Neuer Schwung für die Hiltruper Marktallee
Sturm knickt Marktallee? Nicht wirklich. Die Bäume an der Hiltruper Marktallee, also das, was von den großen Vorgärten der Vergangenheit über geblieben ist, stehen noch. Nicht Sturmtief Friederike richtet den Schaden an: Die Ursache für die unübersehbare Verödung liegt ganz woanders.
Der Hiltruper Wirtschaftsverbund hält den Online-Handel für die Ursache und kämpft mit Kerzenlicht und Sonntagsverkauf gegen den Niedergang. Der Erfolg solcher Aktivitäten ist überschaubar, an Adventswochenenden zum Beispiel ist das ein aussichtsloses Rennen gegen die Innenstadt von Münster.
Ganz ohne Beratungsfirmen und Werbefachleute sticht eine Entwicklung ins Auge, die neu und für die Marktallee höchst gefährlich ist. Das billige Baugeld der letzten Jahre hat einen Bauboom ausgelöst, und mit dem Bauboom eine Inflation an Ladenflächen. Viel neue Ladenfläche steht leer, und zusätzlich werden ältere Ladenlokale frei und drängen ebenso auf den Mietmarkt – fast schon monatlich gibt es neue Schreckensnachrichten. Ein kurzer Spaziergang, wenige Schritte reichen, um dies Desaster zu besichtigen.
Kein Problem? Im stille-Post-Verfahren werden beruhigende Meldungen transportiert. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Münster sieht angeblich keinen Grund zur Beunruhigung. Man kennt dort Schlimmeres, da ist Hiltrup noch Gold.
Abwärtsspirale nennt man solche Entwicklungen. Die „Kleinen“, die inhabergeführten Geschäfte haben es immer schwerer, sie gehen, und mit ihnen geht die Farbe. Da wird es öde, und das zieht die Nachbarn mit herunter. Einkaufen ist nicht nur eine Frage des dringenden Bedarfs: Alles, was man auf der Marktallee kaufen kann, kann man auch woanders kaufen. Auf die Marktallee geht man, wenn man es dort angenehm findet, wenn man sich gerne dort aufhält. Aufenthaltsqualität ist das Stichwort. Flaniert man mit Vergnügen vor leeren Schaufenstern und dunklen Räumen, vor dem dynamischen Grinsen eines Maklerporträts? Natürlich nicht, man meidet den Leerstand rings um den alten Wiewel-Standort; man hetzt vorbei an der Dauerbaustelle des Asia-Imbiss, wo es immer noch nichts zu beißen gibt. Müssen wir diesen Teil der Marktallee abschreiben? Und hat die Krankheit, die hier wütet, nicht längst den Rest der Marktallee angesteckt?
Wer sich hier als Vermieter mit dem nächsten 1-Euro-Laden retten will, verschärft nur das Problem. Die Marktallee entwickelt ein fortschreitendes massives Image-Defizit. Je weiter das Niveau sinkt, desto mehr Kaufkraft bleibt weg, desto „billigere“ Mieter ziehen in die Läden ein – wenn sie denn überhaupt kommen.
Ein Patentrezept gefällig? Nein, Patentrezepte von der Stange gibt es nicht. Aber wie wäre es mit etwas Improvisation, und vielleicht auch Koordination?
Ein Entwicklungskonzept für die Marktallee, das Thema ist in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten ohne Erfolg angemahnt worden. Der große Wurf hat keine Chance. Aber: Wäre wenigstens ein wenig Improvisation möglich? Warum keine Zwischennutzungen in den gähnend leeren Läden, ohne langfristigen Mietvertrag, ohne „normale“ Miete, dafür bunt und anders? Ehrenamtliches Engagement, Künstler – was fällt Ihnen sonst noch ein? – sind auch für kurzfristige Quartiere dankbar und bringen Leben statt Tristesse.
Koordination muss kein großes Projekt sein, kann die Eigentümer all dieser Immobilien zu einem losen runden Tisch zusammenführen. Welche Mieterwartungen haben wir? Was ist realistisch? Wie kann man kurzfristig Renditeerwartungen zurücknehmen und langfristig Niveau wieder herstellen, niedrige Mieten als Investition in die Zukunft?
Der Wirtschaftsverbund Hiltrup wäre sicher ein kompetenter Gesprächspartner für den Eigentümerverbund Marktallee.
Kommentare
Matthias Körber #
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie klagen über eine „Abwärtsspirale“ der Marktallee-Entwicklung aufgrund Leerstand bei den Geschäften, Inflation von Ladenflächen, billigeren Mietern und dem damit verbundenen Imageverlust der Marktallee. Die Idee einer Zwischennutzung von leerstehenden Ladenflächen durch Künstler oder Ehrenamtliche ist klug, noch klüger die Veranstaltung von Sonntags- und Kerzenlichtabendverkäufen. Am klügsten wäre aber eine meiner Meinung nach längst überfällige Verkehrsberuhigung der Marktallee. Sie muss ja nicht gleich zur Fußgängerzone umfunktioniert werden. Jedoch wäre eine Beruhigung auf Schritttempo mit eingelagerten begrünten Verkehrsinseln sicherlich eine Option angesichts einer jetzt schon bestehenden Ortsumgehung. Dann wäre der von Ihnen genannte „Spaziergang“ insbesondere bei Überquerung der Straße wesentlich sicherer und eine enorme Qualitätssteigerung der Marktallee die Folge, die neue Einzelhändler anzöge und dem Onlineverkauf entgegenwirken würde.
M.f.G., M. Körber
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