Es ist Ferienzeit, jetzt müssen die Großeltern ran: Enkelkinder hüten, während die Eltern arbeiten. 300 Kilometer Autobahn mit zwei KIndern liegen hinter einem. Es war nass, es war voll, es wurde unberechenbar gefahren, es war schlicht Arbeit. Man greift zur Süddeutschen – sie ist in vier Seiten Autoreklame eingepackt. „Ausflüge werden zu Reisen“ schreit einem die Firma Audi entgegen. Größer kann der Kontrast nicht sein. Das Verkehrsmittel Auto erfüllt nur noch mühsam seinen Zweck, Stress auf der Autobahn wir angefeuert von: Ja, inzwischen sind es nicht mehr die BMW-„Sportfahrer“, jetzt sind es – gefühlt – häufig superschnelle Audis. „Reisen“ – Drängeln, Schieben, Drücken, Nahkampf.
Empört sieht man sich das Reklameblatt näher an. Vier ganzseitige Anzeigen, ein Vermögen. „Rein elektrisch“ steht da und erinnert so fatal an Waschmittelwerbung vergangener Zeiten. Damals sollte die Wäsche nicht sauber, sondern rein wie das Gewissen sein. „Rein“ ist abgenutzt und übel vorbelastet.
Technische Einzelheiten sind unterschiedlich je nach „Derivat und Motorisierung“. Die Texter sind wohl zu jung, um schon mit Finanzderivaten betrogen worden zu sein. Ein Derivat ist ein abgeleitetes Wort. Mit dem Ableiten hantierte man im Motorjournalismus früher, um die Pseudo-Rennversionen von biederen Kleinwagen in diese Prosa spezieller Art zu verpacken. Ihren Stammplatz hat sie in der Wochenendausgabe.
Den ersten Eindruck sollen die Käufer wählen, das schreit Audi uns in der zweiten Sektion der Reklame entgegen. Ja doch, kauf schnell, bevor der Verstand einsetzt. Kraft soll man tanken, aufgebrezelt als „High-Power-Charging“. Ein paar Dreißigjährige Models garnieren diese Sprüche, genau, hat man diese Sorte nicht immer lästig und gefährlich mit Höchstgeschwindigkeit im Rückspiegel, ohne Mindestabstand an der Stoßstange? „Kraft“ hört sich so supergut an, so dynamisch, keiner kann einem was!
3D-Sound und Displays aller Art, Entertainment pur verspricht die Seite drei. A3 bei Schneeregen und Sonntagsfahrern, das machen wir alle nebenher mit dem kleinen Finger, unentwegt schauen wir auf all die Displays? OLEDs sollen wir kaufen, einen Computer, der zufällig auch fahren kann?
Die Krönung der Reklame-Marktschreierei bleibt vorbehalten für die vierte und letzte Seite der Reklame. Ein Loblied auf das gewissenlose Rasen. „Im Auge des Verfolgers“ liege die Schönheit, sagt Audi. Denn Autos sind ja Sportgeräte, Motorsport ist angesagt, allen Verfolgern fahre man davon, allen anderen zeige man die Rücklichter (so hieß das früher im Motor-Journalismus). Wahre Schönheit sei das.
Wer braucht so etwas?