Von Le Thillot nach Champagney
(Fortsetzung von Rad-Reisen: Lothringen V)
Von Le Thillot westlich der Vogesen muss ein Weg ins Elsass gefunden werden, um dort die Radtour zu beenden. Obendrüber oder unten herum ist die Frage: Weiter das Moseltal aufwärts fahren auf der ehemaligen Bahntrasse, auf der Nationalstraße weiter bis Fellering und dann auf einer anderen Bahntrasse nach Cernay herunter? Die Aussicht auf den Anstieg auf 727 Meter in Hitze und Verkehr ist nicht verlockend. Die Alternative ist gleich hinter Le Thillot der Col des Croix mit 678 Metern, am Vormittag vor der großen Hitze noch ganz gut zu schaffen, und die D486 verspricht freie Fahrt für Radfahrer.
Der Anstieg um ungefähr 200 Meter auf den Pass ist nach 3 Kilometern erledigt, es ist ein Treffpunkt für Rennradfahrer; sie sind hauptsächlich auf der kreuzenden D16 / D57 unterwegs, die als Höhenstraße parallel zum Moseltal verläuft.
Am Bistro macht eine Gruppe von Waldarbeitern ausgiebig Pause, einzelne Touristen essen Pommes frites, für Radwanderer mit Gepäck gibt es Wasser und Kaffee.
Die Abfahrt auf der D486 Richtung Mélisey ist ein Genuss. Die Straße ist eben und hat bis Mélisey ein gleichmäßiges Gefälle von ungefähr 350 Höhenmeten, es sind kaum Autos unterwegs, kilometerlang kann man das Rad einfach rollen lassen.
In Servance-Miellin ist an der Kirche Gelegenheit für eine kurze Pause. Der große Parkplatz neben der Kirche (wer soll hier eigentlich parken?) ist glühend heiß, ein Baum gibt Schatten, und in der Kirche aus dem 17. Jahrhundert ist es kühl und still. Im Sonnenlicht strahlen fröhlich die bunten Fenster, das Retabel ist mit geschnitzten Weintrauben verziert, …
…, und beim Herausgehen fällt der Blick auf ein frommes Ölbild. Bei der Weiterfahrt kommt man an einem auffälligen Rathaus vorbei, zumindest auf den ersten Blick überdimensioniert für das Örtchen von 800 Einwohnern.
Das Tal weitet sich, mit leichtem Gefälle erreicht man in aller Ruhe Mélisey. Nördlich von Mélisey liegt das Plateau des Mille Étangs mit einem – nach dem Internetauftritt zu schließen – reizvollen Campingplatz, aber an diesem Tag sind noch einige Fahrtkilometer in Richtung Belfort / Elsass geplant. Passend liegt der Campingplatz am Bassin de Champagney. Die Internetseite verspricht eine „Sanitärausstattung ohne großen Komfort“, die Bewertungen lesen sich abenteuerlich – mal sehen.
Bis auf ein kurzes Stück auf der D619 vor Ronchamp ist die hügelige Strecke angenehm zu fahren. In Ronchamp wird die D619 verlassen: Im Ort geradeaus weiter parallel zur Bahn, es ist nicht die feinste Ecke, vom Landfahrer-Platz grüßt freundlich ein Kind.
Dann hilft Google weiter; wo die Straße unter der Bahn durch und über den Berg will, führt ein Trampelpfad an der Bahn entlang. Über Stock und Stein folgt er durch den Wald der Bahn, es ist die ultimative Abkürzung. Im Supermarkt von Champagney wird eingekauft, wenige Kilometer geht es noch einmal über den Berg (die Eisenbahn fährt darunter im Tunnel) zum Bassin de Champagney.
Die Ankündigung „ohne großen Komfort“ bestätigt sich auf einen Blick. An der Einfahrt zum Campingplatz ein kleines geschlossenes Büdchen und eine Mülltonne, ein langgezogener Feldweg am Ufer des Staubeckens entlang. Es ist ein Wasserreservoir für den Canal de la Haute-Saône, der Ende des 19. Jahrhunderts begonnen und nicht fertiggestellt wurde. Zwischen Feldweg und Staubecken haben sich Dauercamper dicht an dicht angesiedelt, auf der anderen Seite des Feldwegs und in kleinen Waldstücken stehen die Touristen. Die Ausstattung besteht aus ein paar Wasserhähnen (besser nicht trinken!), einer offenen Dusche mit kaltem Wasser und wenigen Toiletten hinter grob zusammengeschweißten Blechtüren; jeder Besuch wird mit Geschepper verkündet.
Nun ja, es ist später Nachmittag – über diese Nacht kommt man auch ohne „großen Komfort“. Die Dauercamper helfen mit Rat: Ja, der Patron ist der mit der Motorsäge, die man im Hintergrund hört; vielleicht kommt er noch vorbei und kassiert, vielleicht auch nicht. 0,90€ für das Zelt, 2,00€ pro Erwachsenen ist der Tarif, wenn er kommt. An dieser und jener Stelle solle man besser kein Zelt aufstellen, der Untergrund sei feucht und der Baum darüber könne umfallen.
Ein kommunikatives Völkchen sind auch die Touristen, die teilweise schon Wochen hier sind, teure Wohnmobile sieht man über den Weg rumpeln. Man grüßt sich freundlich, als Radwanderer ohne Elektromotor und mit Gepäck und Zelt wird man angesprochen; bald kennt man auch den Alten, der im Viertelstundentakt verschmitzt lächelnd mit Rad und Packtaschen hin und her fährt und den Nachschub für eine Grillparty transportiert.
Der Wetterbericht nimmt seine Gewitterankündigung zurück, man kann sich nach 49 Hitze-Kilometern in Ruhe schlafen legen. Warum nicht auch auf dem Camping La Louvière.
Fortsetzung: Von Champagney bis Cernay.