Von Ulm bis Biberach
(Fortsetzung von Rad-Reisen: Donau-Bodensee I)
Was macht man nach einem angenehmen Frühstück in Ulm, wenn man sein Gepäck fertig aufs Rad gepackt hat? Natürlich fährt man nicht stumpf los, sondern schaut sich erst einmal Ulm an. Wer in der Nähe des Rathauses übernachtet hat, muss sofort eine Besonderheit dieser Stadt sehen: Historische Bausubstanz und moderne Architektur gehen hier sehr achtsam miteinander um. Die „Glaspyramide“ der Zentralbibliothek, die Nachbarhäuser des Schwörhauses und weitere moderne Bauten im Stadtzentrum harmonieren auf besondere Weise mit der Historie. Auch die Geschichte des Schwörhauses als historischer Ort des gegenseitigen Treueschwurs von Bürgerschaft und Stadtrat ist einen Besuch wert.
Eine Reihe von Frauengestalten auf der Südseite stellt keineswegs fromme Ordensfrauen dar, wie man zunächst vermuten könnte, sondern Sibyllen, Prophetinnen des Altertums. Ihnen gegenüber befindet sich eine Reihe berühmter Männer des Altertums.
Es geht auf Mittag zu, die pralle Sonne sorgt heute für 28°C, es wird Zeit loszufahren. Durch das Fischer- und Gerberviertel von Ulm führt der Weg direkt zur Donau, einige Kilometer am Fluss entlang und dann nach Laupheim. Laupheim ist Standort eines Hubschraubergeschwaders und einiger Firmen, so sieht der Ort auch aus; an der Straße stehen Marktstände mit allerlei Ramsch.
Am Ende des Marktplatzes wartet der Gasthof 3 Mohren, davor ein Brunnen, die Tische unter den Sonnenschirmen gut besetzt: Das ist der richtige Ort für Wasser, Kaffee und ein alkoholfreies Bier, dazu ein bisschen Kuchen. Gleich am ersten Tag der Tour so viel Hitze, das verlangt nach einer Pause. An den Nachbartischen wird deftig gegessen, für die Radwanderer ist das nicht das Richtige.
St. Peter und Paul, barocke Sehenswürdigkeit, liegt wie gefühlt alle Sehenswürdigkeiten oben auf dem Berg. Der Schatten gibt Gelegenheit, sich um Quartier für die kommende Nacht zu kümmern; Biberach ist das Tagesziel, 50 Kilometer sind genug für den heißen ersten Tag. In Biberach wird heute gefeiert, heißt es am Handy, das Biberacher Schützenfest dauert eine ganze Woche, da ist fast jedes Hotelbett belegt. So ist das eben, wenn man immer erst von unterwegs Zimmer bucht. Aber es gibt noch ein Zimmer in einem häßlichen Klotz am Stadtrand, Hotel Zur Riss neben einer stark befahrenen Landstraße – was soll’s, zum Schlafen für eine Nacht wird es reichen.
Nachdem die Übernachtungsfrage gelöst ist, kann man sich in Ruhe ein paar Meter weiter das Schloss Großlaupheim ansehen und den netten Schlossgarten. Dann weiter über Land: Die Sonne brennt, das letzte Stück der Strecke bis Biberach führt an einer Autostraße entlang. Am späten Nachmittag Ankunft im Hotel Zur Riss, der Empfang ist freundlich, das Zimmer in Ordnung, für die Räder gibt es eine Garage, und die Innenstadt ist nicht weit.
Durchs Ulmer Tor kommt man direkt in die Altstadt, und jetzt, kurz vor 18h, knurrt der Magen. Die Empfehlung der Einheimischen „Gehen Sie mal da und da hin“ taugt mal wieder nicht; Einheimische gehen entweder nie essen, lehrt die Erfahrung, oder bevorzugen dicke Bratwürste mit großen Pommes-Portionen – man verlässt den Ort des schlechten Service, dann besser ohne Essen erst einmal die Stadt ansehen. Und die hat einiges zu bieten!
Die ehemals gotische, später barockisierte Stadtpfarrkirche St. Martin wird seit fast 500 Jahren von beiden christlichen Konfessionen gemeinsam genutzt. An der Kirche vorbei geht es zum Marktplatz.
An den Seiten stehen Zuschauertribünen, nach und nach füllt sich der Platz. Später werden während des Schützenfestes die Zugänge zur Kern-Innenstadt kontrolliert, der Zugang ist dann nur noch mit kostenpflichtiger Eintrittskarte möglich.
Christoph Martin Wieland, der aus Biberach stammt, hat die Vorlage für diese Skulptur geschrieben. In der „Geschichte der Abderiten“ geht es um einen antiken Schildbürger-Prozess um den Schatten eines Esels und die damit verbundene Zwietracht, die Skulptur zeigt sie recht drastisch.
Zu erwähnen bleibt eine Biberacher Tradition auf vier Beinen: Höhepunkt des Jahres für die Biberacher Blutreiter ist der Ritt zur größten Reiterprozession Europas, dem Blutritt in Weingarten am Blutfreitag, dem Tag nach Christi Himmelfahrt (Christliche Blut-Symbolik wird den Radlern im Verlauf ihrer Reise noch oft begegnen).
Der Stadtrundgang führt weiter in die stillen Gässchen des Weberviertels, hier ist von dem Rummel des Schützenfestes nichts mehr zu spüren.
Nach so viel Besichtigung findet sich schließlich doch noch ein Platz zum Essen. Der Eberbacher Hof hat einen kleinen Biergarten, ein Tischchen ist noch frei, ein wenig Adler-Bräu und Kalorien für den nächsten Tag!
(Die vorhergehende Etappe dieses Reiseberichts finden Sie hier, und hier geht es zur Fortsetzung am nächsten Tag.)