Von Cernay nach Eguisheim
(Fortsetzung von Rad-Reisen: Lothringen VII)
Es ist heiß an diesem Tag, und es gibt drei Möglichkeiten, von Cernay zum Tagesziel Eguisheim zu kommen. Die schönste Variante ist die Radtour direkt am Fuß der Vogesen, in stetigem Auf und Ab durch die Weindörfer. Die öde Variante ist die Fahrt durch die Maisfelder in der Ebene. Mit Blick auf das Thermometer und die geplante Besichtigung von Eguisheim fällt die Entscheidung zugunsten der dritten Variante: Fahrt mit dem Rad bis Staffelfelden, Weiterfahrt mit der Bahn bis Herrlisheim und die letzten Kilometer wieder mit dem Rad.
Der Radweg von Cernay nach Staffelfelden folgt abseits des Straßenverkehrs dem Flüsschen Thur. Der Bahnhof in Staffelfelden brütet verlassen in der Sonne, und der Fahrplan ist sparsam. Drei Züge fahren am Samstag Richtung Colmar, morgens, mittags und abends je einer. Eine Stunde Wartezeit lässt sich noch verschmerzen, und auch der Kampf mit dem Ticketautomaten wird schließlich bestanden (er ist ausgesprochen wählerisch bei der Kartenakzeptanz).
Die Wartezeit lässt sich auf einer Wiese am Flussufer angenehm verbringen. In der Luft sind die Störche unterwegs, gleich drei Schwärme fliegen gleichzeitig hin und her; gegen die Sonne verschwinden die Silhouetten, und bei der nächsten Wendung flammen sie hell im Sonnenlicht auf.
Der Bahnsteig ist wie an so vielen Bahnhöfen nur über eine steile Treppe zu erreichen, aber immerhin kostet die Mitnahme des Fahrrads nichts, und der moderne Zug hat gut Platz. Wenige Mitreisende nutzen den Zug; wer hier wohnt, fährt Auto. Im Zug werden konsequent Masken getragen, das war auf dieser Radtour durchaus nicht überall so.
Vom Bahnhof Herrlisheim nach Eguisheim sind es nur wenige Kilometer, aber sie bestätigen die Entscheidung für den Zug: In der Ebene steht die glühende Hitze, sie macht die Fahrt auf der belebten Autostraße nicht angenehmer.
In Eguisheim ist ein Appartment reserviert, und am Nachmittag macht man sich als Fußtourist auf den Weg. Der Ort ist gleichzeitig authentisch und touristisch, das macht seinen Reiz aus.
An St. Peter und Paul hat sich wildes Grün angesiedelt, …
…, innen strahlt die Vierge ouvrante aus dem 14. Jahrhundert.
Die weitestgehend erhaltenen Häuser haben Puppenstuben-Charme und sind gleichzeitig normaler Alltag.
Die St.-Leo-Kapelle neben der Burg und der Brunnen in der Ortsmitte sind dem Ortsheiligen gewidmet, Bruno von Egisheim-Dagsburg aus Eguisheim wurde im 11. Jahrhunder als Leo IX. Papst.
Unübersehbar und unüberhörbar sind überall die Störche.
Sie hocken einzeln in den Nestern auf den Häusern …
… oder gleich zu mehreren in einer Reihe, ihre Spuren sind unübersehbar.
Aber auch die klassischen Touristenvögel fehlen nicht, Spatzen suchen überall nach den Krümeln.
Der Ort lebt nicht nur vom Tourismus. Am Rand der Vogesen bestimmt Weinbau das Bild, und die Winzer präsentieren sich in Eguisheim (wie in anderen Weinorten) mit ihren Probierstuben. Gewürztraminer war früher die bestimmende Traubensorte im Elsass, er ist auch heute in verschiedenen Ausbaustufen eine Verkostung wert; in der Menge ist er überholt worden von Riesling und Pinot gris, der hier relativ süß und „schwer“ ausfällt, auch für den Crémant gibt es Auszeichnungen.
Macht man sich am Abend auf den Heimweg nach dem Essen, lässt der Ort noch einmal seine Fassaden strahlen.
Ja, Eguisheim ist touristisch und auch ein wenig kitschig. Aber die bunten Bilder wirken nicht aufgesetzt, es ist echtes Leben hinter den Fassaden. Touristen bekommen viel geboten für Augen und Mund, und wenn noch etwas mehr Zeit gewesen wäre, hätte man sich den Isenheimer Altar in Colmar noch einmal ansehen können. Wenn die Croissants der Boulangerie Pâtisserie Marx nicht so trocken gewesen wären, wären wir grenzenlos begeistert…
In Eguisheim hat diese Radtour ihren Abschluss gefunden. Sie hat in einer Woche das stille Lothringen erkundet und im Elsass die touristische Alternative. Wer bis hierhin auf dem Rad durchgehalten hat – man braucht auch bei normaler Kondition keinen Elektromotor dafür -, kommt problemlos mit Nahverkehrszügen über Colmar / Straßburg nach Hause.