Not lehrt: Sparen

Emotion und Vernunft

Noch überbieten sich einige. Ab sofort wollen sie kein Gas mehr aus Russland beziehen, und Öl sowieso nicht. Sofort. Der grüne Wirtschaftsminister Deutschlands muss sich am 8. März 2022 im ARD-Brennpunkt rechtfertigen, warum er das nicht so sieht.

Die grüne Partei hat einmal gefordert, 5 Mark müsse der Liter Sprit kosten, und ist dafür gründlich verhauen worden. Jahrzehnte ist das her, die Lehre daraus war hart, Habeck hat’s nicht vergessen: Reize nicht den deutschen Autofahrer.

Wahlplakate der CDU und CSU zur Bundestagswahl 1949

Wahlplakate der CDU und CSU zur Bundestagswahl 1949

Jetzt ist Europa plötzlich wieder mit Bildern konfrontiert, die in den ersten Jahren nach dem II. Weltkrieg gern beschworen wurden. Damals ging es darum, die Stereotype des bolschewistischen Untermenschen aus alter Nazi-Propaganda aufzuwärmen. Jahrzehnte der Friedens- und Abrüstungspolitik haben uns danach in Frieden und ohne Krieg leben lassen. Heute bricht das alte Bild der Bedrohung aus dem Osten wieder mit Gewalt in unsere heile westeuropäische Welt ein. Das Bild hat sich verändert, auf beiden Seiten. Der asiatisch aussehende Rotarmist müsste durch Putin ersetzt werden. Auf der anderen Seite steht eine geschlossene Verteidigungsgemeinschaft der demokratischen Parteien Deutschlands. Aber der Kern ist geblieben: Das Bild einer Bedrohung.

Bedrohung macht Angst, weckt Emotionen. Emotionen fordern schnelle Antworten – kein Öl, kein Gas mehr aus Russland – und verblassen schnell. Wie weit tragen sie, wenn Alles schmerzhaft teuer wird? Wenn Gas und Öl als Grundstoff unseres Lebens knapp und für viele unbezahlbar werden, wenn die Tankstelle ausverkauft ist, Brot, Gemüse, Bauen und Wohnen richtig teuer werden?

Die USA haben Deutschland immer wieder davor gewarnt, sich von Russland abhängig zu machen. Es ist eine ganz emotionslose, rationale Überlegung. Darf man sich in die Hand eines einzelnen „Partners“ begeben?

Die Abhängigkeit Deutschlands von Russland muss beendet werden. Der Weg dahin muss aber emotionslos, ganz nüchtern überlegt werden.

Die erste nüchterne Entscheidung hat Kanzler Scholz schnell getroffen. Landkriege sind wieder denkbar geworden, auch Deutschland muss sich verteidigen können. Eine handlungsfähige Bundeswehr braucht nicht nur ein einmaliges Investitionspaket, sondern dauerhaft mehr Aufmerksamkeit und mehr Geld für wirksame Waffen und Personal. Was sie nicht braucht, sind quälende Diskussionen der Art, ob Drohnen bewaffnet sein sollen. Eine Armee, die nicht schießen, die nicht zerstören, die nicht töten kann??

Genauso schwierig, langwierig und teuer wie die Verbesserung der Verteidigung ist auch die Abkehr von Öl und Gas. So wie wir alle ab sofort für Verteidigung mehr zahlen müssen, müssen wir unseren Verbrauch von Öl und Gas senken.

Es kann nicht nur darum gehen, neue Lieferanten zu finden und die Preise zu stabilisieren. Andere Lieferquellen sind offensichtlich teuer, nur begrenzt und nicht kurzfristig verfügbar. Kann Deutschland wirklich auf Dauer die Preise für Sprit und Heizen langfristig subventionieren? Schon wird überlegt, die Schuldenbremse auszusetzen. Das ist eine Notmaßnahme, aber keine Lösung. Nicht der Preis, sondern der Verbrauch fossiler Brennstoffe muss gesenkt werden. Putins Krieg zwingt zur Beschleunigung der Maßnahmen, die zur Bewältigung der Klima-Krise ohnehin anstehen.

Patentrezepte können hier nicht vorgestellt werden. Das ist auch nicht nötig, viele Dinge sind schon angestoßen. Förderprogramme zum Beispiel zur Gebäudeeffizienz existieren seit Jahrzehnten. Was fehlt ist das nötige Tempo. Vielleicht hilft Putin, endlich das Richtige im großen Maßstab zu tun.

Und auch wenn Wirtschaftsminister Habeck es nicht auszusprechen wagt: Energie muss teurer werden. Mobilität und Wohnen verbrauchen Energie in nie gekanntem Ausmaß. Die Reduzierung des Verbrauchs muss bei jedem einzelnen selbst anfangen. Die vernunftmäßige Einsicht in die Notwendigkeit, weniger zu verbrauchen, ist nur ein schwacher Antreiber. Schmerzhaft aber wirksam ist der Preis.

Dahinter steht auch eine Luxus-Diskussion. Viele Wege lassen sich ohne Auto machen, und müssen wir wirklich immer mehr Wohnfläche pro Nase haben – und beheizen? Unpopulär ist diese Diskussion, Verzicht hat keine Lobby. Wollen wir wirklich wie die Alten nur noch in der kleinen Wohnküche leben, nur diesen Raum heizen? Müssen es 22 °C sein? Aber „weiter so“ kann nicht mehr gelten.

Habeck warnt zu Recht vor den Verwerfungen, die ein sofortiger Boykott russischer Energie auslöst. Für diesen Fall sind zu viele Konsequenzen zu bedenken und Lösungen zu entwickeln. Bis zum Herbst will die EU so weit sein, bis dahin muss auch Deutschland einen Plan haben, um seine Freiheit zu bewahren. Und wenn es Bezugsscheine für Benzin sind…