Selbstbewusste Bürger 1979

Straßenplanung einer Autobahn 43 (1979)
Straßenplanung einer Autobahn 43 (1979)

Gegen die (von der SPD abgelehnte) Planung einer A43 an Hiltrup vorbei hatte sich eine Bürgerinitiative gebildet. Die Straßenbauverwaltung des Landschaftsverbandes lehnte im Zuge der Fortschreibung des Bundesfernstraßenbedarfsplans eine A43 zwischen Münster und Gütersloh/Bielefeld ab.

Die CDU-Fraktion forderte weiterhin die A43 und schloss eine Trassenführung der A43 im Norden von Hiltrup nicht aus. In der Bürgerversammlung in Hiltrup am 12.3.1979 mit 500 Teilnehmern erntete die CDU dafür Pfiffe. Zwei Tage später lehnten CDU und FDP im Planungsausschuss des Rates den SPD-Antrag ab, das Projekt A43 Münster-Bielefeld nicht weiter zu verfolgen (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 16).

„Knipperdolling / Münsteraner Generalanzweifler“ von Dezember 1978 zur Wahl des CDU-Manns Reisener zum Konrektor der Hauptschule Hiltrup

Zur Personalpolitik der Hiltruper CDU druckte die SPD Hiltrup im März 1979 einen Artikel des „Knipperdolling / Münsteraner Generalanzweifler“ von Dezember 1978 nach, der die Wahl des CDU-Manns Reisener zum Konrektor der Hauptschule Hiltrup als „CDU-Klüngel“ kritisierte; die CDU reagierte mit einem Flugblatt „Gipfel an Geschmacklosigkeit“ (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 16).

Das alte Paterkloster in Hiltrup (1983; Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 30)

Das alte Paterkloster in Hiltrup (1983; Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 30)

Für das alte Paterkloster entwickelte die SPD Hiltrup weitere Nutzungsideen. Neben ihrem Vorschlag einer sozialen Nutzung brachte sie im Juni 1979 ins Gespräch, das Institut für Kunsterzieher der Kunstakademie dort unterzubringen (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 17).

Entgegen diesen vielfältigen Aktivitäten des Hiltruper SPD-Teams hatte die politische „Großwetterlage“ den Schwung des „Willy-Wählen“ verloren. In der Außen- und Sicherheitspolitik forderte Bundeskanzler Schmidt den Nato-Doppelbeschluss zur Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland. Im August 1979 hatte die Hiltruper SPD Mühe, zur Europa-Wahl Info-Stände zu organisieren, weil sich nicht genug Mitglieder bereitfanden. Im Vorstand herrschte Resignation: „Mitgliederversammlungen regelmäßig schlecht besucht, dabei waren sie in der Regel nur geringfügig erweiterte Vorstandssitzungen. … Die gleiche geringe Resonanz erfuhren andere Veranstaltungen. … Wir sind nicht nur mit dem Elan, sondern auch finanziell am Ende“ (Quelle: „Anker Nr. 9“).

Nach diesem vorübergehenden Stimmungstief machte die SPD weiter engagierte Kommunalpolitik:

Die Planungen zum Neubau der Hiltruper Kanalbrücke konkretisierten sich. Die SPD Hiltrup wiederholte im September 1979 ihre Forderung von 1976: Verkehrsentlastung der Marktallee und Erhaltung und Weiterentwicklung der Ortsmitte als Geschäftszentrum. Die SPD schlug vor, die Straße Osttor zwischen Kanal und Bahn Richtung Trauttmansdorffstraße zu verlängern (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 19).

Im September 1979 waren die Überlegungen für den Bau der A43 zwischen Münster und Gütersloh vom Tisch, der Bund hatte die Planung verworfen. Trotzdem hielt die CDU an dem Projekt fest. Sie betrieb gegen die SPD die Aufnahme des Ersatzprojekts B67n in den Bedarfsplan und schloss eine Trassenführung im Norden von Hiltrup nicht aus (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 20).

Im Dezember 1979 fasste der Vorstand des SPD-Ortsvereins Hiltrup einstimmig den Beschluss, das Gründungsmitglied von 1945, Joseph Stoffers, anlässlich des 55jährigen Parteijubiläums zum Ehrenvorsitzenden zu wählen. Am 25. Juli 1980 verstarb Josef Stoffers im Alter von 89 Jahren.

Zum 31.12.1979 kündigte die Gemeinde St. Clemens den Vertrag mit der Stadt über das Jugendheim Hiltrup-West, beendete die dort geleistete offene Jugendarbeit und schloss das Jugendheim (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 22 www.hiltrup.eu/index.php?s=file_download&id=31).

