Von Riquewihr nach Obernai
(Fortsetzung von Rad-Reisen: Elsass IV)
Der Tag beginnt mit der Minimalversorgung, Croissants und Gebäck aus dem Campingplatz-Verkauf und Kaffee. Bei Beblenheim geht es zurück auf den Eurovelo 5, leicht hügelig durch Weinberge und Felder parallel zu den Vogesen nach Norden.
Das Weindorf Bergheim ist ausgezeichnet als eins der schönsten Dörfer Frankreichs mit doppelter Stadtmauer und Wehrtürmen.
Bei Bergheim kommt die Hohkönigsburg hoch auf den Vogesen in Sicht. Die Burg stammt aus dem 12. Jahrhundert, der deutsche Kaiser hatte die Ruine Anfang des 20. Jahrhunderts geschenkt bekommen und auf Kosten von Elsass-Lothringen restaurieren lassen; heute ist sie ein Touristenmagnet.
Der Eurovelo 5 führt parallel zu den Vogesen durch die Weinlagen – eine weite Landschaft mit dem ständigen Panoramablick auf die Vogesen.
Sonne und Panorama, eine wunderbare Radwanderung. Wenn nur der Wein nicht so furchtbar nach Chemie stinken würde…
Ein Stopp an einer Wegekreuzung bei Saint-Hippolyte. Nach Südosten der Blick in die weite Ebene, …
…, gegenüber hat die Gemeinde ein massives Rasthäuschen gebaut.
Das Pestkreuz geht daneben fast unter.
Aber die Menschen der Region haben ein langes Gedächtnis: 1628 errichtet, haben die Schweden es im Dreißigjährigen Krieg zerstört, 1704 wurde es wieder hergestellt.
Der Eurovelo 5 umgeht Sélestat in einem Bogen. Ein kurzer Halt in Châtenois, es ist heiß, hier werden Getränke eingekauft. Eigentlich wäre ein Kaffee fällig, vielleicht in Scherwiller? Klein und nett ist Scherwiller, wer will, findet hier auch einen Mini-Campingplatz, nur ein Café für einen Café au lait gibt’s hier nicht.
So ist es auch in anderen Örtchen. Freundlich anzusehen, überall Winzer, nur kein Café.
Das Haus neben dem Brunnen von Blienschwiller gibt Schatten für eine Pause. Zwei alte Damen kommen vorbei, eine schiebt die andere im Rollstuhl. Sie füllen ihre Wasserflasche am Brunnen und trinken; dann ein Blick auf den Brunnen: „Non potable“ – Die Warnung stört sie nicht, es wird nicht das erste Mal gewesen sein.
Nothalten heißt der nächste Ort, dann geht es hoch nach Itterswiller.
Hier bietet die Winstub Arnold endlich die Gelegenheit, im Schatten auszuruhen und etwas zu trinken. Itterswiller liegt hoch über der Ebene, von der Winstub aus blickt man weit ins Land. Scharen von Radwanderern versammeln sich hier, viele mit Elektro-Antrieb. Am Haus weist die Steinskulptur auf Geschichte des Ortes hin: An römischer Heerstraße gelegen, Kirche aus dem 12. Jahrhundert, und an der Route du vin verbirgt sich die frühere Synagoge unter der Fassade eines Wohnhauses. Nett ist der Ort, nein das Örtchen, es hat nur gut 200 Einwohner.
Am Ortsrand biegt der Eurovelo 5 von der Hauptstraße ab, und jetzt geht’s hoch. Selbst die Elektro-Radler kommen nur langsam voran, und die Radwanderer ohne Hilfsmotor kommen ordentlich ins Keuchen. Keine Warnung gibt es auf der Bikeline-Karte, das ist ein Mangel: Fuhr man früher nach den normalen Michelin-Autokarten, wurden Steigungen mit unterschiedlich vielen Pfeilen klassifiziert, man konnte entsprechend planen.
Auf der anderen Seite des Hügels wartet eine schöne Abfahrt, zwischen zwei Wegen nach Barr kann man wählen.
Der Campingplatz am Ortsrand von Obernai ist das Tagesziel nach 52 Kilometern. Erinnerungen werden wach, genau an diesem Zaun haben wir doch schon einmal unser Zelt aufgebaut, vor mindestens 25 Jahren… Der Tag war heiß, zwischendurch ein paar knackige Steigungen, auch heute muss gewaschen werden. Die faltbaren Sessel sind schnell ausgepackt, und auch die Verpflegung ist gesichert.
Wenn es auch sonst nichts gibt, der mobile Flammkuchen-Bäcker ist jedenfalls da.
Nicht, dass dieser Flammkuchen eine kulinarische Offenbarung gewesen wäre, aber: Nach einem Tag Anstrengung auf dem Rad in der Hitze doch sehr willkommen.
Über den Vogesen beginnt am Abend ein Wetterleuchten, hell beleuchtet stehen plötzlich merwürdige Wolkentürme am dunklen Himmel. Ein Unwetter ist angekündigt, rasch kommt es näher – und entlädt sich anderswo, ein Regenschauer ist keine echte Herausforderung für die Zelte.
Fortsetzung: Von Obernai bis Kehl.