An der Marktallee geht der Bagger um
Ein gepflegtes Wohnhaus, wer wollte hier nicht wohnen? Die Fenster mit Gardinen geschmückt, blühende Blumen außen vor den Fenstern, und nebenan sogar eine Palme vor dem Eiscafé Martini.
Wer hätte gedacht, dass dies Wohnhaus aus den 60e Jahren des 20. Jahrhunderts einmal so herunter kommen würde? Das Dach ist offen, die Fensterflügel sind abmontiert, und die Fenster sind Öffnungen zu leeren Höhlen. Wenn es hoch kommt, ist das Haus gerade einmal 60 Jahre alt geworden. Der Abbruch steht bevor, und man kann mutmaßen: Ein neues Ladenlokal im Erdgeschoss, darüber Eigentumswohnungen zum Spitzenpreis? Das unverzinste Geld auf den Konten, die billigen Kredite machen all den alten Häusern auch an der Marktallee Druck. Dass in diesen Baustoffen Umengen von Energie stecken, dass für neue Baustoffe große Mengen von Öl aus Russland gebraucht wird, die Mechanismen des Kapitalmarkts schert es nicht.
Der Blick auf das Haus Marktallee 36 gegenüber ist schon Geschichte. Der Abbruchbagger hat längst seine Arbeit getan.
Hier sind gleich zwei alte Häuser verschwunden, das weiße Haus nebenan ist schon vor Jahren abgebrochen worden. Der Info-Punkt konnte umziehen, aber für die Nutzer der kleinen Ladenlokale in Haus Nr. 36 hat es keine Lösung gegeben. Annettes Weinkeller ist aus Hiltrup verschwunden, und auch mit dem Frisörsalon Heßling ist ein Stück Alt-Hiltrup untergegangen: Die museumsreife Kassen-Lade im Eingangsbereich mit ihrem Papierstreifen hinter einem kleinen Fensterchen – das Finanzamt war damals noch zufrieden, wenn die Umsätze handschriftlich auf dem Papierstreifen aufgezeichnet wurden, und an den Frisörstühlen war die Zeit entschleunigt. Nostalgie, ja durchaus; aber diese Entschleunigung hatte Atmosphäre.
Wie sehr sich die Marktallee verändert hat, macht der Vergleich mit der Ansicht um 1950 deutlich. Haus Nr. 29 am linken Bildrand wird jetzt schon zum zweiten Mal durch einen Neubau ersetzt, und auch die kleinteilige Bebauung auf der Straßenseite gegenüber ist nur noch Erinnerung.