Polnische Hilfen: Das Geschäft mit der Pflege

Nicht jede Agentur ist vertrauenswürdig

Wir werden immer älter. Im Zeichen der Globalisierung verstreuen sich Familien weltweit. Für die Jungen ergeben sich daraus viele neue Chancen, und die Alten bleiben zu Hause. Das läuft lange gut, die Werbung verklärt es als den „goldenen Herbst“ – bis nichts mehr gut läuft. Im hohen Alter sitzt ein alter Mensch plötzlich allein in seinem gewohnten Heim, oder er ist mit der Pflege der Partnerin / des Partners überfordert; Freunde und Verwandte sind weggestorben, die Nachbarn können nicht helfen, und die Kinder wohnen weit entfernt. Wie organisiert man den Tagesablauf, die Körperpflege, das Einkaufen, Kochen, Putzen, Waschen und auch ein bisschen Gesellschaft? Oder doch besser ins Heim? Ins Heim will der alte Mensch auf keinen Fall. Die Familie respektiert das.

In dieser Situation taucht oft ein Zauberwort auf: Die polnische Hilfe, sie soll es richten. Aber wie kommt man ran? Der Pflegedienst von Caritas oder Diakonie (oder einem anderen Träger) hat viele Kunden, die mit einer Hilfe aus Polen oder einem anderen Land zurechtkommen, aber er vermittelt nicht.

Man hört sich um. Da gibt es doch im Nachbarort eine Frau aus Polen, sie hat Kontakte. Ja, formal rechtlich sei das alles in Ordnung, erklärt sie, und schlägt jemanden vor. Das Haus ist groß genug, ein großes Zimmer und auch ein separates Bad sind vorhanden; die alte Dame, um die es geht, willigt ein. Sie geht jetzt durch eine harte Lehre. Sie muss Verantwortung, das heißt in vielen Dingen das Kommando abgeben. Das ist hart, wenn man viele Jahrzehnte das Sagen hatte in dem Haushalt, und es ist schon in den kleinen Dingen heikel: Welche Wurst, welcher Käse, welcher Kaffee wird eingekauft? Was gibt es mittags zu essen? Da treffen schnell sehr unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, und wenn die Deutschkenntnisse gering sind, ist das Konfliktpotential hoch.

Die Kinder und Enkel der alten Dame können das nur sehr begrenzt steuern. Wenn sie nicht zu weit entfernt leben, kommen sie wöchentlich zu Besuch und sehen nach dem Rechten: Wird die alte Dame gut versorgt? Satt-und-sauber-Pflege muss sein, auch der Haushalt muss sauber und ordentlich sein, aber kommt sie auch regelmäßig aus dem Haus? Die Behinderung steht dem entgegen? Dann kann vielleicht der Besuchsdienst einspringen, wenn die Polin nur radebrecht? Alles hat Haken und Ösen, aber es funktioniert leidlich. Bis zum nächsten Wechsel. Denn die polnischen Hilfen bleiben nur kurze Zeit, alle sechs bis acht Wochen kommt die nächste. Muss alles neu erklärt bekommen, und macht alles anders.

Wöchentliche Besuche von Familienangehörigen sorgen dafür, dass die schlimmsten Pannen ausgebügelt werden. Und davon gibt es viele. Eine Helferin wirft Essensreste grundsätzlich aus dem Fenster; sie lässt sich nur schwer daran hindern und mag nicht einsehen, dass man damit die Ratten anfüttert. Andere können nicht begreifen, dass die teure Spezialtoilette im behindertengerechten Bad nicht mit der chemischen Keule bearbeitet werden darf – nach einiger Zeit gibt man es auf. Viele kleine Ärgernisse kommen da zusammen. Rauchen – ein eigenes Kapitel. Viele Polinnen rauchen, das Zimmer war nach einiger Zeit für Nichtraucher nicht mehr zu gebrauchen. Dann ein denkwürdiger Besuch: Die alte Dame sitzt allein im Sessel in ihrem Wohnzimmer, sie hat nichts zu essen bekommen, die Polin ist nicht zu sehen. Man findet sie völlig besoffen in ihrem Zimmer.

