Der Rundfunkbeitrag muss moderat rauf!
Die Diskussion ist zu kompliziert, um viel Interesse zu finden. Wir zahlen für Radio und Fernsehen einen Rundfunkbeitrag, und fertig. Sonst noch was?
Gerade hat es in einigen Bundesländern einen Wettlauf gegeben um die Landesverfassungsgerichte. Wer gewinnt, darf die lästigen Richter abschaffen – oder vor der Entmachtung bewahren. Anders, aber ähnlich wichtig sind die öffentlichrechtlichen „Rundfunkanstalten“ wie zum Beispiel ARD und WDR. Mit ihrem linearen Programm und ihrem Internetangebot sind sie die neutrale Grundlage der Gesellschaft. Ihre Bedeutung kann man schon daran ablesen, dass sowohl Links- und Rechtsradikale sie verunglimpfen als auch manche Regierungspolitiker sie abschaffen oder „zähmen“ möchten.
Alle Jahre wieder wird um die Höhe des Rundfunkbeitrags gestritten. Die Sender brauchen Geld, um den laufenden Betrieb zu finanzieren; alles wird kontinuierlich teurer. Nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag macht eine Kommission (die KEF) einen Vorschlag, die Ministerpräsidenten beraten darüber, alle Landesparlamente müssen zustimmen. Zum 1.1.2025 kommt die nächste Beitragsanpassung – oder nicht.
Denn im Jahr 2024 rücken die Ministerpräsidenten – die ja alle die größten Medien- und Verwaltungsexperten des Landes sind – den Öffentlichrechtlichen auf die Pelle. Angeblich soll nur gespart werden.
Im Deutschlandfunk wurde am 30.10.2024 vorgeführt, was gemeint ist. Conrad Clemens, Staatsminister und geschäftsführender Chef der Staatskanzlei Sachsen (CDU), verbreitete sich für die Ministerpräsidenten in der Talkrunde mit vielen wohlfeilen Worten über die Bedeutung der Öffentlichrechtlichen. Und über Organisation. Ein IT-System für alle – hört sich immer gut an, muss aber nicht stimmen: Migration von Systemen ist teuer, kostet Zeit, und schafft neue Probleme. Aber Clemens weiß, wie’s geht: In Zukunft sollen alle Urlaubsanträge aus allen Öffentlichrechtlichen an einer Stelle bearbeitet werden. Das spart angeblich 80% des bisherigen Aufwands – man zuckt erschrocken zusammen vor so viel Sachverstand.
Clemens hat ganz einfache Vorstellungen davon, wie man die Betroffenen in die Reorganisation einbindet: Gar nicht. Er sagt es etwas freundlicher: Die hätten ja etwas dazu sagen können.
Auf die Inhalte haben es die Ministerpräsidenten abgesehen. Nischensender, Nischenprogramme – ist das Kultur oder kann das weg? Im Zweifel weg, meinen sie: Reicht doch, wenn es einen Dudelfunk für alle gibt (bitte ordentlich Werbung zwischendurch?). Es sind immer die dritten Programme, die als erste bluten müssen. Kultur ist manchmal elitär, und elitär muss weg.
arte und 3sat sollen leiden: Eine europäische Kulturplattform sollen sie bilden. Schönes Wortgeklingel: Dann sind eben die anderen Europäer schuld, wenn die europäische Plattform platt ist.
Clemens kommt ins Stottern, wenn er sagen soll, was anstelle der gestrichenen Stationen und Programme denn neu kommen soll, was bisher gefehlt hat: 24Stundennachrichten, das fehle ganz dringend, sagt er. Zwei Sätze später kommt die Einschränkung: Ach, 24 Stunden müssten es dann auch nicht sein. Und dass die 24Stunden-Sender wie CNN ein vielfach höheres Budget zur Verfügung haben – so der Einwurf aus der Runde -, dazu sagt er dann lieber nichts mehr.
Ja, unbedingt müssten die Öffentlichrechtlichen digital werden. Internet ist gut! Aber schreiben sollen sie im Internet erst dann, wenn sie die Nachricht vorher in der Tagesschau erzählt haben: „Presseähnlichkeit von öffentlich-rechtlichen Angeboten im Internet“ ist das Stichwort. Also warten, bis die Spätnachrichten im TV gelaufen sind, dann schreiben. „Grundsätzliche zusätzliche Beschränkungen für textbezogene Angebote im Web“ heißt die bürokratische Formulierung der Ministerpräsidenten. Zu übersetzen ist dies Geschwurbel so: Erst sollen alle Trolle im Internet Zeit genug erhalten, mit ihrem Unsinn Desinformation in die Öffentlichkeit zu tragen. Dann soll in der Tagesschau darüber erzählt werden, und erst danach darf in der Tagesschau-App dazu geschrieben werden – dann kann man es auch gleich lassen. Dann haben sich die Fake-Fotos, Fake-Videos und Lügen längst in die Hirne gebrannt. Oder anders gesagt: Information im Netz ist schneller, als Ministerien sich das vorstellen können (oder wollen). Den Zeitungsverlegern, die an dieser Stelle die Ministerpräsidenten heiß gemacht haben, werden solche Regelungen nicht helfen: Niemand wird 600 bis 1000 Euro im Jahr für eine Zeitung ausgeben, nur weil die Tagesschau-App immer dünner wird.
Die kurioseste, nein die unverantwortlichste Nummer lieferte Clemens im Namen der Ministerpräsidenten zum Geld ab. Die Ministerpräsidenten haben 2021 vom Bundesverfassungsgericht etwas Nachhilfe bekommen: „Die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz verleiht den Rundfunkanstalten einen mit der Verfassungsbeschwerde durchsetzbaren Anspruch auf funktionsangemessene Finanzierung“. Da ging es um die Erhöhung von 17,50 Euro auf 18,36 Euro; Sachsen-Anhalt hatte sich gesperrt und die anstehende Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockiert.
Die KEF hat jetzt wieder ihre Arbeit gemacht und im Februar 2024 einen Vorschlag vorgelegt: Der Beitrag soll zum 1.1.2025 moderat steigen, von 18,36 Euro im Monat auf 18,94 Euro. Das sind auf den ersten Blick 3,2%. Auf den zweiten Blick sind das 0,8% jährlich – denn der Beitrag wird jeweils für vier Jahre festgeschrieben, gilt also bis Ende 2028. Wenn man einen längeren Zeitraum betrachtet: Über den gesamten Zeitraum von 2017 bis 2028 beträgt die Steigerung 8,2%.
Das kann überhaupt nur funktionieren, wenn die Öffentlichrechtlichen jedes Jahr drastisch sparen. Denn Personalkosten und Sachkosten steigen kontinuierlich weit stärker. Und im Hintergrund steht das Bundesverfassungsgericht.
Was sagt Clemens für die Ministerpräsidenten dazu? Es gibt keinen Beschluss. Es gibt vielleicht im Dezember 2024 einen Beschluss, und dann soll es um ein ganz neues Rechen- oder Finanzierungsverfahren gehen, und das wird man dann in aller Ruhe entwickeln – mit anderen Worten: Geld soll es erst einmal nicht geben. Sollen die Öffentlichrechtlichen doch zusehen!
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Konsequenz die Bundesländer mit den größten AfD-Problemen versuchen, die öffentlichrechtlichen Medien an der Arbeit zu hindern. Es ist beschämend, dass auch NRW dies miese Spiel mitspielt.
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