Münsters Oberbürgermeister macht Apotheken-Reklame – unter der Erde
„Als wachsende Stadt brauchen wir mehr Apotheken, nicht weniger“ – Münsters Oberbürgermeister Lewe ist mit diesem Statement in den Untergrund gegangen. Offensichtlich ist er sich seiner Sache nicht so sicher, dass er sich damit in Münster öffentlich blicken lassen mag: Die Plakate mit diesem Statement hängen in Berlin. Unter der Erde, in den U-Bahnhöfen Friedrichstraße, Mehringdamm und Alexanderplatz. Testimonials nennen das die Apotheker auf ihrer Internet-Seite und freuen sich: „… ist es der ABDA gelungen, Politiker aus dem ganzen Bundesgebiet dafür zu gewinnen, sich für den Erhalt der Apotheke vor Ort und für bessere Rahmenbedingungen für den pharmazeutischen Nachwuchs auszusprechen.“
Hm, Lewe hat doch gar keine Apotheke, was bringt ihn dazu, sich für die „Pillendreher“ ins Zeug zu legen? Wenn man als Hiltruper darüber nachdenkt, tauchen noch mehr Fragezeichen auf. Wusste Lewe, wovon er redet? In Hiltrup schießen die Apotheken aus der Erde wie die Krokusse im Februar! In Hiltrup-City gab es mal zwei Apotheken auf der Marktallee; die eine hatte eine wunderbare alte Ausstattung aus Holz, sie schloss, das Haus wurde abgebrochen. Aber danach ging’s los! Jetzt haben auf der Marktallee zusätzlich zu der alten zwei neue Apotheken, eine ist am Bahnhof hinzugekommen, eine an der Westfalenstraße, eine an der Meesenstiege, und in der Bodelschwinghstraße sowie am Osttor gibt es auch noch je eine. Lewe meint, wir brauchen noch mehr? Für wen und was denn? Oder ist der OB schon lange nicht mehr in Hiltrup gewesen, kennt er sich hier nicht aus?
Die Apotheker hauen ordentlich auf die Sahne. Voller Begeisterung verkünden sie auf ihrer Homepage, wie sie nach und nach weitere Stufen ihrer PR-Rakete zünden. In die Medien lancieren sie alle Jahre wieder die Horror-Vokabel „Apothekensterben“. Aber wie ist das eigentlich, müssen wir bald für Aspirin weit fahren und Schlange stehen?
Die Apotheker sind so freundlich, auf ihrer Homepage auch Statistiken anzubieten. Ja, es stimmt, die Zahl der Apotheken geht zurück. Sie ist jetzt wieder auf den Stand des Jahres 1990 zurückgegangen. 1990 war das Jahr des großen Mangels, nirgendwo gab es Medizin? Ein dreister Versuch, das geneigte Publikum hinter die Fichte zu führen.
Eine weitere Zahl: In Deutschland gibt es weniger Apotheken pro Einwohner als im EU-Durchschnitt. Da gibt es nur eine Schlussfolgerung: Wir brauchen sofort mehr Apotheken! Auf der Hiltruper Marktallee stehen noch ein paar Ladenlokale leer, dringend müssen hier weitere Apotheken aufmachen! Oder vielleicht doch nicht? Der EU-Durchschnitt wird heftig nach oben getrieben durch allerlei – man möge das verzeihen – „Entwicklungsländer“. Auch diese Information findet sich bei den Apothekern:
Griechenland hat 87 Apotheken je 100.000 Einwohner, da lebt ein Apotheker von gut 1100 Einwohnern. Im EU-Durchschnitt sind es gut 3200, in Deutschland sind es gut 4100 Einwohner pro Apotheke. In Hiltrup sind es jetzt 3100, das ist EU-Durchschnitt. Aber braucht man überhaupt so viele Apotheken für die medizinische Versorgung? Frankreich liegt bei der Apothekenzahl ungefähr im EU-Durchschnitt. Wer durch die aufdringlich blinkenden Apotheken-Reklamen in französischen Städten genervt ist und in ihren Schaufenstern die Kosmetika-Reklame sieht, hat da so seine Zweifel.
Luxemburg, Slowenien, Österreich, Finnland, Schweden, Niederlande, Dänemark, diese Länder stehen nicht im Ruf, dass es hier keine Medizin gibt – in diesen Ländern versorgt ein Apotheker um die 6500 Einwohner, in Dänemark noch viel mehr. Der EU-Durchschnitt wird in die Höhe getrieben von Ländern wie Griechenland, Zypern, Bulgarien, Malta. Nichts gegen Griechenland, aber eine Frage muss erlaubt sein: Wie heftig muss der Patient (über seinen Krankenkassenbeitrag) abgezockt werden, damit ein Apotheker von 1100 Menschen leben kann?
Lewe, Lewe, da hat er sich vergaloppiert – Glückwunsch an die Apotheker, dass sie so viele Bürgermeister als „Testimonals“ auf ihren Leim gelockt haben.
Wovon die vielen Apotheken eigentlich leben? Homöopathie, Phytotherapie, Aromatherapie, Ernährung, Lachen ….
„Als wachsende Stadt brauchen wir mehr“ – Oberbürgermeister Lewe, mehr Service für die Bürger wird gebraucht, nicht mehr Apotheken! Zum Beispiel Sparkassenfilialen in Reichweite, hier hat der OB gekniffen. Es ist drei Jahre her, da wurde öffentlich über die Pläne der Sparkasse diskutiert, unter anderem die Filiale in Berg Fidel zu schließen. Vertreter des Stadtteils hatten ein Gespräch mit dem OB Lewe: Weit mehr als 1000 Unterschriften standen unter dem Aufruf der Bürger von Berg Fidel, die Sparkassenfiliale in ihrem Stadtteil zu erhalten. Und was war die Antwort von Lewe? Die Sparkasse führe ihre Gewinne an die Stadt ab. Seine Zustimmung zur Schließung in Berg Fidel verpackte er in ein rosa Schleifchen: Vielleicht sollte man einen Planungsprozess zur Stärkung und Belebung des Zentrums in Berg Fidel überlegen. Seitdem hat man nichts mehr davon gehört.
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 25.2.2019.)