In Amelsbüren ist die Welt noch in Ordnung. Seit dem II. Weltkrieg regierte erst das Zentrum, dann die CDU die Dorfpolitik. Ihr Einfluss reicht weit darüber hinaus, die Amelsbürener CDU stellt mit Stefan Weber schon lange auch den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Münster. Erst als vor wenigen Jahren Grün-Rot die Mehrheit im Rat übernahm, ging diese faktische Alleinherrschaft zu Ende.
Wenn jetzt die Westfälischen Nachrichten (2.9.2022) ein Statement Webers zu einem Thema der Amelsbürener Ortspolitik wiedergeben, weckt das zunächst keine besondere Aufmerksamkeit. „Alarmstimmung“ und „Sorge“ sind nun einmal die Standardvokabeln aus dem kleinen Handwerkskasten der Opposition. Aber das Thema, um das es geht, hat es dann doch in sich. Denn rund um die alte Kirche gab es in dem kleinen Dorfkern einmal ein dörfliches Zentrum, also auch einen Laden – und den hat die Amelsbürener CDU selbst aus dem Dorfkern vertrieben.
Die Vorgeschichte dieses Exodus ist lang, und sie trägt durchgehend Webers Handschrift. Ausgangspunkt ist eine dörfliche Empörung. Mit diesem alten Laden nicht weit von der Kirche, Teil einer kleinen Ansammlung von Händlern und Dienstleistern, war man nicht mehr zufrieden. Da sollte endlich etwas Besseres her, und die Gelegenheit zur Veränderung kam Anfang des 3. Jahrtausends mit der Ausweisung eines neuen Baugebiets an der Davertstraße. Baugrundstücke für Einfamilienhäuser sah der von der CDU mit verabschiedete Bebauungsplan vor, auch rund um den heutigen Kreisverkehr. Die Grundstücke wurden gerade vergeben, am Kreisverkehr waren noch einige in städtischer Hand. Schnell kam am CDU-Stammtisch eine Idee auf: Den Bebauungsplan kippen wir einfach, aus Einfamilienhäusern machen wir einen Supermarkt!
Es gab Warnungen. Wer in Münster arbeite, komme auf dem Heimweg an den vielen großen Supermärkten Hiltrups vorbei, da werde für einen neuen Markt in Amelsbüren nicht mehr viel Umsatz abfallen. Und wenn der Umsatz in Amelsbüren nicht für zwei Läden reiche, werde der alte kleinere Laden in der Dorfmitte eingehen – das werde die Entwicklung des Amelsbürener Dorfkerns nachhaltig beschädigen.
Die Verwaltung teilte diese Bedenken. Die Verwaltung beugte sich der CDU. Der Bebauungsplan wurde von der CDU-Ratsmehrheit geändert, ein Grundstück von gut 6000m² wurde für einen „Supermarkt“ mit ca. 800m² Verkaufsfläche ausgewiesen.
Das war damals schon zu klein für den wirtschaftlichen Betrieb eines Supermarktes. Webers CDU hatte dies Argument der kritischen Diskussion nicht glauben wollen, nun bekam sie Nachhilfe. In drei Ausschreibungen in den Jahren 2009 und 2012 fand sich kein Investor. Die Ausschreibung musste modifiziert werden: Zusätzlich zu dem Lebensmittelnahversorger wurde zugestanden, einen Getränkemarkt mit bis zu 250 m² und einen Backshop mit bis zu 50 m² zu realisieren. Daraufhin zeigte ein Investor Interesse – und sprang ab. Wieder musste die Ausschreibung modifiziert werden, die Stadt musste ihre Kaufpreiserwartung reduzieren, erneut wurden Gebote eingeholt, 2013 ging das Grundstück endlich an den heutigen Betreiber K+K.
Was ist daraus geworden?
Früher hatte Amelsbüren im Ortskern auch einen Getränkemarkt, er ist weg. Früher hatte Amelsbüren im Ortskern einen Lebensmittelladen, er geht weg. K+K schließt ihn zum 1. Oktober 2022, wie kritische Stimmen es schon vor Jahren vorausgesehen hatten.
Und Stefan Weber? Er fabuliert von einem neuen Betreiber des alten Ladens, eine nahtlose Nachfolge erscheine ihm möglich. Kaum zu glauben: Auch einen Discounter oder Drogeriemarkt will Weber jetzt nach Amelsbüren holen! Als ob nichts gewesen wäre.
Amelsbürens Ortskern hat schweren Schaden genommen. Er ist selbst verursacht. Die politische Kultur im Örtchen ist ebenfalls schwer beschädigt. Zurücktreten muss normalerweise, wer so schweren Schaden mutwillig verursacht. Da ist es nicht angebracht, Sorge und Alarmstimmung zu verbreiten, als ob ihn überhaupt keine Verantwortung trifft, und ganz frech neue Luftschlösser zu bauen. So ganz in Ordnung ist die Welt in Amelsbüren doch nicht mehr.