Frühjahr 1980: Für die neue Kanalbrücke werden Häuser an der Marktallee abgebrochen, u.a. die alte Villa Dalhoff (Restaurant „Wildsau“)

Frühjahr 1980: Die Villa Dalhoff an der Marktallee wird abgebrochen

Im Frühjahr 1980 wurden für die neue Kanalbrücke Häuser an der Marktallee abgebrochen, u.a. die alte Villa Dalhoff (Restaurant „Wildsau“).

Die SPD Hiltrup kritisierte die einseitige Berichterstattung der Westfälischen Nachrichten und vergab im April 1980 den „Journalistenpreis der CDU/CSU“ an den WN-Lokalredakteur Lambertz, als 2. Preis ging die „Verbogene Feder in Blech“ an den MZ-Redakteur ‚LOW‘ (Quelle: „Anker Nr. 14“).

Im April 1980 war das Jugendheim Hiltrup-West schon 8 Monaten geschlossen, das Jugendamt verhandelte mit dem Sozialdienst Katholischer Männer. Die Hiltruper Jusos öffneten jeden Dienstagabend das Jugendheim Hiltrup-West und riefen dazu auf, sich selbst zu organisieren (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 23).

Die Frauen in der SPD organisierten sich: am 24.4.1980 lud die stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende Christiane Eckardt zum Gesprächskreis „Sozialdemokratische Frauen im OV“ ein, um politische Handlungsmöglichkeiten zu besprechen (Quelle: „Anker Nr. 14“).

Die CDU verfolgte weiter das Vorhaben, eine Bundesstraße B67n zwischen Hiltrup und Münster zu planen und zu bauen. Die Hiltruper CDU wollte das Projekt in der Sitzung der Bezirksvertretung am 14.5.1980 nicht ablehnen und wählte eine vernebelnde Sprachregelung: „In Hiltrup nicht; sondern weiträumig um Münster herum.“. CDU-MdB Dr. Jahn aus Münster setzte im Verkehrsausschuss des Bundestages durch, dass das Projekt in die Dringlichkeitsstufe I aufgenommen wurde (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 23).

Die Behindertenorganisation Club 68, die nach dem Willen der CDU als Mieter in das Gebäude der Stadthalle einziehen sollte, lehnte im Sommer 1980 ab. Die Räume standen leer. Die Hiltruper SPD wiederholte ihre Forderung, z.B. die Stadtbücherei hier unterzubringen (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 23).

Im August 1980 fragte die SPD Hiltrup die Verwaltung nach Ursachen und Abhilfemöglichkeiten für die Verschmutzung des Emmerbachs: Mängel in Kanalisation und Kläranlagen aus „selbständiger Zeit“ der Gemeinden Amelsbüren und Hiltrup, die Zug um Zug behoben wurden (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 23).

Die SPD Hiltrup wandte sich zusammen mit den Anliegern dagegen, die Straße „An der Alten Kirche“ zur Durchfahrtsstraße auszubauen; die Verwaltung ließ daraufhin diesen von CDU und FDP unterstützten Plan fallen (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 25).

Im September 1980 wurde weiter heftig um die B67n gestritten. Der Hiltruper CDU-Ratsherr Dr. Tölle kündigte in einer Podiumsdiskussion der Bürgerinitiative gegen die B 67n an, „Bei der Ratsentscheidung werden von den 35 CDU-Mitgliedern die beiden Hiltruper umschwenken, und zusammen mit den 23 Sozialdemokraten, den fünf Liberalen und den vier Mitgliedern der GAL gegen die B67n stimmen. Den nur noch 33 Stimmen der CDU ständen dann 34 entgegen.“ (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 24). (Am 30.11.1983 beschloss die CDU-Mehrheit mit den Stimmen der Hiltruper CDU-Ratsherren Dr. Tölle und Reisener, entgegen dem Verkehrsgutachten die Hiltruper B67n-Trasse freizuhalten, die FDP enthielt sich.)

Die neue Hochbrücke zwischen Marktallee und Osttor über Bahn und Kanal wurde am 8.10.1980 für den Verkehr freigegeben. Der Verkehr wurde provisorisch um das alte Verwaltungsgebäude des Landwirtschaftsverlags herumgeführt werden, da der Ersatzbau noch nicht fertig war.

Die Hiltruper SPD pflegt die innerparteiliche Diskussion. Am 11.12.1980 verabschiedet sie eine Resolution an den SPD-Bundesvorstand und an die Bundestagsfraktion: „… Sorge zu tragen, daß in der Öffentlichkeit unser sozialdemokratisches, reformpolitisches und auf den demokratischen Sozialismus bezogenes Profil wiedergewonnen wird. Andernfalls würden nicht nur unsere Wahlchancen zusehends schwinden, sondern auch Bereitschaft und Engagement in politischer Basisarbeit …“.