Es war eine harte Zeit für die alte Dame. Ja, sie hat bis zuletzt in ihrer gewohnten Umgebung leben können; aber eine Freude war es nicht mehr.

Einige Jahre später taucht die Frage nach der polnischen Hilfe bei einer anderen alten Dame der Familie auf. Sie ist eigentlich noch ganz fit, aber mit 100 Jahren reichen ihr Sehvermögen und ihre Kräfte nicht mehr aus für die vielen kleinen Erledigungen des Alltags. Die Familie hat die durchwachsenen Erfahrungen vom vorigen Mal noch gut in Erinnerung, sie sucht nach einer professionelleren Agentur. Google hilft, und man kommt mit Polmedicus in Kontakt. Eine polnische Agentur mit Sitz in Posen, eine deutsche Vertreterin sitzt in Süddeutschland und regelt freundlich, schnell und verlässlich den Ablauf. Ein, zwei andere Agenturen sind noch angefragt, es sind deutsche Firmen, die ihrerseits mit polnischen Agenturen zusammenarbeiten: Da verdienen gleich zwei Ebenen an der Arbeitsleistung der Hilfen. Polmedicus reagiert am schnellsten, das Angebot erscheint seriös und bezahlbar, und hier kassiert nur eine Zwischeninstanz. So kommt Ella I in den Haushalt. Vorausgegangen war einige Überzeugungsarbeit; die alte Dame musste akzeptieren, dass sie es alleine nicht mehr schafft und Hilfe braucht. Ella I sollte die Generalprobe sein, danach sollte die Hausherrin entscheiden, wie es weitergehen sollte.

Ella I ist der ganzen Familie in lebhafter Erinnerung geblieben. Sie ist angeblich die Tante eines berühmten Fußballers, dazu passend liebt sie Schlafanzüge in der Art eines Trainingsanzugs; bereicherte die Familienrunde schon am ersten Abend, indem sie sich in all ihrer Fülle im Schlafanzug auf dem Sofa niederließ und den Kontakt suchte. Sie kam nach einer Pause noch einmal, und es gab Streit um die Reisekosten zwischen ihr, der Agentur und der Familie; so verzichtete die Agentur auf Ella I.

Reisekosten sind übrigens ein nicht unwesentlicher Teil der Kosten, sie können bei jedem Personalwechsel schnell 200 Euro ausmachen.

Ella I und ihre Nachfolgerinnen hatten zunächst einen harten Kampf mit der alten Dame auszutragen, Leberwurst oder Schinken war die Streitfrage. Denn auch hier musste die alte Dame erst langsam akzeptieren, dass sie die Herrschaft über Teile des Haushalts komplett aufgeben musste. Wer Haushaltsgeld bekommt und einkaufen geht, hat in großem Umfang auch die Entscheidung, so hieß die Lektion. Da um diese Dinge erbittert gekämpft wurde, fand die Familie zusammen mit der polnischen Agentur eine Lösung: Die polnischen Hilfen bekamen in bar ein extra „Verpflegungsgeld“ ausgezahlt, damit konnten sie für sich einkaufen was sie wollten.

Das war eine flexible Lösung, aber man muss hervorheben: Am flexibelsten muss am Ende der alte Mensch sein, der auf diese Weise versorgt wird. Denn die polnischen Hilfen brachten in einem bunten Reigen die allerunterschiedlichsten Vorstellungen von Haushaltsführung mit, und nicht alle sprachen ausreichend Deutsch. „Immerzu Sauerkraut“ hieß es, wenn traditionelle polnische Küche auf den Tisch kam, und die alte Dame war in ihrem Urteil nicht zimperlich: „Die nimmt mich auf den Arm“ zürnte sie einer Hilfe, mit der sie nicht zurecht kam, eine andere bezeichnete sie schlicht und einfach als faul.

