Wer hat nicht Angst vor einem Wohnungseinbruch? Nach Hause kommen und alles ist durchwühlt und verwüstet, das ist schon keine gute Vorstellung; schlimmer noch der Gedanke, man wacht auf und vor dem Bett steht ein gewalttätiger Kerl, das Brecheisen in der Hand. So liegt es natürlich nahe, solche Befürchtungen für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. Die Musik dazu ist schnell gefunden: unfähiger SPD-Innenminister – hat der nicht auch Schuld an der Silvesternacht auf der Kölner Domplatte? – , ignorante Landesregierung, unter den Sozis wird alles schlimmer, nur die CDU kann helfen. Ist das so?
Manchmal macht es Sinn, selbst in die Statistik zu schauen. Die Kriminalstatistik für NRW ist schnell gefunden, Seite 116 befasst sich mit Einbrüchen. Auch die Statistik für Münster sucht man am besten bei der Polizei Münster und blättert vor auf Seite 10. Der erste Blick geht natürlich auf die Grafiken: wie viele Fälle, welche Entwicklung? Aber vorher sollte man doch ins Kleingedruckte schauen, und das hat es in sich. Da liest man nämlich, dass knapp die Hälfte aller Statistik-Fälle Versuche sind: die Terrassentür war gut gesichert, der Möchtegern-Einbrecher hat nur ein paar Kratzer hinterlassen und ist unverrichteter Dinge abgezogen. Das bedeutet nicht, dass die vollendeten Einbrüche weniger schrecklich sind, aber muss bei der Beurteilung der Größenordnung berücksichtigt werden. Und: allein diese Zahl macht deutlich, wie wichtig Prävention ist. Die Polizei kommt ins Haus und bietet kostenlos Beratung, wie man Türen und Fenster besser sichern kann: stabilere Fensterbeschläge, zusätzliche Schlösser, man kann schon selbst für mehr Sicherheit sorgen.
Schaut man sich die Statistik jetzt näher an, fragt man sich schnell, auf welchen Zeitraum es ankommt. Will man langfristige Entwicklungen beurteilen, müssen die Zahlenreihen entsprechend weit zurück reichen. Deshalb sind in dieser Grafik die Kriminalstatistiken verschiedener Berichtszeiträume zusammengeführt, dargestellt ist hier die Entwicklung ab 2001. Nimmt man das Jahr 2001 als Ausgangspunkt, dann sind die Einbruchszahlen von dieser Basis bis zum Jahr 2016 um knapp 12% angestiegen – eine durchaus überraschende Feststellung vor dem Hintergrund der Berichterstattung der Medien, die in den letzten Jahren von einem krassen Anstieg der Einbruchszahlen berichtet haben.
In dieser Betrachtung ist die aktuelle Entwicklung des Jahres 2017 noch nicht enthalten. Laut Mitteilung des Innenministers NRW gab es in den ersten drei Monaten des Jahres 2017 mit 14.422 Fällen über 30 Prozent weniger Einbrüche als im selben Zeitraum des Vorjahres, 2016 hatte es von Januar bis März 20.746 Fälle gegeben. Falls sich diese Entwicklung des ersten Quartals im gesamten Jahr 2017 fortsetzen sollte, würde die Einbruchskriminalität 2017 möglicherweise noch unter dem Niveau des Jahres 2001 liegen!
Eine zweite Erkenntnis ist dann, dass die Einbruchskriminalität nicht einfach ununterbrochen angestiegen ist. Zunächst sind die Einbruchszahlen von 2001 bis 2005 kontinuierlich zurückgegangen. Will man diese Entwicklung durch die politische Brille betrachten, so könnte man plakativ sagen: die positive Entwicklung endete mit dem Amtsantritt der schwarz-gelben Landesregierung im Jahr 2005, seitdem gab es mit einem FDP-Innenminister wieder mehr Einbrüche. Bis zum Ende ihrer Amtszeit 2010 verkleinerte NRW die Polizei im Vergleich zum Jahr 1998 um 7%, erst ab 2011 wurden wieder mehr Polizisten eingestellt als pensioniert.
Diese oberflächliche Betrachtung kann nicht im einzelnen auf die Ursachen der Veränderungen eingehen. Der Innenminister verweist zum Beispiel auf verstärkte Aktivitäten der Polizei einerseits und verbesserte Sicherung der Wohnungen andererseits. Die kurze Darstellung belegt aber durchaus eins: die Sicherheitslage in NRW ist nicht dazu geeignet, im politischen Tagesgeschäft, insbesondere im Wahlkampf seriös schwerwiegende Vorwürfe zu erheben.
(Zur Entwicklung in der Folgezeit siehe Wie ist das jetzt…)