Von Rastatt bis Germersheim
(Fortsetzung von Von Kehl bis Rastatt)
Rastatt verlassen, ohne sich umgesehen zu haben? Die zwei Radwanderer packen ihr Gepäck in die Hotelgarage und machen sich auf den Weg, die Poststraße herunter zur Kaiserstraße.
Der Bernhardusbrunnen rühmt das Andenken an einen selig gesprochenen Markgrafen von Baden – ringsum ist Baustelle, und der Brunnen-Fisch darf kein Wasser speien, er muss es durch eine Art eisernen Strohhalm ausspucken.
Der lange Marktplatz wird durch die St. Alexander-Kirche geteilt, ein nicht besonders bemerkenswerter Bau.
Im Inneren bleibt der Blick an einer Skulptur haften, halb Kriegerdenkmal („Herr gib unseren Gefallenen Frieden“), halb Pieta.
Die Straßen der Altstadt sind geometrisch auf das Barockschloss ausgerichtet.
Auf dem Weg dahin begegnet man dem nächsten Brunnen-Tier, diesmal ein Löwe; auch er muss sein Brunnenwasser durch eine Art eisernen Strohhalm ablassen, respektlos mit einem bunten Band dekoriert.
Merkwürdig verschlossen-unbelebt liegen Schloss und Garten, bei näherem Hinsehen zeugen leere Pappbecher von vergangenen Festen.
An „Rastatter Rätsel“ und Museumstor vorbei endet der kurze Rundgang wieder in der Poststraße.
Die Fassade des Hofbrauhaus kündet von vergangener Pracht, gebraut wird längst in Karlsruhe; aus einer Brauerei ist eine Immobilienfirma geworden.
Braustüb’l steht noch in goldenen Lettern über dem Eingang, drinnen heißt es ganz schlicht Schnitzel-Bräu.
Danach lernen die Radwanderer noch die Fahrradfreundlichkeit der Stadt Rastatt kennen. Wenige Meter sind sie langsam mit ihren bepackten Rädern auf der leeren Poststraße gefahren, da tritt ihnen eine Doppelstreife der Stadtpolizei entgegen. „Herr Stadtpolizei We. und Herr Stadtpolizei St.“, wie es später im Bußgeldbescheid heißt, verlangen barsch die Ausweise. Die Radler haben das Schild „Fußgängerzone“ übersehen, das nur Anlieferverkehr zulässt, und müssen lernen: In der Schweiz (selbst mitten in Basel) und auch in Frankreich sind Radfahrer erwünscht, man baut für sie, man fördert den Radverkehr wo möglich – in Rastatt ist Radfahren nicht erwünscht. In Rastatt reicht auch kein Hinweis an die Radler, die selbstverständlich geschoben hätten, wenn sie das Schild gesehen hätten, hier wird kassiert. Angeblich ist das Radfahren auf der Poststraße höchst gefährlich, bekommen die Sünder zu hören. Der einzige Lichtblick: Ein wunderbarer Knopf im Ohr des Stadtpolizisten, ein großes Loch im Ohrläppchen, eingefasst von einem – dienstlich-schwarzen – Plastikring, man kennt ähnliche Zier aus ethnologischen Sammlungen; das ist dann doch die 15 Euro wert.
Etwas ernüchtert setzen die Radler ihre Reise fort. Rad-Wegweisung ist in der Stadt nicht vorhanden, eine um Rat gefragte Polizeistreife weiß auch nicht, welcher Weg für Radler richtig ist. Am Stadtrand trifft man vor einer Sperre andere ratlose Radler, und die Radwege, wo man welche findet, sind in schlimmem Zustand.
Die Radwanderer lassen Rastatt mit Erleichterung hinter sich. Die Umgebung wird freundlicher, Karlsruhe ist das Zwischenziel: Die Fahrt in die Stadt hinein zieht sich und ist kein Vergnügen, aber das Karlsruher Schloss wollen sie nicht auslassen.
