Luberon: Alltagsleben und Tourismus
Was tut man in dieser Landschaft, wenn der Mistral aufhört und die Sonne scheint? Man genießt. Frühstückt in Ruhe draußen, im Schatten natürlich, weil die Sonne kräftig brennt, und macht sich auf den Weg. Der erste Besuch in Cucuron hat nur einen kleinen Eindruck gegeben, jetzt wollen wir mehr sehen.
Mit Mühe bringen wir das Auto unter, alte französische Dörfer sind einfach nicht für Autos gemacht, und stolpern als erstes über den alten Waschplatz. In einer Nische der alten Stadtmauer stehen noch die steinernen Becken, in denen die Frauen früher die Wäsche wuschen. Hier gab es wie an anderen Stellen des Ortes früher Wasser. Jetzt sind all diese Quellen versiegt, Waschmaschine und Wasserleitung haben diesen Part übernommen.
Beschattet wird der Waschplatz von einer Platane, der Stamm hat sich unten mindestens drei Meter ausgebreitet.
Innerhalb der alten Stadtmauer sind die Gassen so schmal, dass es nur für Kleinwagen ein Durchkommen gibt. Aber offensichtlich ist das nicht Allen bekannt, am Eingang in den alten Ortskern stehen vorsichtshalber Schilder und verbieten die Durchfahrt für Wohnwagen. Wie viele Camper hier wohl schon stecken geblieben sind?
Wir machen uns auf den Weg zum Touristen-Büro, um uns Informationen und Vorschläge für Wanderungen rund um den Ort zu holen. Unterwegs holt uns wie an der Drôme die Geschichte ein: ein Straßenschild erinnert an einen französischen Verwaltungschef, der von den Nazis ins KZ Neuengamme verschleppt worden und kurz darauf gestorben war.
Wenige Meter weiter leuchtet golden eine große Schrift des Alltagslebens: „SAPEURS POMPIERS“, die Feuerwehr schmückt sich mit goldenen Lettern, Staatswappen und Staatsfahne an ihrem winzigen Spritzenhaus. Ehre wem Ehre gebührt!
Am Teich, der am Montag von Marktbesuchern belagert war, sind heute nur wenige Restaurant-Tische besetzt. Genauso sieht es im alten Ortskern aus. Auf dem kleinen Platz in der Mitte der Rue d’Eglise sind die Einheimischen fast unter sich, wenige Touristen schauen sich die restaurierten alten Häuser an. Da und dort hängen Schilder, die zur Miete oder zum Kauf von Häusern auffordern. Ja, der Ort hat Tourismus, aber in sehr verträglichem Umfang; das tägliche Leben wird hier – zumindest im September – von den Einheimischen bestimmt und nicht vom Rummel der Touristen.
Auch in die Kirche Notre Dame de Beaulieu verlaufen sich nur wenige Touristen. Ein schweres Erbe, man sieht welche Mühe es macht, den Bau nach Jahrhunderten für die Nachwelt zu erhalten: hier ist ein Gewölbe frisch verputzt, da fällt der Putz herunter, dort hat die Feuchtigkeit ein Ölgemälde oder eine hölzerne Täfelung zerfressen.
Das Kontrastprogramm zu Cucuron gibt es bei einem Ausflug in den Nachbarort Lourmarin zu sehen. Touristenmagnet ist das Schloss, die Ortsmitte ist gerammelt voll, alle Tische – und es sind nicht wenige – sind besetzt. Hier tummelt sich im September die Touristen-Generation 70 plus, sie genießt das Leben bei einem Kaffee oder einem Glas Wein. Man gönnt es ihnen – und geht schnell weiter.
Aber auch hier gibt es noch stille Ecken. Die Kirche hat architektonisch Qualität und zeigt sich als Ort stiller Verehrung. Am anderen Ende des Ortes ist die reformierte Kirche frisch restauriert und kündet von einem aktiven Gemeindeleben. Der Touristenrummel in der Dorfmitte erscheint dem Betrachter dagegen als merkwürdiger Fremdkörper.
Wie die Einheimischen dazu stehen, sehen wir auf dem Rückweg zum Auto, das wir am Ortsrand geparkt haben. Hier ist ein kleines Nebenzentrum entstanden mit einem großen Platz, Mini-Supermarkt, Apotheke und Tabac / Zeitschriften; an den Tischen des Lokals herrscht munteres Leben, hier hin sind die Einheimischen offensichtlich vor den Touristen geflohen.
Wie sie den Rummel in ihrem Ort sehen? Der Brunnen am Ortsrand sagt das ganz eindeutig.