Kinderglaube

Trump gibt Nachhilfe

Merkel sei im 18. Jahr als CDU-Chefin „von ihrem Glauben an die USA abgefallen“, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 30.5.2017. Mit dem Glauben ist es immer so eine Sache, Glauben heiß nicht Wissen, und oft ist es nur ein Kinderglaube. Merkel ist lange genug im Geschäft, und im Kinderglauben hat sie viel Erfahrung, insbesondere was die USA angeht.

Merkel war es, die als Oppositionsführerin im Jahr 2003 in unerhörter Weise einen peinlichen Kotau vor den USA vorführte: der deutsche Kanzler Schröder (SPD) versuchte in letzter Minute mit aller Kraft, die USA vom Irak-Krieg abzuhalten. Schröder und seine Mannschaft sahen voraus, welches Erdbeben dieser Krieg auslösen würde; mit der Instabilität des Nahen Ostens und den gewaltigen Flüchtlingsströmen wird Europa noch lange zu tun haben. Man erinnere sich: USA-Präsident Bush fingierte mit Fake-News einen Vorwand gegenüber der Weltöffentlichkeit, um den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Und was machte Merkel? Sie hatte nichts besseres zu tun als diesen verbrecherischen Krieg zu rechtfertigen, sie führte sich als die wahre Verbündete von Bush auf.

Und jetzt? Hat der Kinderglaube etwa bis 2017 angehalten, der nette Onkel aus Amerika werde schon Alles zum besten richten? Auch mit den netten Onkels ist es immer so eine Sache, nicht umsonst warnen wir unsere Kinder vor ihnen. Trump steht da in einer Tradition mit seinem Vor-Vorgänger Bush. Erst einmal zuschlagen, ordentlich Rabatz machen; hier die Verbündeten desavouieren, da ein paar Raketen auf Syrien schießen oder einen Flugzeugträger schicken – immer erst handeln und danach nachdenken. Steht dahinter der Siedler-Mythos all der Migranten, die Nordamerika besiedelt haben: ich und mein Colt, jeder für sich, America first? Eine im Kern asoziale Gesellschaft, die lieber jeden für sich verrecken lässt als Krankenkassenbeiträge und Armenspeisung zu bezahlen?

Wenn Merkel erst jetzt von ihrem Kinderglauben abfällt, dann kommt das reichlich spät. Aber vielleicht hat Trumps Nachhilfeunterricht beim G7-Gipfel und in der Nato doch noch einen positiven Effekt: dass nämlich selbst die letzten Nationalisten einsehen, welche existentielle Bedeutung die Europäische Union für uns Europäer hat. Wir haben viele Interessen, Bürgerfreiheiten, Wohlstand, Sicherheit, und weder Trump noch Putin schenken uns etwas. Wir müssen uns schon selber kümmern.