Der Nato-Doppelbeschluss vom 12.12.1979 und die nachfolgende Umsetzung (Stationierung von amerikanischen Raketen in Deutschland) sorgten nach wie vor für Zündstoff. Am 27.3.1981 fasst der Parteitag des SPD-Unterbezirks Münster den Beschluss, den Krefelder Appell (Vorschlag einer einseitigen Abrüstung, getragen von DKP, DFU, Gewerkschaftern, Grünen) zu unterstützen. Daraus ergab sich ein Konflikt zwischen dem SPD-Unterbezirk Münster und Landes- sowie Bundespartei. Die münstersche SPD blieb bei ihrer Meinung: „…; der Vorstand war sich, unabhängig von der Bewertung des „Krefelder Appells“ darin einig, das Ansinnen des Parteivorstandes zurückzuweisen.“ (Quelle: Anker Nr. 24). Die SPD Hiltrup führte am 16.7.1981 eine Mitgliederversammlung zur Sicherheitspolitik mit Wolf-Michael Catenhusen durch (Einladung: „… Tatsache ist: Die große Mehrheit der Parteimitglieder schweigt. …“) (Quelle: Anker Nr. 25).

Die Hiltruper CDU präsentiert sich in dieser Zeit eher bigott:

CDU-Informationsfenster in Hiltrup (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 26, Juni 1981)

CDU-Informationsfenster in Hiltrup (aus Hiltrup heute und morgen Nr. 26, Juni 1981)

Im Laufe des Jahres 1982 verabschiedete die Hiltruper SPD noch eine Reihe von Resolutionen zu sozialpolitischen Themen: zur Taschengeldkürzung für Heimbewohner, gegen die Erhöhung der Instandsetzungspauschale im sozialen Wohnungsbau und zur Einführung des Babyjahrs in der Altersversorgung“:https://www.hiltrup.eu/index.php?s=file_download&id=555.

Entwurf des Bebauungsplans zur Bebauung des St. Clemens-Kirchplatzes (1982)

Entwurf des Bebauungsplans zur Bebauung des St. Clemens-Kirchplatzes (1982)

Im Juli 1982 legte die Verwaltung einen Bebauungsplan-Entwurf vor, der die Bebauung des Kirchplatzes von St. Clemens vorsah. Die SPD Hiltrup wandte sich dagegen und rief zu einer Postkartenaktion auf (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 28). Nach 463 Bürgereingaben änderte die Verwaltung daraufhin den Entwurf und verzichtete auf die Bebauung (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 29).

Der Radfahrer- und Fußgängertunnel am Bahnhof erwies sich als zu steil und zu eng (1982)

Tunnel am Hiltruper Bahnhof (1982)

Der Radfahrer- und Fußgängertunnel am Bahnhof, der im Zusammenhang mit dem Brückenbau entstanden war, erwies sich als zu steil und zu eng. Im Juli 1982 warnte die SPD Hiltrup vor Unfallgefahren: zu hohe Geschwindigkeiten wegen zu steiler Rampen, fehlende Übersicht, Fußgänger-Querverkehr, viel zu schmale Tunneldurchfahrt. (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 28). Ein krasser Planungsfehler, der auch durch den Einbau von Barrieren nicht beseitigt ist. (2016 ist ein Radweg über die Kanalbrücke realisiert worden; danach erfolgten weitere Veränderungen, im Zuge des Bahnhofsumbaus wurden Sperren teilweise beseitigt und ein Aufzug eingebaut.)

Die Hiltruper CDU in der Bezirksvertretung hatte für die Bemühungen der SPD um Verkehrssicherheit nur den abfälligen Kommentar „Verkehrsberuhigung kann auch zur Hysterie werden“. (Quelle: Hiltrup heute und morgen Nr. 36).

Hiltrup, Bahnhofsgebäude und Güterschuppen mit Glasurit-Industriegleis, im Hintergrund die neue Hochbrücke (um 1982; Foto: Henning Klare)

Hiltrup, Bahnhofsgebäude und Güterschuppen mit Glasurit-Industriegleis, im Hintergrund die neue Hochbrücke (um 1982; Foto: Henning Klare)

Das Bahnhofsumfeld verödete. Durch die Hochbrücke mit ihrer langen Rampe war es vom Verkehr abgeschnitten. Die letzten Geschäfte in den Schenckingschen Kolonaden (siehe Aufbau nach dem 2. Weltkrieg) wanderten ab, später wurden Güterschuppen, Industriegleis und Bahnhofsgebäude geschlossen.

(Dieser Artikel wurde zuletzt am 17.10.2023 aktualisiert.)

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