Straßenbau und Ideologie: das geht nicht gut

Straßenschaden (3.5.2017; Foto: Klare)
Straßenschaden (3.5.2017; Foto: Klare)

„Privat vor Staat“ pleite

Das Bundesverkehrsministerium ist seit Jahrzehnten ein Tummelplatz der Ideologen. Fachleute hatten es da immer schwer. Ganz ärgerlich spüren das gerade die Pendler, die vor gesperrten Brücken stehen. Denn eine Straßenbrücke geht nicht einfach so kaputt; sie leidet unter zu hohen wechselnden Belastungen durch den Verkehr, sie quält sich unter den 44-Tonnen-Lastzügen – und für solche Lasten ist sie häufig gar nicht gebaut. Vor dem II. Weltkrieg durften LKW höchstens 14 Tonnen wiegen, bis 1965 durften es 32 Tonnen sein, bis 1990 waren es 38 Tonnen. Dann kamen die EWG und die EG, und auf dem Flur im Bundesverkehrsministerium erzählt man sich heute noch die weitere Geschichte: die Fachleute warnten, dass Straßen und Brücken noch höhere Lasten nicht aushalten, und Kanzler Kohl setzte sich aus politischen Gründen über den Sachverstand hinweg. Und was macht so eine Brücke dann? Sie geht in die Knie.

Die Maut ist ein Thema mit ähnlichen Problemen. Die CSU aus Bayern wollte Ausländer abkassieren, das nennt man eigentlich Ausländerfeindlichkeit. Der Knüppel sollte die PKW-Maut sein, Dobrindt musste Seehofers Willen in der Bundesregierung durchboxen. Das Ergebnis ist jämmerlich, hohe Kosten stehen geringem Ertrag und großem Ärger mit den Nachbarländern gegenüber. Wie ja auch die LKW-Maut an erster Stelle ein Projekt der Wirtschaftsförderung war: jedes Jahr kassiert die Betreiberfirma Toll Collect für den Betrieb des Mautsystems, Betrugsvorwürfe standen im Raum.

Jetzt ist ein weiteres Ideologie-Projekt des Bundesverkehrsministeriums kläglich gestrandet. Privat vor Staat hieß die Kampfparole der FDP, und wer sich als Politiker profilieren wollte, setzte auf Privatisierung. „Die Privaten“ können alles besser und schneller, etliche Politiker waren geradezu besoffen von diesem Slogan. Dass öffentliche Verwaltung kompetent und sparsam sein kann, dass Private höhere Zinsen für Kredite zahlen müssen als der Staat, dem Shareholder-Value verpflichtet sind und nicht zaubern können – niemand wollte es hören. Der Bundesrechnungshof warnte, aber niemand wollte es hören. Nun lesen wir, dass eins der ersten großen Privatisierungsprojekte, die Autobahn 1 zwischen Bremen und Hamburg pleite ist: die Betreiber wollen mal eben 640 Millionen Euro Nachschlag vom Bundesverkehrsminister. Dobrindts Nachfolger wird also zwischen Pest und Cholera wählen dürfen: entweder zahlt er – freiwillig oder vom Gericht gezwungen -, oder der laufende Betrieb der Autobahn bricht zusammen.

Das muss man sich mal klar machen: über Jahrzehnte sollte der private Betreiber auch die Verschleißreparaturen finanzieren, also den verschlissenen Asphalt auf den Fahrbahnen regelmäßig erneuern, Löcher flicken, die Gullis für das Regenwasser offen halten, das Grünzeug rund um die Autobahn kurz halten, kaputte Leitplanken erneuern, im Winter Schnee schieben und Salz streuen. Dobrindts Nachfolger kann das schwere Erpressung nennen, aber ihm wird nichts anderes übrig bleiben als: zahlen. Denn entweder wirft er der britischen Kapitalanlagegesellschaft, die an dem Projekt verdient, das Geld in den Rachen. Oder er beauftragt und bezahlt die niedersächsische Straßenbauverwaltung: Verwaltung, übernehmen Sie!

Politischer Totalschaden für die Privatisierungsfans? Man wird sehen. Starke Interessen sind betroffen, Bauindustrie und Finanzwirtschaft sehen hier ein lukratives Geschäftsfeld, und Vorzeigeprojekte lässt man nicht so schnell sterben. Die Vermutung liegt nahe, dass man das Thema diskret auf die Zeit nach der Bundestagswahl schiebt; danach kann der nächste Finanzminister das Ding retten, mit Steuermitteln natürlich. Und der Herr Lindner von der Privatisierungspartei, der trommelt schon wieder ganz fröhlich, dass jetzt Wirtschaftspolitik möglich sei. Was das heißt: siehe oben!