Wie geht man als Familie mit solchen Problemen um? Das polnische Sauerkraut war durchaus lecker, der Haushalt war in Ordnung, und bei einem kurzen Wochenendbesuch war der Sache nicht auf den Grund zu gehen.

Dann gab es die polnische Hausfrau, über die die Familie festhielt: „Herrschsüchtig, macht Kolleginnen schlecht; tüchtige Hausfrau, aufmerksame Pflege; redet ununterbrochen“. Das war einerseits nicht einfach auszuhalten, aber auf der anderen Seite war die alte Dame gut versorgt. Ihre Nachfolgerin arbeitete gut, aber sprach schlecht Deutsch; das war unangenehm, denn einsam war die alte Dame schon genug. Ihr folgten zwei „Perlen“, zwei gleich freundliche und kompetente Freundinnen, die sich in der Betreuung abwechselten, und auch für die Kraft danach konnte die Familie festhalten: „Sehr bemüht, freundlich, aufmerksam; persönlich zugewandt, initiiert Gesellschaftsspiele; kocht und backt gut; schöne Tischdekoration und Präsentation von Lebensmitteln; mäßige Deutschkenntnisse“.

Eine Weile funktionierte dies Zusammenspiel von alter Dame und wechselnden polnischen Hilfen recht ordentlich. Dann brach die Qualität der Betreuung drastisch ein. Woran es lag, ist unklar; zahlte die Agentur ihren Angestellten zu wenig? War die Konkurrenz um die Pflegekräfte zu stark geworden?

Zu einem üblen Kapitel wurde zum Beispiel der Umgang mit den Hörgeräten der über 100 Jahre alten Dame. Dass hier etwas nicht stimmte, fiel an ihrem Geburtstag leider erst zu spät auf. Sie saß in der großen Familienrunde und hörte fast nichts, und erst am Abend kam jemand auf die Idee, die Hörgeräte zu kontrollieren. Die Öffnungen in den Ohrstücken waren so schmutzig verstopft, dass sie wie Gehörschutz-Stöpsel wirkten; kaum waren sie aus dem Ohr heraus, ging es schon besser. Die Familie verfasste eine bebilderte Anleitung und ließ sie von der polnischen Agentur ins Polnische übersetzen. Aber nicht jede Helferin liest schriftliche Anleitungen, und nicht jede kontrolliert die Hörgeräte täglich auf Batteriezustand und Reinigungsbedarf. Zu einem ähnlichen Ärgernis entwickelte sich das Kochen. Liebe geht durch den Magen, so kam zu jeder Mahlzeit zu viel auf den Teller. Allzu fettes Essen kam auf den Tisch, die alte Dame nahm kräftig zu – das wurde höchst bedrohlich, da das zusätzliche Gewicht ihre Mobilität bedrohte. Auf Bitten der Familie besorgte die Agentur ein polnisches Kochbuch der leichten Küche – das änderte nicht viel. Die Kleidung der alten Dame wurde vernachlässigt; Flecken wurden nicht sachgerecht entfernt, auch Feines und Empfindliches wurde mit Vollwaschmittel „behandelt“, das eine und andere Stück beschädigt; die Familie entwarf ein Informationsblatt zur Wäschepflege und bat die Agentur um Übersetzung ins Polnische.

An diesem Punkt begann die polnische Agentur Polmedicus sich quer zu stellen. Zur Wäschepflege sei keine Information in polnischer Sprache erforderlich, das seien doch internationale Pflegesymbole; die Familie solle doch die beschädigten Stücke vorlegen. Die freundliche deutsche Vertreterin war von Polmedicus gekündigt (oder hatte selbst gekündigt), die gesamte Kommunikation musste direkt mit Posen abgewickelt werden. Polmedicus war tagelang telefonisch nicht zu erreichen, obwohl ein Personalwechsel kurzfristig anstand.

Die vorletzte von Polmedicus entsandte Hilfe unterschlug Haushaltsgeld; nach Beanstandung erstattete Polmedicus den Fehlbetrag.

