Ortsentwicklung mit Augenmaß ist gefordert
Erst haben sie Amelsbüren ruiniert. Wider besseres Wissen hatte die CDU durchgesetzt, dass ein neuer Supermarkt am Dorfrand gebaut wurde. Geplante Wohnungen mussten dafür weichen. Seriöse Experten hatten gewarnt: Der einzige Supermarkt im Dorf gehört mitten ins Dorf. Jetzt hat Amelsbüren keinen funktionierenden Kern mehr. Ein Lehrstück, wie man sein eigenes Dorf zerstört. Und man hat nichts daraus gelernt: Statt eigene Fehler einzugestehen, übt sich die Amelsbürener CDU in Angriffen auf einen Grundstückseigentümer. Ein Ablenkungsmanöver.
Jetzt ist Hiltrup dran.
Wo früher an der Westfalenstraße das Autohaus Georges bestand, will ein Investor den nächsten großen Supermarkt bauen. Als ob es noch nicht genug Supermärkte in Hiltrup gäbe. In der Vorlage der Verwaltung an den Rat heißt es ganz trocken: „Am 19.12.2023 wurde ein Bauantrag zur Neuerrichtung eines Verbrauchermarkts auf dieser Fläche eingereicht.“
Die Rechtslage ist ganz einfach: Für diesen Bereich gibt es keinen Bebauungsplan. Der Investor kann bauen, wie er will, wenn die Stadt nicht eingreift.
In der Praxis heißt das: Supermarkt-Investoren bauen am liebsten eine möglichst billige möglichst große Halle, also breit und lang, flach und hässlich.
Gute Stadtplanung ist grundsätzlich freundlich zu Investoren – und setzt in aller Freundlichkeit eine gute Entwicklung des Stadtteils durch. Anders gesagt: Bei solchen Projekten geht es immer darum, einen Kompromiss zu finden zwischen den Interessen des Investors und dem Gemeinwohl. Da geht es durchaus nicht in erster Linie um die „Optik des Gebäudes“, wie die Westfälischen Nachrichten behaupten (23.3.2024). Gemeinwohl bedeutet vielmehr, die Struktur des örtlichen Einzelhandels zu steuern und dringend benötigte Wohnbebauung zu ermöglichen.
Da mutet es schon recht skurril an, wenn laut WN ausgerechnet die Amelsbürener CDU erst den eigenen Ortskern ruiniert und jetzt beklagt „Hier soll zugunsten der Marktallee ein Standort verhindert werden“. Wenn Amelsbüren schon kaputt ist, dann soll wenigstens auch die Marktallee kaputt gemacht werden?
Hiltrup hat – anders als Amelsbüren – eine lange Erfahrung in Kompromissen rund um neue Einzelhandelsstandorte. Die Diskussion um den – zum Glück gescheiterten – Preußen-Park war das erste Kapitel. Ein Investor sollte in Berg Fidel eine Mega-Einkaufsmeile bauen und nebenbei ein neues Fußballstadion. Wer damals nicht von Fußball besoffen war, sah die Konsequenzen für Innenstadt und umliegende Stadtteile. Selbst der Rat wusste: Wenn mit dem Preußen-Park zusätzlicher Einzelhandel nach Berg Fidel käme, müsste man die Marktallee in Hiltrup attraktiver gestalten, um den Schaden zu begrenzen (Ratsbeschluss von Juni 1996).
Aldi am Hiltruper Bahnhof war das nächste Beispiel. Mit dem Weggang von der Marktallee Nr. 67 in den Neubau am Bahnhof verlor die Marktallee einen Frequenz-Bringer. In diesem Fall griff die Verwaltung allerdings schon vorsichtig ein: Aldi bzw. der Investor durfte keine schlichte Industriehalle bauen, sondern musste zusätzlich ein Vollgeschoss oben draufsetzen.
