Nordrhein-Westfalen marschiert an der Spitze des Fortschritts. Das war schon immer so, das ist auch bei der Corona-Bekämpfung so. Erzählt uns der stellvertretende Regierungschef des Landes. Der ist von der FDP, die bekanntlich wenig hält von Beschränkungen und viel von Lockerungen. Stamp betreibt Merkel-Bashing im Interview mit dem WDR, Merkel ist schuld an dem missglückten Ostern-Lockdown, für den sich merkwürdigerweise auch Stamps Chef Laschet entschuldigt. Vor allem aber setzt Stamp aufs Testen. Rein in die Nasen mit den Wattestäbchen und hoch die Ladentür!
Wenn es doch nur wahr wäre. Das Testcenter Hiltrup bietet am frühen Dienstagmorgen noch einen einzigen Termin vor Ostern an, und der ist wahrscheinlich schon wieder weg, während dieser Text geschrieben wird. Getestet wird im 3-Minuten-Takt. Kurze Rechnung über den dicken Daumen: Wenn sich täglich 10 Prozent von rund 25000 Hiltrupern testen lassen, braucht man dafür 7500 Minuten Testzeit, also 125 Arbeitsstunden. Täglich. Noch irgendwelche Fragen, Herr Stamp? Oder vielleicht eine Frage an Herrn Stamp: Warum darf die Grundschule in Münster nicht weiter testen? Weil das Herrn Stamp zu teuer ist?
Aber wir brauchen die Tests doch gar nicht, weil wir alle geimpft werden? Oh je, Herr Stamp, da sieht NRW schlecht aus. Unter 80? Keine Chance. Wer sich auf Wir in NRW durchklickt, findet vielleicht einen kleinen Link. Folgt man dem Link (und einigen weiteren), landet man hier:
Das sieht anders aus, wenn man nicht in Nordrhein-Westfalen wohnt. In Baden-Württemberg kann man landesweit und online checken, welches Impfzentrum einen Termin frei hat – auch für Menschen unter 80. So hat der 73jährige in Baden-Württemberg die erste Impfung schon vor Ostern „drin“, während sein älterer Verwandter in NRW nur „Derzeit keine Onlinebuchung“ zu lesen bekommt.
Könnte es sein, dass all die bunten Wir-in-NRW-Reklameseiten im Internet nur darüber hinwegtäuschen wollen, dass Schwarz-Gelb in NRW es nicht gebacken bekommt?
Aber es wird nach Ostern alles besser, wenn die Hausärzte selber impfen dürfen? Was man bisher von den Hausärzten hört, kann nicht beruhigen. Denn das Impfen der Hausärzte wird streng reglementiert sein, nur besondere Risikopatienten werden sich in der Praxis um die Ecke den Schutz abholen können. Hausärzte telefonieren schon jetzt ihre Patienten ab, um diese Impfungen zu organisieren: Impfstoff muss angefordert werden, dafür muss die Zahl der Patienten eingeschätzt werden, die unter den engen Voraussetzungen dafür in Frage kommen.
Und es ist nicht so, dass diese Patienten sich um die Impfung reißen. Es ist ein frustrierendes Geschäft, wenn der Hausarzt in zeitraubenden Gesprächen mit unendlichen Bedenken konfrontiert wird: Lieber erst mal abwarten, vielleicht ist der Impfstoff doch nicht gut, all die Vorbehalte, die durch Medienberichte über einzelne Impfstoffe und eine allgemeine Impfskepsis geschürt worden sind. Da werden die Hausärzte nicht „auf Vorrat“ Impfstoff anfordern, der nach kurzer Zeit im Praxis-Kühlschrank zu verfallen droht.