Ein Besuch bei der alten Dame ergab einen üblen Eindruck: Polmedicus hatte zuletzt eine 19jährige geschickt, die das als Ferienjob machte; angeblich war anderes Personal nicht verfügbar. Sie war sorgfältigst und auffällig geschminkt und tätowiert, von Hausarbeit hielt sie nicht viel. Mittags kamen Fertiggerichte auf den Tisch, im Schrank stand schmutziges Geschirr, die Küche war rundum schmuddelig, Böden und Waschbecken im Haus waren schon länger nicht mehr gereinigt, auch das polnische Kochbuch war nicht mehr da. Und das Schlimmste: Die Hörgeräte der alten Dame waren wieder verstopft, eine Verständigung kaum möglich. Die anwesende Hilfe hatte keine Ahnung von Hörgeräten, die ins Polnische übersetzte Anleitung war nicht mehr auffindbar.

Im Namen von Polmedicus hatte Frau Kaczynska inzwischen mitgeteilt, dass die Firma umfirmiert war in ALSANA. Die Internet-Suche ergab, dass dieser Firmenname auch von einer amerikanischen Firma genutzt wird, die Essstörungen behandelt, und von einem Institut für Arbeitsmedizin in Erlangen. Emails von Frau Kaczynska gaben als Absender „ALSANA Sp. z o.o.Sp.k..“ an, verwiesen aber weiterhin auf eine (2021 nicht mehr erreichbare) deutsche Website von Polmedicus (im Impressum der Website war kein Verantwortlicher angegeben, die Links zu angeblichen Vertriebspartnern in Deutschland wiesen ins Leere. Die in den Emails angegebene Postanschrift von Alsana deckte sich nicht mit der im Polmedicus-Internetauftritt angegebenen Adresse.). Auch unter anderem Namen war Polmedicus schon mal unterwegs: Wer nach Polmedicus oder Frau Kaczynska googelte, fand unter anderem einen Link zu „Alexander-Pflege“ (www.alexander-pflege.de) – und landete darüber auf der Polmedicus-Website. Weiter fand man auf einer Vertriebspartnerbörse einen Eintrag aus dem Jahr 2016, mit dem Polmedicus für sein „erprobtes und risikofreies Geschäftskonzept“ Vertriebspartner in Deutschland sucht; „100 offene Stellen“ wurden in diesem Eintrag behauptet.

Warum dies Versteckspiel gespielt wurde, ist unklar; muss man regelmäßig das Firmenschild und die Adresse wechseln, weil man verbrannte Erde hinterlässt? Laut Auskunft einer polnischen Firmendatenbank von Februar 2020 ging Polmedicus in Liquidation, Geschäftsführerin Kaczynska macht unter dem Firmennamen ALSANA weiter.

Polmedicus / ALSANA in Posen stritt jedenfalls sämtliche Beanstandungen der alten Dame rundum ab und setzte noch eins obendrauf: Zur Pflege der Hörgeräte sei man nicht verpflichtet. Für die alte Dame war damit klar, dass sie bei dieser Agentur nicht gut aufgehoben war und sich eine andere suchen musste. Zeitgleich ließ Polmedicus / ALSANA sich einen hässlichen Trick einfallen, um diese kritische Kundin loszuwerden. Die Geschäftsführerin Mariola Kaczynska zog den Versand der Monatsrechnung vor und kündigte wegen angeblichen Zahlungsverzugs. Die Kundin war’s zufrieden, so musste sie nicht selbst kündigen.

Die Bilanz dieser Agentur: Schlechte Betreuung durch die Agentur, keinerlei Qualitätssicherung vor Ort, Vernachlässigung der Hör-Verständigung und damit Behinderung sozialer Kontakte der Kundin, Vernachlässigung des Haushalts der Kundin. Daneben eine Fülle von kleinen und großen Schäden. Schon in den ersten Tagen wurde die Kunststoff-Kaffeekanne auf dem Herd verschmort, und niemand war es gewesen; ein zum Gebrauch überlassenes Fahrrad wurde nach und nach rundum demoliert; ein Schnurlostelefon wurde auf dem Herd verschmort; ein großes Möbelstück im Zimmer der Hilfen wurde völlig verdorben, offensichtlich hatte man nasse Wäsche darauf ausgebreitet oder auf andere Weise die ganze Platte geflutet.

