Mit der Bahn nach Ravensburg
(Fortsetzung von Rad-Reisen: Donau-Bodensee X. Zum Startpunkt der Reise in Ulm geht es hier.)
Ravensburg steht für die beiden Radwanderer noch auf dem Programm. Sie haben in ihrem Reiseplan noch genug Zeit, um die Räder in Kressbronn zu lassen und einen Tagesausflug mit der Bahn zu machen. In Friedrichshafen müssen sie umsteigen, der Zug steht mit geschlossenen Türen vor ihnen auf dem Bahnsteig, dann fährt er ab – ohne sie. Mit dem nächsten klappt es dann, vom Bahnhof Ravensburg ist es nicht weit bis in die historische Altstadt.
Der Himmel ist grau, es tröpfelt, also gibt es erst einmal einen Kaffee unter dem Schirm auf dem Marienplatz. Von da aus sind es dann nur ein paar Schritt bis zum Rathaus. Ein Blick in den Ratssaal, auch der Erker ist von innen zugänglich.
Das Glasbild im Fenster klärt auf: „Urkundliche Erstnennung des Marktes 1152“. Im Rathaus wird gerade geheiratet, die beiden Besucher verdrücken sich diskret. Im Treppenhaus werfen sie noch einen Blick auf die historischen Schützenscheiben.
Anno 1716 hat es ein feierliches Schießen auf diese Scheibe gegeben, auch die anderen Scheiben künden von Festlichkeiten in der Stadt.
Im Mittelpunkt der Altstadt steht das alte Waaghaus mit dem Blaserturm. Auf dem Turm saßen ursprünglich Wächter, die bei Gefahr das Horn bliesen.
Hinter dem Rathaus verläuft die Marktstraße zum Obertor, sie ist an diesem Tag mit vielen Marktständen besetzt und macht ihrem Namen alle Ehre.
Die Besucher folgen der Straße, sie steigt an zur Oberstadt, oberhalb liegt rechter Hand das Wahrzeichen Ravensburgs, der Mehlsack, einer der vielen Türme.
Linker Hand liegt das Museum Humpis-Quartier. Es erinnert an ein saniertes historisches Stadtviertel, das der Familie Humpis gehörte.
Auf dem Rückweg zum Waaghaus fällt den beiden Besuchern noch ein prächtiges Schild an einem Haus in der Marktstraße auf. Auch dies Haus gehörte einmal der Familie Humpis, danach war es einige Zeit ein Wirtshaus – darauf weist das Schild hin.
„Zu den Drei Königen“ heißt das Haus und zeigt die Könige auf dem Schild.
In die Kirchstraße parallel zum Marienplatz bummeln die beiden Besucher, auch sie hat die Perspektive auf den zentralen Blaserturm und das Waaghaus.
Am Ende der Kirchstraße werfen sie einen Blick in die Liebfrauenkirche.
Die Schutzmantelmadonna aus dem 15. Jahrhundert ist darin das bemerkenswerte Kunstwerk.
Ravensburg ist aber nicht nur seiner Altstadt wegen eine Reise wert. Einige Stationen mit dem Stadtbus weiter wartet das Kloster Weingarten.
Am Ende des Marienplatzes markiert der Grüne Turm die alte Stadtbefestigung von Ravensburg, dahinter fährt der Stadtbus.
Die Klosteranlage und die Basilika St. Martin aus dem 18. Jahrhundert sind monumental in ihrer Wirkung, sowohl in ihrer Positionierung als auch in ihrer Größe und Ausgestaltung.
Dominiert die Basilika schon aus der Ferne den Ort, verstärkt sich die Wirkung noch, wenn man zu Fuß zu ihr herauf steigt.
Klein sind die Menschlein, die sich die lange Treppe herauf arbeiten, und gewaltig ist das Gebäude.
Monumental ist auch die Ausstattung der Basilika.
Mit Stuck und Gold ist nicht gespart, ein Beispiel barocker Prachtentfaltung. Im Mittelpunkt steht die Heilig-Blut-Reliquie.
Blut Jesu Christi mit Erde vermischt ist gemäß der Überlieferung in der kostbar gestalteten Reliquie enthalten, die hinter Glas im Altar zu sehen ist. Jedes Jahr wird sie am Blutfreitag nach Christi Himmelfahrt mit dem Blutritt durch Stadt und Flure getragen. Die Herkunft der Reliquie erläutert ein Gemälde in der Basilika recht drastisch: Ein Blutstrahl spritzt aus dem Gekreuzigten meterweit in ein passend gehaltenes Gefäß.
Selbst die Pietà ist passend gestaltet mit einer überdeutlichen langen Blutspur am Leichnam des Gekreuzigten. Diese Form der Verehrung lässt nur ahnen, welches Verständnis der Klerus und das „einfache Volk“ der Barockzeit von Überlieferung und Tradition hatten.
Das Kloster ist im 11. Jahrhundert gegründet als Grablege und Hauskloster der Welfen, daran erinnert auch die Kopie des Braunschweiger Löwen im Klosterhof.
Die Rückfahrt bringt die beiden Besucher dann mit einem Zeitsprung zurück. In Friedrichshafen nutzen sie die Wartezeit bis zur Abfahrt ihres Zuges nach Kressbronn zu einem Spaziergang am Bodensee.
Die Seepromenade ist auch heute vom Seehasenfest besetzt, größer kann der Kontrast zu der machtvollen Glaubensdemonstration der Weingartener Basilika nicht sein.
All der Prunk, farbige Fresken, Stuck, Marmor und Gold mögen für die Bauhaus-erfahrenen Gegenwartsmenschen nicht so einfach zugänglich sein, aber: Dies metallene Kunstwerk im See (Schild: „Nicht betreten! Lebensgefahr!“), ist es näher?
(Die vorhergehende Etappe dieses Reiseberichts finden Sie hier, und hier geht es zur Fortsetzung.)