Autobahnbau und Wirtschaftsinteressen
PPP heißt jetzt ÖPP, die Problematik ist geblieben. Jahrzehnte ist es her, da sollte der Staat unter dem Etikett „Liberalisierung“ alles privatisieren, was nicht niet- und nagelfest ist. Manches hat funktioniert, anderes nicht. Die Eisenbahn sollte an die Börse, jetzt ist sie marode. Zugfahren ist zur Lotterie geworden, der Bundeshaushalt muss gewaltige Investitionen stemmen. An die Politiker, die die Privatisierungswelle damals anschoben, erinnert sich niemand mehr. Die Verkehrsminister, die die Bahn in den Abgrund führten, sind nicht mehr im Amt.
Die Ideen dahinter sind aber immer noch virulent. Mit den privatwirtschaftlichen Modellen wollte man für Infrastrukturprojekte zusätzliche Schulden machen, ohne sie im Bundeshaushalt auszuweisen. Zweckgesellschaften sollten die Kredite aufnehmen, als Gegenleistung sollten ihnen staatliche Einnahmen abgetreten werden. Garniert wurden diese Vorschläge mit gängigen Ressentiments gegen öffentliche Verwaltung. Der dritte Aspekt hatte eher Zocker-Qualität: Manche Beteiligte träumten davon, wirtschaftliche Risiken der öffentlichen Hand auf Private abzuwälzen.
Im Straßenbau befeuerte zusätzlich die mächtige Lobby der Bauwirtschaft diese Diskussion. Die großen Baukonzerne, aber auch Zusammenschlüsse von mittelständischen Unternehmen witterten enorme Gewinnchancen. In Betreibermodellen wollten sie Autobahnen, aber auch andere Projekte planen, finanzieren, bauen und für einen bestimmten Zeitraum betreiben – es den faulen Bürokraten einmal richtig zeigen. Der Bauherr wollte dafür kein festes Entgelt bezahlen, sondern etwa zukünftige Einnahmen aus der LKW-Maut abtreten.
Der Bundesrechnungshof sah diese Entwicklung kritisch, er fand keine Einspar-Perspektive. Die niedrigsten Kreditzinsen zahlt immer noch der Staat selbst, nicht – potentiell konkursgefährdete – Privatunternehmen.
Einige Projekte wurden auf diese Weise verwirklicht. Exemplarisch kam das A1-Betreibermodell in Norddeutschland in Not. Die Maut-Einnahmen blieben hinter den Erwartungen zurück. Notgedrungen musste der Bauherr über finanzielle Hilfen für das Projekt nachverhandeln: Eine Zweckgesellschaft kann eben nur sehr begrenzt Risiken verkraften, sie kann nur in die Insolvenz gehen.
Nun ist es mit der nächsten ÖPP-Träumerei vorbei. Die DEGES – selbst privatwirtschaftlich organisiert – hat die Notbremse gezogen und die Ausschreibung für das ÖPP-Projekt „Ausbau der A1 zwischen Münster und Osnabrück“ aufgehoben.
Die öffentlichen Reaktionen fallen wie üblich schrill aus. Die Baufirma Strabag war einziger Bieter und mault, die DEGES habe das Projekt wegen „angeblicher Unwirtschaftlichkeit“ gestoppt. Auch wenn die Hintergründe der Entscheidung nicht bekannt sind: Es ist schon merkwürdig, dass sich nur ein einziges Unternehmen um so ein Projekt bewirbt; offensichtlich war allen anderen die Kartoffel zu heiß. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn bei einem so schmalen Bieterfeld die geforderten Preise durch die Decke gehen.
„Deutschlandtempo“ schimpfen die WN (25.10.2023) diesen Sachverhalt, gewählt werde immer der Kriechgang. Das ist Ressentiment in Reinform. Welches Etikett will der Kommentator denn wählen, wenn das Geld zum Fenster hinausgeworfen ist? Das war der Spaß uns wert?