So endete die Zusammenarbeit mit Alexander-Pflege / Polmedicus / ALSANA. Die Suche nach einem neuen Dienstleister zur Versorgung der alten Dame war nicht schwer, eine Reihe von Anbietern tummelt sich in diesem Markt, die Stiftung Warentest hat vor einiger Zeit einige näher betrachtet. Zu verdienen ist hier offensichtlich genug; einer der beiden von Warentest am besten beurteilten Dienstleister gab sich nicht zufrieden, als ihm abgesagt wurde, rief mehrmals an und drängte, man solle doch den bereits mit dem Mitbewerber abgeschlossenen Vertrag widerrufen – ein etwas eigentümliches Geschäftsgebaren. Die Familie arbeitet jetzt mit einem 2017 von Warentest gut beurteilten Franchise-Unternehmen („Hausengel“), das mit selbständigen Pflegekräften zusammenarbeitet.

Der Übergang zu der neuen Agentur erforderte einige Organisation. Eine Putzfrau wurde engagiert für eine Grundreinigung des vernachlässigten Haushalts. Nach einigem hin und her konnte erreicht werden, dass die von Polmedicus / ALSANA zuletzt entsandte Betreuungskraft auch am letzten Abend der Kündigungsfrist noch die Betreuung der alten Dame übernahm. Für Mariola Kaczynska von Polmedicus / ALSANA war es keine Selbstverständlichkeit, ihren Vertrag bis zum Ende der Kündigungsfrist zu erfüllen. Sie kündigte die Abreise der Betreuungskraft für 19h des letzten Einsatztages an und wollte die alte Dame am letzten Abend der Vertragslaufzeit sich selbst überlassen. Ihr musste erst mit der Kürzung der Vergütung gedroht werden, danach lenkte sie ein und versprach Betreuung bis 21h; die Betreuung am nächsten Morgen war durch den Pflegedienst der Diakonie sichergestellt. Die von Polmedicus / ALSANA entsandte Betreuungskraft wollte von dieser per Email getroffenen Vereinbarung allerdings nichts wissen. Sie konfrontierte die Familie am Tag ihrer Abreise mit der Ankündigung, sie werde bereits um 19h abreisen – deutlich vor der üblichen Schlafenszeit der alten Dame. Chaos brach aus: Die polnische Hilfe behauptete, die Busfahrkarte für die Rückreise nach Polen sei gebucht, sie müsse um 19h abfahren und könne die Agentur Polmedicus / ALSANA für eine telefonische Klärung nicht erreichen. Der Pflegedienst der Diakonie war nicht informiert, dass er schon an diesem Abend gebraucht wurde – krasser konnte Polmedicus / ALSANA Unzuverlässigkeit nicht demonstrieren. Am Ende blieb offen, wer hier falsch spielte: Agentur oder polnische Betreuungskraft. Zum guten Schluss konnte die polnische Hilfe plötzlich doch bis 21h bleiben und die Kundin versorgen; aus ihrem widersprüchlichen Reden konnte man entnehmen, dass der Bus deutlich später fuhr und dass sie vorher noch zum ausgiebigen Shopping in die Stadt hatte gehen wollen.

