Von Germersheim bis Worms
(Fortsetzung von Von Rastatt bis Germersheim)
Germersheim am Morgen: Der Blick aus dem Germersheimer Hof verheißt nichts Gutes. Der Himmel ist grau, und als die beiden Radwanderer ihre Räder aus der Tiefgarage holen und aufpacken, beginnt es sacht zu nieseln. Der Radführer verheißt ohnehin keine besonders schöne Strecke, so geht es mit der Bahn zum nächsten Zwischenziel Speyer und dort direkt zum Dom.
Vor dem Dom ist Rummel, hier werden die Räder abgestellt und beginnt ein kleiner Rundgang durch die Stadt. Vor der gewaltigen Kulisse des Doms, größte erhaltene romanische Kirche der Welt, fällt der Blick auf ein Fachwerk-Baudenkmal, das Gasthaus zum Halbmond – halt, mitten in christlicher Geschichte ein Symbol des Islam? Das Internet hält die Erklärung parat, der Name zum Halbmond kommt aus dem Mittelalter und ist gemeinsam mit den damals in der Nähe befindlichen Häusern zum Stern und zur Sonne ein christliches Symbol für die Marienverehrung.
An der Hasenpfuhlstraße haben die Dominikanerinnen seit dem 13. Jahrhundert ihr Kloster. Eine Plakette neben dem Klostereingang erinnert hier an die 1942 im KZ ermordete Ordensfrau Edith Stein.
Über die Bäume grüßt der Läutturm der Dreifaltigkeitskirche (die man sich bei einem Besuch der Stadt Worms unbedingt ansehen sollte!).
Kleine Himmelsgasse, Große Himmelsgasse, die Straßennamen erzählen Geschichte.
Da wundern sich die Touristen auch nicht über das Gasthaus zum Domnapf: Nicht Blechnapf, sondern Domnapf. Tatsächlich weist der Name nicht auf Speise, sondern eher auf Trank hin; der Domnapf, eine große steinerne Schale vor dem benachbarten Dom, wird zu besonderen Festen wie der Einführung eines neuen Bischofs mit Wein für das Volk gefüllt; 1580 Liter fasst der Napf!
Das Westwerk des Doms mit seinen rot-weißen Streifen ist ein Werk des Historismus im 19. Jahrhundert.
Aus dieser Zeit stammt auch die Rosette in der Westfassade.
Im Langhaus beeindruckt die romanische Architektur. Sie prägt das Bild, die späteren Veränderungen fallen dagegen nicht ins Gewicht.
Die Fresken aus dem 19. Jahrhundert sind weitgehend entfernt, die verbliebenen wirken wie Fremdkörper in diesem schlicht-monumentalen Bauwerk.
Die moderne Hauptorgel trifft weit besser die Formensprache der Umgebung.
Als Zeitzeuge der Kirchengeschichte erinnert ein Reliquiar an einen Kirchenmann des 19. Jahrhunderts, den selig gesprochenen Nardini.
Bei näherem Hinsehen ein veritabler Oberschenkelknochen, er ist noch heute Gegenstand der Verehrung.
Es ist ein monumentales Bauwerk, steinerne Selbstdarstellung der Kaiser. Allein durch seine Größe sprengt es die Dimensionen, soweit man an Kirche als Versammlungsort der Gläubigen denkt. Die Kathedra, der Bischofssitz am Übergang zum Chor, und der Hauptaltar in der Vierung sind weit vom Kirchenvolk entfernt, durch mehrfache Stufungen abgesetzt und erhoben; der sogenannte Volksaltar als Konzession an eine modernere Liturgie steht weit vorgeschoben im Langhaus in krassem Widerspruch zur ursprünglichen Struktur des Raums.
Ein virtueller Rundgang durch dies bemerkenswerte Baudenkmal ist hier zu finden.
Und weiter geht’s! Speyer ist nur Zwischenstation, Ludwigshafen muss umfahren werden auf dem Weg nach Worms.
Es ist eine dicht besiedelte Landschaft, aber der Radführer weist den Weg über eine weitgehendst grüne Route.
Im Hintergrund ahnt man Ludwigshafen, aber der Blick geht über Gemüsefelder.
Die Radwanderer werden um Ludwigshafen herum geleitet.
Über die Felder hinweg sieht man weit im Hintergrund die Industrie-Silhouette.
Selten wird man so direkt mit der Industrie konfrontiert wie hier.
Wenige Minuten weiter ist davon nur noch ein Wegweiser zum Gewerbegebiet zu sehen, gegenüber das Schild „Landschaftsschutzgebiet“.
Eine kurze Strecke weiter lädt der Biergarten des Pfälzerwald-Vereins Oppau-Edigheim zum Einkehren ein.
Immer wieder sieht man zwischendurch den Gegenpol zur Industrie: Feldarbeiter im Gemüse.
57 Kilometer sind die beiden Wanderer heute gefahren, im Asgard-Hotel in Worms haben sie von unterwegs aus ein Zimmer reserviert (Doppelzimmer 76 Euro), und nach dem Umziehen lassen sie sich das Flammkuchenhaus zum Essen empfehlen.
Das Lokal ist bekannt für die riesigen Flammkuchen, die auf Holzbrettern serviert werden (weniger ist manchmal mehr!) und Fleischspieße, die über dem Tisch aufgehängt werden – der Andrang ist gewaltig, Dr. Schreibers Wein aber durchaus gut trinkbar.
Danach bleibt noch ein wenig Zeit für einen Blick auf den Dom, der um diese Zeit geschlossen ist.
Am Fuße des obligatorischen Fürstendenkmals (hier ist es Ludwig IV, Großherzog zu Hessen und bei Rhein) muss ein Fisch unentwegt Wasser speien, über ihm halten zwei durchaus miesepetrige Löwen Wacht.
Ein unbedingtes Muss ist der Besuch der alten Synagoge.
Vom 11. Jahrhundert an steht die Synagoge für fortwährenden Aufbau, Zerstörung und Wiederaufbau.
Nicht weit davon breitet sich das Reformationsdenkmal aus dem 19. Jahrhundert aus, dessen einzelne Figuren eine alte Postkarte benennt.
Was bleibt nach so viel Geschichtsträchtigem? Das Flammkuchenhaus strahlt in aller Pracht und leuchtet den Wanderern zur Heimkehr ins Hotel.
Die vorhergehende Etappe dieses Reiseberichts aus dem Jahr 2019 finden Sie hier: Von Rastatt bis Germersheim.
Fortsetzung – 13. Tag: Von Worms bis Oppenheim.