Von Kißlegg bis Kressbronn
(Fortsetzung von Rad-Reisen: Donau-Bodensee III. Zum Startpunkt der Reise in Ulm geht es hier.)
Ein Foto sagt mehr als 1000 Worte: Der Start in Kißlegg lässt sich durchaus bedenklich an. In der Nacht hat es gewittert, am Morgen sind die Straßen nass, und es tröpfelt. Die Aussicht, sich im Regenzeug schweißdampfend über die Hügel zu arbeiten – der Höhberg hat 690 Meter – ist wenig erfreulich. Aber es dauert nicht lange; der Radwanderführer weist auf stille Sträßchen, vorbei am Zellersee und Lautersee, und die Landschaft entfaltet ihren ganz eigenen Charme – man muss es gesehen haben!
Erster Höhepunkt des Tages ist Wangen.
Der Weg in die Stadt führt direkt zum Martinstor, und hier geht es erst einmal nicht weiter. Seit fast 200 Jahren wird das Kinder- und Heimatfest gefeiert: Das ursprüngliche Kinderfest hat sich zu einem Volksfest auch für Erwachsene entwickelt mit „Kinderfesttheater“ und einem Umzug mit über 4.000 Mitwirkenden – der versperrt gerade den Weg.
Auf Umwegen geht es dann doch in die Altstadt, wo viele Zuschauer den Weg des Umzugs säumen. Nur der Sauhirt und seine bronzenen Tiere bleiben unbeeindruckt.
Vom Martinstor ist es nicht weit zur Stadtpfarrkirche St. Martin. Bettler, St. Martin und der geteilte Mantel sind auf einem schlichten Deckengemälde zu bewundern.
Auf dem Kirchplatz stoßen die Besucher auf eine eigenwillige Skulptur, DAS SEELEN-MAL.
Eine Tafel gibt Auskunft:
AUF DEM ÄLTESTEN GOTTESACKER BEI DER MARTINSKIRCHE BESTATTETEN DIE WANGENER ÜBER VIELE JAHRHUNDERTE IHRE VERSTORBENEN. WEIT ÜBER DEN TOD HINAUS BETETEN HIER GENERATIONEN FÜR DAS SEELEN¬HEIL DER VORAUSGEGANGENEN. NACH ALTEM BRAUCH WURDEN AN DEN JAHRTAGEN DER VERSTORBENEN UND AN ALLERSEELEN >SEELEN
Der Umzug ist vorüber, das Wetter eher unfreundlich; es ist kühl und feucht, das Publikum in der Altstadt hat sich schnell verlaufen. Trotzdem lohnt sich der Rundgang durch den alten Stadtkern.
Viele Häuser sind aufwändig verziert.
Die alte Eselmühle mit Wasserrad dient heute als Museum. Unter grauem Himmel lässt sich nur ahnen, wie lebendig der Platz davor bei Veranstaltungen sein kann.
Aber was hilft die schönste Altstadt, wenn es kühl und feucht ist und die Radwanderer Hunger haben? Auf dem Saumarkt stehen große Sonnenschirme über den Tischen, und bei dem Wetter sind fast alle Plätze frei.
Ein kurzes Stück Bundesstraße, dann geht es wie an den vorigen Tagen auf schmalen Pfaden weiter. Schon kurz hinter Wangen ändert sich die Perspektive.
Der Blick geht über die sanften Buckel des Allgäu hinweg zu den Bergen, der Bodensee kann nicht mehr weit sein! Vorher hält der Radwanderführer noch ein paar Nettigkeiten bereit. Der kurze Abschnitt zur Ruhe-Christi-Kapelle bei Schomburg entpuppt sich als echte Herausforderung; wo die Autostraße einen Bogen macht und die Höhe hält, senkt sich die Wanderroute erst kräftig ins Tal – schön anzusehen und entspannt zu fahren – und hält dann eine mörderische Steigung zurück zur Straße bereit. Hätte man das vorher gewusst …
Die Strecke ist zugegeben malerisch, ideal für Radwanderer. Zum Bodensee geht es herunter. Man genießt die Abfahrten und bedauert die entgegen kommenden Radler, aber zwischendurch geht es auch immer wieder hoch. Degersee und Schleinsee sind bald erreicht, und es wird wärmer – am Bodensee ist das Wetter doch deutlich angenehmer als im Hinterland.
Es wird Zeit, sich um Quartier zu kümmern; wie wäre es mit einem Privatzimmer? Der Radwanderführer enthält für Kressbronn ein paar Telefonnummern, und Frau Bucher in Hüttmannsberg hat nach einigem Zögern (nur 1 Nacht?) ein Zimmer frei. Hüttmannsberg, die Ortsbeschreibung am Telefon ist für Ortsfremde nicht sehr hilfreich, aber man hat ja ein Navi, das Handy in der Lenkertasche. Hüttmannsberg erweist sich als Glücksgriff, es liegt ein paar Kilometer nordöstlich von Kressbronn noch oberhalb von Gattnau an einem sehr stillen Sträßchen in fast noch dörflicher Umgebung. Die Umgehungsstraße ist zu sehen, aber dank Lärmschutz nicht zu hören. Buchers sind alte Leute, er war Landmetzger, sie betreut noch die Gästezimmer; die Betten sind geblümt und gut, auf der Rückseite des Hauses gibt es in voller Sonnenhitze Wäscheleinen für die Fahrradtrikots – was will man mehr? Und 44 Kilometer bis zum Hüttmannsberg sollen für diesen Tag genug sein.
Aber natürlich gibt es noch weitere Wünsche: Essen! Buchers kennen sich aus, bergab in Richtung Kressbronn hinter der Kirche von Gattnau links das Gasthaus zum Forst – vorher muss aber noch der Bodensee besichtigt werden.
Also geht es noch ein paar Kilometer bergab, dann durch Kressbronn an den See.
Hier ist echtes Sommerwetter, die Tische vor den Lokalen sind besetzt. Ein Blick über den See: Da soll es am nächsten Tag hin gehen, Lindau, Bregenz, und die Berge dahinter sind keine Bedrohung, der Weg geht am See entlang.
Zurück zum Essen! Was man auf dem Hinweg nicht so recht gemerkt hat, auf dem Rückweg ist der Anstieg nach Gattnau auch ohne Gepäck zu spüren. Dafür hat das Gasthaus zum Forst eine große Außenterrasse. Von hier aus blickt man zur Seite auf die für die Gegend typische Landwirtschaft: Obst! und nach Süden weit ins Land.
Die Sonne scheint auf die Terrasse (und die beiden Radwanderer), die Bedienung ist freundlich und das Essen durchaus genießbar: Ja, so hat man sich diesen Urlaub vorgestellt!
Spätzle gehören hier auf den Teller! Ob man die Blümchen dazu mitessen möchte, muss dann jeder selbst entscheiden…
(Die vorhergehende Etappe dieses Reiseberichts finden Sie hier, und hier geht es zur Fortsetzung am nächsten Tag.)