Wentrup 1886-1981
Wer Brot backen will, muss Korn mahlen. Hiltrup hatte Ende des 19. Jahrhunderts ein Problem: Die alte Windmühle im Himmelreich war altersschwach. Der Mühlenteich des Bauern Bornemann sollte für den Bau des Kanals beseitigt worden; die alte Wassermühle hatte ohnehin nicht genug Wasser, in Zukunft hatte sie überhaupt keinen Antrieb mehr. Bornemann überlegte zwar, sich eine Lokomobile als neuzeitlichen Antrieb zu kaufen, aber Josef Wentrup (1841-1915) war schneller.
Wentrup war Bauer, er kam von einem alten Hiltruper Hof. 1886 kaufte er am Hiltruper Bahnhof (heutige Adresse: Osttor 2) das kleine Sägewerk Krummacher. 1887 heiratete er, begann mit dem Bau einer Getreidemühle und nahm eine Lokomobile in Betrieb.
Kunde war zum Beispiel der Brennereibesitzer und Brauer Bäumer, Wirt der alten Gaststätte Dicke Weib. Wentrups Jahresrechnung vom 1.1.1890 listet Lieferungen von Getreide und Malz auf.
Der Betrieb lag verkehrsgünstig am Bahnhof und an der Landstraße nach Wolbeck, mit dem 1899 eröffneten Kanal kam ein weiterer Verkehrsweg hinzu.
1897 vergrößerte Wentrup die Getreidemühle an der Straße auf das Doppelte. Die Mühle rückte an das alte Fachwerk-Wohnhaus heran (ganz links im Bild), dahinter stand die Sägehalle. Sie belieferte zunächst den Bergbau des Ruhrgebiets mit Grubenholz.
Als Antrieb für Mühle und Sägewerk reichte eine Lokomobile nicht mehr aus, 1890 wurde eine stationäre Dampfmaschine in Betrieb genommen.
Der Betrieb florierte und wurde um den Holz- und Kohlenhandel erweitert.
Familie Wentrup wohnte zwar noch in dem kleinen alten Fachwerkhaus neben der Mühle, aber Sohn Josef Wentrup junior (1889-1929) präsentierte sich anspruchsvoll für das Foto.
Auch das Foto von 1915 vor dem Mühlengebäude dokumentiert den Aufstieg des Unternehmens: Man ist wer.
Nebenan kamen neue Betriebe hinzu: Südlich von Wentrup siedelten sich 1905 die Hiltruper Terrazzo- und Cementwaren-Werke F. M. Dalhoff an, 1910 die Soda-Fabrik H. Mittrop. Dalhoff wurde allerdings bald vertrieben, während des I. Weltkriegs wurde das Betriebsgelände als Lager für Artilleriemunition genutzt.
Josef Wentrup junior inszeniert sich um 1917 für das Foto auf dem Lager für Artilleriemunition. Im Nachhinein mutet die lässige Selbstinszenierung geradezu makaber an.
Josef Wentrup senior starb 1915, seine Witwe Klara und die Söhne Ludger und Josef führten den Betrieb weiter. 1921 bauten sie eine größere Sägehalle, jetzt wurde Bauholz produziert, neue Sägetechnik wurde angeschafft.
Auf dem Foto von Sägewerk und Mühle um 1930 (von Osten gesehen) ist noch ein Pferd im Einsatz beim Holzrücken.
An der Wolbecker Straße (heute: Osttor) steht 1930 noch das alte Fachwerk-Wohnhaus der Wentrups neben der Mühle. Ab 1924 führt hier Josef Wentrup und nach seinem Tod (1929) seine Schwester Johanna Wentrup die Geschäfte der 1883 gegründeten Hiltruper Spar- und Darlehnskasse.
Liebevoll ist das alte Haus im Bild festgehalten, bevor es 1932 durch Neubauten mit Geschäfts- und Wohnräumen ersetzt wurde.
Der Zeitungsbericht zum 50. Firmenjubiläum zeigt 1936 neben dem Mühlengebäude den Neubau von 1932 mit Geschäfts- und Wohnräumen (Münsterischer Anzeiger Nr. 277, 21.6.1936).
Der Blick in die Sägehalle zeigt um 1935 die einige Jahre vorher angeschaffte Sägetechnik. Bei starker Vergrößerung deutet sich im Hintergrund das Erscheinungsbild eines SA-Manns an.
Ludger Wentrup (1897-1969) erweiterte 1934 das Betriebsgelände durch den Kauf eines großen Lagerplatzes.
Damit bekam der Betrieb einen eigenen Eisenbahnanschluss und Zugang zum Kanalhafen, Holz kam mit Flößen aus Bayern und mit Binnenschiffen. Ludger Wentrup wurde 1938 zum Eintritt in die NSDAP gedrängt mit der Drohung, sonst die Holzlieferungen zu stoppen (Bericht von Ludger Wentrup jun.).
Während des II. Weltkriegs wurde der Betrieb mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern aus dem Lager Waldfrieden aufrecht erhalten. Einer von ihnen berichtet, sie hätten kleine Holzhäuser hergestellt für Soldaten, die verwundet oder als Invaliden aus dem Krieg zurückkehrten und deren Häuser durch Bombardierung zerstört worden waren.
Durch Bomben 1944 und weitere Kriegseinwirkungen lag der Betrieb vorübergehend still. 1949 konnte eine neue Sägehalle gebaut werden, 1956 wurde neue Sägetechnik mit Fernsteuerung in Betrieb genommen, ein Autokran ersetzte das Rückepferd. Ludger Wentrup junior (1927-2013) wurde 1959 Mitinhaber.
1961 wurde die Getreidemühle stillgelegt, sie war nicht mehr konkurrenzfähig. Die Verarbeitung von Tropenholz wurde aufgenommen. Das alte Inlandsholz-Sägewerk wurde 1968 stillgelegt, 1981 auch das Tropenholzwerk. Auf dem alten Holzlagerplatz entstand die Tennishalle Central, eröffnet am 1.10.1982.
Ludger Wentrup senior (CDU) war von 1959 bis zu seinem Tod 1969 Bürgermeister von Hiltrup.
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 22.09.2024)