Mit dem dritten Fall hat eigentlich auch die Hiltruper Kommunalpolitik ihre Unschuld in Sachen Supermarkt verloren. Vor dem Bau des Stroetmann-Komplexes am Hiltruper Bahnhof (Wiewel) hat die Stadt ein Strukturkonzept festgeschrieben, ein städtebaulicher Wettbewerb wurde ausgeschrieben; die Auswirkungen auf den Einzelhandel der Marktallee wurden detailliert untersucht – und Stroetmann durfte nicht alles realisieren, was er vielleicht wollte. Der Investor Stroetmann musste Rücksicht nehmen auf die vorhandene Einzelhandelsstruktur. Darüber hinaus musste Stroetmann in den sauren Apfel beißen und Wohnungen bauen. Das mag zwar heute nicht besonders hübsch sein – aber wie sähe das Bahnhofsviertel heute aus, wenn man Aldi und Stroetmann erlaubt hätte, dort einfach zwei Stahlbauhallen aufzustellen?
Das frühere Georges-Gelände an der Westfalenstraße ist jetzt der nächste Fall. Allen Beteiligten muss klar sein, was hier auf dem Spiel steht. Wer heute einen Supermarkt plant, bringt gleich ein paar Satelliten mit: Die nächste überflüssige Apotheke, den nächsten Textildiscounter, den nächsten Schuhdiscounter usw. Nur wer böswillig der Marktallee schaden will, macht davor die Augen zu. Hiltrup ist schon lange mit Einzelhandel überbesetzt. Das Einzelhandelsgutachten, das für Stroetmann erstellt wurde, belegte das sehr eindrücklich. Der Hiltruper Einzelhandel lebt (auch) davon, dass Auswärtige hier einkaufen. Neue Standorte in Hiltrup verschärfen diese Entwicklung, und sie trifft auch den im Ortskern von Hiltrup vorhandenen Einzelhandel. Der steht schon lange unter starkem Druck; soll es hier in Zukunft nur noch Frisöre und Pflegedienste geben? Und wie wollen die Amelsbürener Plattmacher einen Discounter nach Amelsbüren locken – davon träumen sie seit vielen Jahren – , wenn sie gleichzeitig noch mehr Kaufkraft von Amelsbüren nach Hiltrup ziehen?
Ein CDU-Vertreter hat sich laut WN in der Bezirksvertretung als Kenner der Marktallee präsentiert. Hat er wirklich hingesehen? Oder hat er den Niedergang des Einzelhandels an der Marktallee nicht sehen wollen? Welche Vorstellungen hat die CDU von einer zukünftigen Nahversorgung im Ortskern? Wer nicht jeden Meter mit dem Auto erledigen will (oder kann), kauft jetzt noch im Ortskern ein. Zu Fuß. Der Biosupermarkt hat recht weitgehend die Rolle von Edeka-Wiewel in der Nahversorgung übernommen, in kurzer Entfernung bietet K+K an der Hohen Geest ein differenzierteres Sortiment. Was es dort nicht gibt, haben die Geschäfte an der Marktallee. Perfekt ist das, angenehm und völlig ausreichend. Das will die CDU ruinieren, damit es in Hiltrup aussieht wie in Amelsbüren?
Skurril wirkt auch das Engagement eines CDU-Ratsherrn für Aldi. „Der Super-Gau wäre, wenn Aldi nun noch den bestehenden Markt schließt“, wird er zitiert (WN 23.3.2024). Weder Super-Gau noch Super-GAU: Eine Tür weiter bietet K+K alles an, was es auch bei Aldi gibt (mal abgesehen von den Aktions-Ramsch-Waren).
Man kann nur hoffen, dass im Rat mehr Vernunft sitzt. Die Stadt muss ihrer Verantwortung für die Entwicklung des Stadtteils gerecht werden und für diesen Bereich einen Bebauungsplan aufstellen. Der Aufstellungsbeschluss ist bereits gefasst. Eine Veränderungssperre gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sorgt dafür, dass der Investor nicht Fakten schafft.