VorLeseClub las Zweideutiges
Ein windiger Vagabund war das doch, den Homer uns vor mehr als 2500 Jahren beschrieb: Odysseus ließ keine Gelegenheit aus, Leichtsinn und Verantwortungslosigkeit zu zelebrieren. Dabei gab er auch noch an, dass man es kaum aushalten konnte. Wenn seine Gefährten auch drauf gingen, er dachte an seinen Ruhm. Und – recht erfolgreich – an den Nachruhm. Heute noch verfolgen wir seine Spuren, überall Mord und Brand. In Nahaufnahme schildert Homer das Spektakel, kaum ein Detail lässt er aus. Da spritzt das Hirn, da kotzt der Polyphem, dass man nicht hinsehen mag. Ein recht grobes Comic also, das der VorLeseClub am 19.6.2024 im Hiltruper Museum vorstellte. Denn literarisch ist dieser grobe Klotz das reinste Vergnügen, und er passte genau in das neue Programm des VorLeseClubs „Mein Name ist – Schall und Rauch?“ Von Polyphem, dem Geblendeten, steigt nämlich Rauch auf, angesengt sind ihm Lider und Brauen von dem glühenden Pfahl, den ihm Odysseus ins Aug‘ rammt. Der Schall ist nicht zu überhören, so schreit der Arme, und man macht sich auch noch lustig über ihn.
Odysseus gibt sich den Namen „Niemand“. Täuschende Zweideutigkeit ist angesagt, das zieht sich durch all die Namens-Literatur. Schall und Rauch sind sie dem einen, Tucholsky bringt es auf den Punkt. Andere kämpfen um das winzige Kürzel „von“ im Namen. Wer heute diesen Ehrgeiz hat, muss adlig heiraten oder schwindeln. Damit ist man schon beim höchst zweideutigen Thema der Fälschung. Retten kann sie vor Verfolgung, die Geschichte ist voll von höchst ehrenwerten Passfälschern und ihren kriminellen Gesellen. Aber zuweilen ist es nur die Unachtsamkeit, das nicht genaue Hinsehen bringt dem seriösen Text die Verfälschung.
Eine gute Stunde lang ließen die Vorleserinnen und Vorleser solche Facetten aufleuchten, das Publikum im Hiltruper Museum war’s zufrieden. Am Mittwoch, 26.6.2024, 19.30h ist das Programm noch einmal zu hören in der Friedenskirche, Zum Erlenbusch 15.