Von Mittersheim nach Baccarat
(Fortsetzung von Rad-Reisen: Lothringen II)
Die Dorfjugend machte Lärm auf dem Campingplatz, die erste Nacht im Zelt auf der ultraleichten Luftmatratze war gewöhnungsbedürftig, und es gibt keinen Brötchenservice auf dem Campingplatz. Nach einer Tasse Kaffee wird aufgepackt und im Dorf erst einmal eingekauft: Croissants fürs Frühstück und Rosinenschnecken als Reiseproviant. Am Dorfrand ist eine neue Marina für die Touristenboote, hier stehen Tische und Bänke. Am Wasserhahn werden die Wasserflaschen aufgefüllt, es soll warm werden.
Auf dem asphaltierten Treidelpfad geht es weiter am Kanal entlang, in kurzen Abständen folgen die Schleusen aufeinander.
Gepflegte Gärtchen an den ehemaligen Schleusenwärter-Häuschen wirken fast wie eine Spielzeug-Landschaft. Die Schleusenwärter sind ersetzt, die weißen Kunststoffboote fordern die Schleusung über moderne Signaltechnik an.
Der Kanal verläuft zunächst durch Feld und Wald, dann mitten durch den Étang du Stock und am Étang du Gondrexange entlang. Es ist ein merkwürdiges Bild, zeitweise fährt man auf dem Kanaldamm mitten durchs Wasser. Der Étang de Gondrexange wurde im 14. Jahrhundert von Mönchen angestaut, um Fische für das christliche Freitagsessen zu züchten. Seit dem 19. Jahrhundert dient der See als Wasserreservoir für den Canal des Houillères; in trockenen Sommern wird Wasser aus dem See in den Kanal gepumpt, um ihn schiffbar zu halten.
Einsam ist es hier, da traut sich auch mal ein Wiesel über den Weg oder auch ein kleine schwarz glänzende Schlange; schnell verschwindet sie im Gras am Wegrand.
Bei Gondrexange stößt der Canal des Houillères auf den Canal de la Marne au Rhin, große Schilder weisen die Richtung nach Straßburg oder Nancy. Hier wartet eine Überraschung auf die Radwanderer. Der in der analogen Karte verzeichnete Treidelpfad nach Gondrexange ist auf ihrer Seite zugewachsen, eine Brücke mit steilen Treppenaufgängen leitet auf die andere Seite.
Am Abzweig nach Nancy weitet sich der Kanal, Bänke laden zu einer Pause ein. Still ist es hier, nur ein Auto der Kanalverwaltung fährt vorbei; nach einiger Zeit tauchen zwei Radtouristen auf, die ihren Hund im Anhänger ziehen.
Die Radroute folgt noch einige Kilometer dem Kanal bis zur Grand Écluse, der großen Schleuse bei Réchicourt-le-Château. Hier endet das Pays des Étangs.
Der Weg zum Tagesziel Baccarat verlässt den Kanal, die aufgegebene Industriesiedlung Bataville und weiter nördlich das „Salzland“ Saulnois bleiben rechter Hand zurück. Durch einen Park und über Felder geht es Richtung Réchicourt-le-Château, die Landschaft wechselt, es wird hügelig.
Das Schlösschen in Réchicourt-le-Château rottete bei einem Besuch im Jahr 2019 vor sich hin, 2021 erspart man sich den traurigen Anblick und fährt zügig Richtung Igney.
Hinter der Bahnlinie entlang steigt das schmale Sträßchen nach Igney, hier gibt es auch Ackerbau.
Wegekreuze sind nicht oft zu finden. Von der Höhe sieht man im Osten die Vogesen liegen.
Über kleinste Nebenstraßen geht es weiter, nicht breiter als ein Feldweg und fast ohne Verkehr:
Autrepierre („ein anderer Peter“), St-Martin, …
…, Vaxainville, Gélacourt, ein ständiges Auf und Ab bis zum Camping du Cristal in Baccarat am Ufer der Meurthe. 70 anstrengende Kilometer sind gefahren, der Platz ist freundlich, klein und still, die Sanitäranlagen ordentlich, und die Zutaten fürs Abendessen gibt es nicht weit im Supermarkt.
Fortsetzung: Von Baccarat bis Bruyères.