Hier bietet sich ein ganz anderes Bild als in Rastatt. Rings um das Schloss, in dem das Landesmuseum residiert, ist lebhafter Betrieb, die gesamte Anlage macht einen beinahe heiteren Eindruck.
Neben dem Schlossturm wartet ein Café mit Ausblick auf den Garten. Hier stehen die Besucher Schlange, sie fotografieren sich gegenseitig vor der Schloss-Kulisse in einem großen bronzenen Ehren-Sessel – hier ist der Besucher Markgraf!
Das Schloss ist den Abstecher wert! Aber genauso mühsam wie die Anreise ist für die Radler auch der Weg aus der Stadt heraus. Kilometerlang folgen sie verkehrsreichen Straßen, und an der Brückenbaustelle über den Rhein müssen Radfahrer die komplizierteste Umleitung fahren.
Zurück auf der linken Rheinseite bieten Maximiliansau und Wörth zunächst wenig Erfreuliches für Radwanderer, bis der häßlich-städtische Bereich hinter ihnen liegt. Da grüßt ein trojanisches Pferd neuerer Bauart, …
…, und auf dem asphaltierten Feldweg zwischen Rheinauenwald und Feldern sind die vereinzelten Wanderer unter sich.
Ein Baggersee setzt einen freundlichen Akzent, …
…, der Weg verläuft einige Zeit auf dem Rheindamm.
Diese Strecke ist gut beschildert. 18 Kilometer sind es von hier aus noch bis zum Tagesziel Germersheim.
Eine stille, schlichte Landschaft ist das hier, beim Blick zurück sieht man in der Ferne auf der anderen Rheinseite den Schwarzwald.
Die abgestorbenen Bäume vor dem Deich erinnern daran, dass der Auwald kein Wirtschaftswald ist.
Über lange Strecken ist es immer dasselbe Bild: Den Fluss ahnt man in einiger Entfernung hinter dem Deich, auf der anderen Seite breiten sich Felder, Wiesen und Wald, in denen Altarme des Rheins und Baggerseen verborgen sind, und auf dem Weg treffen sich nur vereinzelte Wanderer.
Es ist keine spektakuläre Landschaft, man darf hier keine aufregenden Sehenswürdigkeiten erwarten, aber sie hat doch ihren eigenen Charme.
Am Sondernheimer Ziegeleimuseum stößt man kurz vor Germersheim wieder auf den Rhein.
Auf dem Wasser ist die große weite Welt unterwegs: South Carolina heißt das Tankschiff, das stromaufwärts unterwegs ist.
Im Germersheimer Hof ist ein Zimmer gebucht (Doppelzimmer 82,00 Euro einschließlich Frühstück), nach 78,5 Kilometern schweißtreibender Fahrt stehen Duschen und Wäschewaschen an und die immer wiederkehrende Frage: Wo essen gehen?
Ordentliche regionale Küche gibt es im Wanderheim, heißt es. Wanderheim? Die Stadt ist geprägt vom Militär, vom Hotel sind es nur wenige Schritte bis zur „Fronte Beckers“, teilweise erhaltener Rest der ehemaligen Festung.
Bei Fertigstellung der Festung im 19. Jahrhundert schon veraltet, beherbergt eins der alten Gebäude jetzt eine Gaststätte; vom Wanderheim ist sie inzwischen zum Sängerheim geworden.
An der Wand des urigen Gewölbes hängt noch das Wappen des Pfälzerwald-Vereins, mit dem Wandern und Singen kann es also stimmen, und der deftige Pfälzer Teller mit Wein aus der Region ist nicht zu verachten.
Die Gaststätte ist fast leer, im benachbarten „Hufeisen“ der „Fronte Beckers“ läuft ein Jazzfestival.
Die vorhergehende Etappe dieses Reiseberichts aus dem Jahr 2019 finden Sie hier: Von Kehl bis Rastatt.
Fortsetzung – 12. Tag: Von Germersheim bis Worms.