlinge nach Afrika deportieren wollten – das will unser Oberbürgermeister doch sicher auch nicht? Eine Sache hätte ihm aber wirklich nicht durchgehen dürfen, die Sache mit dem „Ende irregulärer Einwanderung“. Dass Herr März solche Sprüche macht, ist seine Sache, aber Münster? Zu offensichtlich ist es doch, dass es schon immer „irreguläre Einwanderung“ gab – und auch immer geben wird. Erschweren kann man die Einwanderung, auch die „irreguläre“, aber verhindern? Will da jemand wieder Zäune und Mauern bauen? Auch die chinesische Mauer war eine Fehlinvestition.

So ist das eben, wenn man keine Zeit hat. „Natürlich gibt es Bürgergeld-Bezieher, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Wir machen aber auch in Münster die Erfahrung, dass Stellen nicht besetzt werden, weil manche lieber Bürgergeld beziehen“ ist ihm dann noch herausgerutscht. Sicher ein Versehen. Oder meint er das wirklich? Die Sprüche von den faulen Sozialhilfebeziehern und der sozialen Hängematte sind doch nun wirklich nicht originell. Alle Jahre wieder wird diese Sau durchs Dorf getrieben, jedes Jahr neu sollen die Hartzer doch endlich Spargel stechen, statt faul herumzulümmeln und den fleißigen Bürgern eine Nase zu drehen. Natürlich gibt es auch wirklich Bedürftige, aber…: Herr Oberbürgermeister, wie sieht es denn in Münster aus, mal ganz im Ernst und genau nachgefragt? Wer mit all dem christlichen Hintergrund und der fachlichen Expertise einer großen Kommunalverwaltung vom Bürgergeld für Faule redet, tut das doch sicher auf der Grundlage einer fundierten Datenbasis. Also raus mit den Zahlen, Fakten auf den Tisch! Oder ging es hier gar nicht um Fakten, sondern um Populismus, Bedienung eines bürgerlichen Ressentiments?

Ach je, so ein Interview ist doch eine gefährliche Sache. Haben die WN den Text nicht vor dem Druck zur Genehmigung vorgelegt? Oder meint der Oberbürgermeister das wirklich ernst, wenn er über seine Mitarbeiter herzieht? „Es gibt immer weniger Bedienstete, die etwas schnell umsetzen wollen“ sagt er im Interview, und diese Aussage muss man erst einmal sacken lassen. Zwei Inhalte transportiert dieser fatale Satz. Auf der einen Seite sind es die Mitarbeiter, die nicht schnell arbeiten wollen. So eine Aussage freut die Mitarbeiter sicher. Sie dürfen sich mal eben in dieselbe Ecke gestellt fühlen wie die faulen Bürgergeldempfänger. Auf der anderen Seite ist es der Vorgesetzte, der seinen Laden vor die Wand fährt. Denn der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her.

Aber Vorgesetzte, auch das macht dies Interview mal wieder deutlich, sind nie schuld, wenn etwas klemmt. Ärger wegen fehlender Busfahrer? Der Stadtwerkegeschäftsführer war’s, er hat nicht richtig kommuniziert. Die Stadtwerke, so der Oberbürgermeister, „wollen Programme auflegen“ – anders ausgedrückt, die haben bislang noch gar nichts unternommen? Der Oberbürgermeister sagt: „Ich werde mir das genau anschauen“ und „werden wir das Problem in den Griff bekommen“, und die Leser sind irritiert. Will der Oberbürgermeister wirklich in Person Busfahrer herschaffen und Verantwortung für das Problem übernehmen? Oder sind das einfach nur populistische Leerformeln? Verantwortung ist in diesem Fall eine kitzlige Sache. Die Stadt Münster mit ihren Stadtwerken hat über Jahre keine Busfahrer eingestellt. Lohndrückerei hat Münster betrieben, Billigtarif außerhalb des Stadtwerke-Tarifvertrags. Das hat Folgen, und die Verantwortung liegt nicht bei der jetzigen Führungsspitze der Stadtwerke.

Der Rest des Interviews wäre besser Schweigen geblieben. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Bürokratieabbau, Konzentration auf das Wesentliche und dann der ganze Rattenschwanz der Vokabeln, die in keinem Wahlkampf fehlen dürfen, bis hin zu den sicheren Arbeitsplätzen. Auch das Austeilen gegen „die da oben“, denen er das Fehlen von „politischem Handlungswillen und persönlicher Kompetenz“ attestiert – Töne, die man überreichlich zu hören bekommt aus Bayern und von der AfD. Nur eins will der Oberbürgermeister nicht: Die Kriegsverbrecher und alten Nazis, die sollen auf den Straßenschildern bleiben.

Hat ihn denn niemand zurückhalten können, sich so peinlich darzustellen?

Kommentare

  1. Selten zu einen guten Kommentar gelesen! Hochachtung!!!

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