Modernisierung des Strafverfahrens kommt
Only bad news are good news – spektakuläre Verbrechen prägen unseren Medienkonsum. Häufig wird von „der Politik“ eine Reaktion erwartet, und allzu oft besteht diese aus dem Ruf nach schärferen Gesetzen. Das geltende Strafrecht reicht aber fast immer völlig aus, um auch die schwersten Verbrechen angemessen zu ahnden. Seine Wirksamkeit hängt davon ab, dass Verbrechen zügig aufgeklärt und abgeurteilt werden. Wenn die polizeilichen und gerichtlichen Verfahren zu lange dauern, verletzt das sowohl die Rechte der Opfer und der Täter als auch das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger.
Bund und Länder haben deshalb Anfang 2019 einen Pakt für den Rechtsstaat geschlossen. Darin verpflichten sie sich, in ihren jeweiligen Zuständigkeiten eine Reihe von Verbesserungen zu schaffen. Das Bundeskabinett hat für den durch Bundesrecht zu regelnden Bereich am 23.10.2019 das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“ beschlossen. Das Gesetz enthält wichtige Regelungen für ein modernes Strafverfahren und zur Beschleunigung von Strafprozessen, ohne dabei Beschuldigtenrechte zu beeinträchtigen.
Bei Strafprozessen mit vielen Geschädigten können Gerichte künftig Nebenklägern einen gemeinschaftlichen Anwalt beiordnen, wenn die Nebenkläger gleichartige Interessen haben. Die Möglichkeiten, zur Prozessverzögerung missbräuchliche Befangenheitsanträge oder Beweisanträge zu stellen, werden deutlich eingeschränkt.
Um jungen Richterinnen und Richtern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, werden die Fristen zur Unterbrechung der Hauptverhandlung mit den Schutzfristen des Mutterschutzes und der Elternzeit harmonisiert.
Allen Verfahrensbeteiligten ist künftig die Gesichtsverschleierung vor Gericht verboten, es sei denn, die Gesichtsverdeckung ist aus Gründen des Zeugenschutzes notwendig.
Weil leider Opfer von Sexualstraftaten zu oft ihre zunächst gemachten Aussagen im Strafprozess unter dem Druck des Täters zurücknehmen oder schweigen, muss bei Sexualstraftaten die Vernehmung auf Video aufgezeichnet werden, es sei denn das Opfer stimmt dem vor der Aufzeichnung nicht zu. Wenn das Opfer nach der Videoaufnahme der Ersetzung seiner Aussage durch die Videoaufnahme im Prozess nicht widerspricht, kann das Video in der Hauptverhandlung die Opferaussage ersetzen.
Der Polizei soll die Möglichkeit bekommen, die aus DNA-Spuren gewinnbaren Informationen zu Haarfarbe, Augenfarbe und Hautfarbe sowie Alter für ihre Ermittlungen zu verwenden. Wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit Aussagen über diese körperlichen Merkmale getroffen werden können, kann die Polizei durch dieses „genetische Phantombild“ die Ermittlungen auf einen bestimmten Personenkreis konzentrieren.
Diese Gesetzesänderungen sind ein Teilschritt, um moderne und zügige Strafverfahren zu gewährleisten. Entscheidend ist, dass der Pakt für den Rechtsstaat zwischen Bund und Ländern umgesetzt wird und die hier vereinbarten 2.000 zusätzlichen Richter und Staatsanwälte tatsächlich von den Ländern eingestellt werden.