Die Nachbarn von der Bodelschwinghstraße sind wieder da
Eigentlich haben wir doch genug Spione um uns. Gerade ermittelt das Bundeskartellamt gegen Facebook, weil Facebook seine Nutzer äußerst weitgehend ausspioniert; es reicht, eine Webseite zu besuchen, die einen Facebook-Button enthält – und das sind viele -, schon erfährt und speichert Facebook das in seinen Geheimakten.
Als ob das noch nicht reicht, rückt nebenan.de uns jetzt wieder auf die Pelle. Schon vor einem Jahr flatterten uns schlichte Werbezettel in die Briefkästen; angeblich wollten Stephan und Alexandra aus der Bodelschwinghstraße eine Tüte Mehl mit uns tauschen, auf Nachfrage wollte nebenan.de aber weder Adresse noch Telefonnummer von Stephan und Alexandra nennen. Zurück blieb der Eindruck eines gewerblichen Unternehmens, das von Investoren betrieben wird und allem Anschein nach nur einen Zweck verfolgt: uns zur Preisgabe unserer Daten zu verleiten und diese für Werbezwecke zu benutzen.
Nun sind Stephan und Alexandra wieder da. Diesmal liegt ein durchweichtes Blatt Papier auf der nassen Mülltonne, eine einfache Schwarz-Weiß-Kopie. Die schlichte Aufmachung soll offensichtlich suggerieren: hier sind echte Menschen am Werk, die für kleines Geld eine ehrenwerte Nachbarschaftscommunity aufbauen wollen. Leider passt dazu gar nicht die Art der Verteilung, denn engagierte Nachbarn werfen das Ergebnis ihrer Mühe nicht im Regen auf Nachbars Mülltonne – das tun nur die schlecht bezahlten Helfer, die für die gewerblichen Reklameverteiler unterwegs sind.
Aber bevor wir Stephan und Alexandra gleich in die Mülltonne befördern, wo sie hingehören, schauen wir doch noch, ob nebenan.de etwas geändert hat an dieser Daten-Abfisch-Masche. Und wir werden fündig. Wo es 2016 im Kleingedruckten noch hieß „Stephan und Alexandra haben … die Verteilung dieser Einladung angestoßen“, ist die Formulierung im Jahr 2017 schon vorsichtiger: „Mit der Verteilung dieser Einladung unterstützt nebenan.de die Nachbarn“ – Stephan und Alexandra sind raus aus dem Anstoßen.
Unverändert ist die Passwort-Masche, Privatheit und Vertraulichkeit werden vorgetäuscht durch die Angabe eines Passworts. Öffentlich auf der Mülltonne. Aber: Nebenan.de hat sich befördert! In der allerkleinsten Schrift, ganz unten auf der Seite, in Grau gedruckt, damit man es nicht liest, steht 2017 ein origineller Hinweis: „nebenan.de ist eine kostenlose Online-Plattform zum nachbarschaftlichen Austausch und wird von dem Sozialunternehmen Good Hood GmbH • Köpenicker Straße 154 • 10997 Berlin betrieben.“
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: S O Z I A L U N T E R N E H M E N. Natürlich ist das nicht falsch; jedes Unternehmen, das Kontakte zu natürlichen Personen betreibt, ist ein Sozialunternehmen, dazu zählen auch der städtische Busverkehr, das Gefängnis, die Eckkneipe. In dem Zusammenhang des Flyers, der Stephans und Alexandras Namen trägt, wirkt die Bezeichnung „Sozialunternehmen“ allerdings höchst irreführend: sie legt für den flüchtigen Leser eine Botschaft nahe, die in die Richtung von Sozialamt oder Caritas weist. Damit hat nebenan.de überhaupt nichts zu tun.
Und natürlich arbeitet nebenan.de mit Facebook zusammen. Was die Nutzer auf nebenan.de veröffentlichen, darf nebenan.de unbegrenzt für seine Zwecke nutzen, und es landet automatisch bei Facebook. Dort wird es mit dem Facebook-Konto des Nutzers verknüpft. Kann man nachlesen in den Nutzungsbedingungen und Datenschutzhinweisen von nebenan.de. Da zumindest ist nebenan.de ehrlich.
(Siehe auch Mal wieder die gute Sache.)