Ein zweifelhaftes Papier: Einzelne Lungenärzte und Motorenexperten Seit an Seit
Ist Desinformation nicht eigentlich eine Form der Kriegführung? Und ist das nicht eher eine Spezialität unfreundlich gesinnter Mächte? Wir erleben diese unerfreulichen Spielchen zurzeit rund um das Thema „Diesel-Fahrverbote“, und als betroffene Bürger sind wir not amused, nein: zornig. Seit Jahren eiert die Bundesregierung herum, wo Stadtbewohner und Eigentümer von Dieselautos endlich Klarheit brauchen. Es geht um zwei wichtige Fragen: Wie sorgen wir für saubere Luft in den Städten, und wie schützen wir das Vermögen von Millionen Dieselfahrern.
Diese zwei Ziele müssen sich nicht widersprechen. Seit vielen Jahren existieren verbindliche Grenzwerte für Stickoxide, und seit einigen Jahren gibt es auch technische Lösungen für die Hardware-Nachrüstung von Dieselfahrzeugen.
Das Problem ist nur, dass die Bundesregierung sich um diese beiden Themen nicht ausreichend kümmert. Der zuständige Bundesverkehrsminister, traditionell von der CSU gestellt, ignoriert den Grenzwert und überlässt es den Gerichten, ihn durchzusetzen. Auf der anderen Seite blockiert der Bundesverkehrsminister die Hardware-Nachrüstung, indem er die erforderlichen rechtlichen Regelungen bis vor wenigen Wochen verweigert hat.
Die aktuelle Posse um das Papier einiger Lungenfachärzte ist jetzt das Sahnehäubchen, Bundesverkehrsminister Scheuer nimmt den Zirkus mit Vergnügen zur Kenntnis. „Es gibt auch keinen einzigen Toten, der kausal auf Feinstaub oder NO2 zurückzuführen wäre“ lässt sich da jemand aus der Ärzteschaft vollmundig zitieren – wunderbar, lasst uns doch all diese überflüssigen Partikelfilter und Katalysatoren abschaffen!
Aber wer sind eigentlich die Leute, die dies „wissenschaftliche Positionspapier“ verbreiten? Mitverfasser des „Lungenärzte-Papiers“ ist ein Motorenbauer. Thomas Koch vom Institut für Kolbenmaschinen des Karlsruher Instituts für Technologie hat zehn Jahre für Daimler Motoren entwickelt, jetzt forscht er an dem Institut zum Beispiel über Abgasnachbehandlung und Abgaswerte von Volkswagen. Das dürfte nicht unbedingt eine Empfehlung sein, wenn es um Luftschadstoffe und Gesundheit geht. Ein weiterer Mitverfasser ist Verkehrswissenschaftler, auch bei ihm dürfte jegliche Expertise zur Einschätzung der Gesundheitsgefahren von Luftschadstoffen fehlen.
Als Galionsfigur für das Papier dient der frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Dieter Köhler. Dass das Papier auf groben Rechenfehlern beruht und wesentlich von Fachfremden mit verfasst ist, die fachlich eher der Automobilindustrie nahe stehen, hat Köhler bei der Vorstellung des Papiers wohlweislich verschwiegen.
Die Industrie hat hier offensichtlich mit Hilfe von „Experten“ einen PR-Gag gelandet mit der Absicht, den gesetzlich vorgeschriebenen Gesundheitsschutz für die Bevölkerung auszuhebeln – wen wundert das noch nach all den Diesel-Tricksereien und Thermofenstern?
Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Verstimmt ist man aber insbesondere wegen der jämmerlichen Figur, die die Bundesregierung bei diesem Spiel abgibt.
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., deren Präsident Herr Köhler mal war, hat übrigens erst am 27.11.2018 ein Positionspapier vorgestellt: Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit. Darin wird vor Feinstaub und Stickoxiden gewarnt. Vielleicht sollte der Bundesverkehrsminister besser dies Papier lesen… und auch Thomas Koch, der im Interview mit dem Südkurier schon 2017 so bemerkenswert vom Leder zieht: „Unzählige Lungenärzte und Pathologen danken mir, dass ich den Sachverhalt nüchtern bewerte.“
Da bleibt nur eine Schlussfolgerung: Wenn Sie Probleme mit der Lunge haben, gehen Sie nicht zum Pneumologen – gehen Sie lieber gleich zum Motorenbauer. Der meint, er weiß es besser.
Herr Koch und Herr Köhler haben mit diesem PR-Gag inzwischen so viel Wind gemacht, dass das International Forum of Respiratory Societies FIRS sich zu einem Statement veranlasst sah. Dieser internationale Zusammenschluss von Gesellschaften für Lungengesundheit warnt vor einer Aufweichung der Grenzwerte.
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 18.2.2019.)