2021: Camping in Deutschland I

Heidefläche bei Undeloh (6.9.2021; Foto: Henning Klare)
Heidefläche bei Undeloh (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Sturm auf die Heide

Camping im Corona-Jahr 2021: Der Herbst ist die Zeit der Genuss-Camper. Nach dem Ende der Schulferien sind jetzt diejenigen unterwegs, denen es im Sommer zu voll und zu warm ist. Der September verspricht in vielen Ländern noch offene Campingplätze und mit etwas Glück Sonne und angenehme Wärme.

Im Jahr 2021 hat das Corona-Virus alles verändert. Die Regeln wechseln ständig: Welche Beschränkungen gelten in den Nachbarländern, welche Impf- oder Testnachweise braucht man? Welche Formalitäten sind bei der Einreise zu beachten? Droht bei der Rückreise eine Quarantäne? Und was ist, wenn man im Ausland ins Krankenhaus muss? Auf der sicheren Seite bleibt man in Deutschland. Der Wetterbericht wird zum Reiseführer: Wo ist das Wetter besser, am Bodensee oder im Norden? Die Entscheidung fällt diesmal für den Norden. Die Heide müsste man eigentlich mal blühen sehen? Die Jugendherberge Undeloh ist eine blasse Erinnerung aus der Schulzeit, aber im Kopf sind keine Bilder mehr. Warum nicht nach Undeloh?

2021 hat sich aber noch etwas geändert. Unmengen von neuen Wohnmobilen sind unterwegs. Hotels und Ferienwohnungen waren wegen Corona nicht mehr frei zugänglich. Reiselust hat sich aufgestaut, die Medien sind voll von bunten Reiseberichten, Camping erscheint als ungebundener Ausweg in die grenzenlose Freiheit. Zelt ist unbequem, Wohnwagen piefig, Wohnmobil teuer und chic.

Die exorbitanten Preise für Wohnmobile ab 50.000 Euro aufwärts sind plötzlich kein Hindernis mehr. Teile der Bevölkerung haben viel Geld auf dem Konto liegen, anders als die Geringverdiener, die wegen Corona um ihre schlecht bezahlten Service-Jobs fürchten müssen. Banken kündigen Strafzinsen für Guthaben an; Geld, das sonst für Fernreisen und Pauschalurlaube ausgegeben wird, sammelt sich weiter an. Also werden Wohnmobile gekauft. Die Zahlen der Neuzulassungen explodieren: 46.859 im Jahr 2018, drei Jahre später schon 81.420. Dieser immer weiter steigende Bestand verteilt sich jetzt wegen Corona nicht mehr auf ganz Europa: Die Wohnmobile fluten die Campingplätze in Deutschland. Eine Blechlawine auf engem Raum.

Nie wäre man früher auf den Gedanken gekommen, außerhalb der Ferien könnte im Herbst ein Campingplatz voll sein. War das nicht gerade reizvoll: Spontan reisen, im Laufe des Tages überlegen, wo man am Abend sein will, und sich in Ruhe den schönsten Stellplatz auf dem Campingplatz aussuchen? Aber der Herbst 2020 war schon eine Warnung, und auch 2021 ist alles anders. Zusätzlich könnte die Heideblüte ja einen Hotspot-Effekt haben. Vorsichtshalber fängt man an zu telefonieren. Die Campingplätze, die man nach Lage und Beschreibung vorausgewählt hat, sind tatsächlich voll. Zweite Wahl bleibt über, Camping Brunautal in Hörweite der Autobahn, und man reserviert blind. Auch dieser Platz ist bei Ankunft am Nachmittag ausgebucht. Er bietet eine Art Wohnmobil-Parkplatz, gepflasterte Flächen und Rasen im Wechsel. Für drei Nächte kann man es zur Not aushalten.

Hotspot Undeloh, Wilseder Straße (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Hotspot Undeloh, Wilseder Straße (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Das Örtchen Undeloh mitten im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide ist einfach nett. Der Touristenstrom ballt sich auf der Wilseder Straße in Undeloh, hier wird gegessen und Kaffee getrunken, hier starten die Pferdefuhrwerke.

Heidefläche bei Undeloh (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Heidefläche bei Undeloh (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Macht man sich aber zu Fuß auf den Rundweg durch die Heidelandschaft, bleibt der Rummel schnell zurück.

Rundweg (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Rundweg (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Der Rundweg verläuft ein ganzes Stück am Rande des Waldes entlang, der die Heidefläche begrenzt. Er hätte die Freifläche längst zurückerobert, wenn diese nach dem Ende des Plaggenstechens nicht künstlich frei gehalten würde.

Pilz am Wegesrand (6..2021; Foto: Henning Klare)

Pilz am Wegesrand (6..2021; Foto: Henning Klare)

Hier sind weniger Wanderer unterwegs. Es bleibt Muße, auch den bunten Pilz neben dem Weg wahrzunehmen. Zurück an der Wilseder Straße nimmt man gern die Vorteile des Touristenbetriebs wahr: Heidschnuckenbraten sollte man probiert haben.

St. Stephanus in Egestorf (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

St. Stephanus in Egestorf (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Auf dem Hinweg war schon die Dorfkirche in Egestorf aufgefallen. St. Stephanus ist ein Fachwerkbau auf einem mächtigen Feldsteinsockel.

St. Stephanus in Egestorf (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

St. Stephanus in Egestorf (6.9.2021; Foto: Henning Klare)

Über den Bildern der Propheten und Apostel schwebt eine von lauter Heideblüten leuchtende Krone.

Zurück geht es über schmale ruhige Straßen zum Campingplatz in Bispingen-Behringen. Wenn doch bloß die Autobahn nicht so laut zu hören wäre…

(Fortsetzung: Lüneburg.)

(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23.01.2022.)