Zauberpulver und alles gut

Apothekensterben ist angesagt, das Wehklagen groß. Die Hiltruper Rosenapotheke hat zugemacht, ein Nachfolger hat sich nicht gefunden. Aber kurz nachgedacht: Haben sich die Apotheken in Hiltrup nicht gerade heftig vermehrt? Viele sind neu dazugekommen, da ist es nur folgerichtig, wenn andere im Wettbewerb untergehen. Ladenlokal nicht schön genug, keine Parkplätze – schon ist es geschehen. Der Wettbewerb ist hart. Und wenn die Kunden nicht zum Apotheker kommen, muss der Apotheker sie eben locken.

„Aktion“, „Vereinbaren Sie gleich Ihren persönlichen Termin“ knallt es vom Reklameflyer, und dann springen einen die geballten Sonderangebote an. „Top-Preis“ steht da in Rot auf glattem Papier, das Zauber-Granulat kostet nur noch 260 Euro das Kilo statt 345 Euro. „Behandlung des metabolischen Syndroms“ wird versprochen, das Gleichgewicht von veränderten Stoffwechselparametern und Werten des Bauchumfangs soll wieder hergestellt werden. Einfach toll, so ein Produkt. Wert des Bauchumfangs, man nimmt schnell noch einen Riegel Schokolade.

Wenn ich 25,99 Euro für 40 Tütchen à 2,5 Gramm Granulat ausgebe, kommen Cholesterin, Triglyceride (hört sich doch gut an?), Glucose und Bauchumfang wieder ins Gleichgewicht – also weniger Bauchumfang und dafür mehr Cholesterin? Oder umgekehrt? Oder nichts davon, denn das Zeug ist keine Medizin, sonder ein Medizinprodukt?

Was sagt denn der Hersteller von dem Zeug dazu? „… pflanzliche Molekülkomplexe, die dieselbe Sprache des Menschen sprechen. Mit einer vertikal integrierten Wertschöpfungskette …“ tönt es von der Internetseite des Herstellers, „biologische und natürlich abbaubare Formulierung“. Sozusagen der Mensch als biologische Kläranlage für ein Pülverchen, das mit ihm spricht? Ist das nicht unheimlich? Aber immerhin verspricht der Hersteller ausdrücklich, dass der Bauchumfang reduziert wird – endlich die lange gesuchte Fett-weg-Pille. Schade nur, dass Ozempic inzwischen diesen Markt bedient.

Wenn man wissen will, was in diesem Zauberpulver wirklich drin ist, stößt man auf Nebel. „Makromolekülkomplex aus Polysacchariden (NeoPolicaptil Gel Retard 86%); natürliche Aromen aus Orange und Pfirsich; Gummi arabicum; Stevia Blätterpulver“ deklariert der Hersteller. Anders gesagt: Bindemittel und Geschmackszutaten, und eine neue Spur: NeoPolicaptil. Was das ist, steht nirgendwo. Ominös ist die Rede von „natürlichen Molekülkomplexen“ – dazu zählt bekanntlich auch der Dreck unterm Fingernagel oder der Schneckenschleim im Garten. Dann doch eine Spur, lateinische Namen von Pflanzen: Hafer, Kaktus, Teufelszunge (Lebensmittelzusatzstoff E425), Eibisch (daraus machte man die Marshmallows), Flachs, Sommerlinde und Zichorie. Wohl bekomm’s – man muss dran glauben.

Dafür brauchen wir Apotheken?