Das polnischsprachige Internet ist angeblich, bekommt man im vertraulichen, nicht zitierfähigen Gespräch erzählt, voll von Berichten über schlechte Kommunikation zwischen der Agentur Polmedicus / ALSANA und ihren Angestellten. Angeblich wird dort berichtet, diese Firma beute ihre Angestellten aus: Die deutschen Kunden zahlten deutlich über 2000 Euro im Monat, die polnischen Angestellten der Agentur bekämen nur rund 1000 Euro – die Differenz von 1200 bis 1500 Euro stecke sich die polnische Agentur ein. Diese vagen Hinweise lassen sich ohne Kenntnis der polnischen Sprache kaum verifizieren. Der im Internet offensichtlich von Polmedicus veranlasste Werbetext „erprobtes und risikofreies Geschäftskonzept“ spricht allerdings seine eigene Sprache…

Am nächsten Morgen nach diesem denkwürdigen Abschiedsauftritt übernahm der Pflegedienst der Diakonie die Betreuung, am Mittag kam die selbständige Pflegekraft der Agentur „Hausengel“. Die ist angeblich in Polen für faire Behandlung der von ihr vermittelten Betreuungskräfte bekannt. Die bisherigen Erfahrungen sind fast rundum positiv.

Wie heißt es doch? Altwerden ist nichts für Feiglinge?

Nachtrag: Eine weitere Überraschung kam nach der Abreise der letzten Polmedicus-Angestellten in Form der monatlichen Telefonrechnung. Die fiel 100 Euro höher aus als normal, und der Grund war schnell festgestellt. Die Polmedicus-Angestellte hatte teure Telefonate ins polnische Mobilfunknetz geführt; sie hatte dazu das Telefon missbraucht, das ihr mit einer Flatrate für Telefonate ins polnische Festnetz zur Verfügung gestellt worden war. Polmedicus / ALSANA wurde zur Erstattung dieser Kosten aufgefordert, eine Kopie des Einzelverbindungsnachweises wurde Polmedicus / ALSANA zur Verfügung gestellt. Eine Antwort kam nach knapp zwei Wochen und war wenig zufriedenstellend: Geschäftsführerin Kaczynska ging auf den Sachverhalt der Erstattungsforderung nicht ein, stattdessen schickte sie mehrere gleichlautende Emails und forderte darin, dieser Internetartikel müsse vollständig gelöscht werden; andernfalls werde sie Strafanzeige wegen Verleumdung erstatten. Diese Drohung wiederholte sie dann per Brief – diesmal gab sie als Absenderadresse „Wildemann“ an – keine Postleitzahl, keine Straße, kein Postfach, keine Telefonnummer. Tatsächlich versuchte sie Anfang 2020, mit einer Strafanzeige wegen übler Nachrede die Veröffentlichung dieses Internetbeitrags zu stoppen, das Verfahren wurde schnell eingestellt. Zu der Erstattungsforderung wegen der unbefugten Nutzung des Telefons äußerte sich Frau Kaczynska auch sieben Wochen nach Geltendmachung der Forderung nicht, erst mehr als 2 Monate nach Abreise der von Polmedicus entsandten Kraft, die den Schaden verursacht hatte, ging die Entschädigungszahlung auf dem Konto der betreuten alten Dame ein. Kommentarlos; kein Begleitschreiben, keine Email, keine Entschuldigung.

Das Desaster mit Alexander-Pflege / Polmedicus / ALSANA endete im Herbst 2019. Seitdem wird die alte Dame – inzwischen 107 Jahre alt – von wechselnden Hilfen betreut, die durch die Agentur Hausengel vermittelt werden. Diese Hilfen sind selbständige Unternehmerinnen; die Agentur arbeitet professionell und zuverlässig, aber auch sie ist vor (kleinen) Katastrophen nicht gefeit. Im Herbst 2020 klappte einmal der anstehende Personalwechsel nicht: Der Einsatz einer Betreuerin endete zum vereinbarten Zeitpunkt, und die nächste kam einfach nicht; hatte zugesagt, aber hielt ihren Vertrag nicht ein. Aus dem Stand mussten Familie und Diakonie improvisieren und eine Woche überbrücken, bis Hausengel Ersatz gefunden hatte – eine Konstellation, mit der die Familie immer rechnen muss.

Es liegt in der Natur der Sache, dass auch im Übrigen bei Hausengel die Qualität der Betreuerinnen wechselt, jede hat ihre besonderen Stärken und Schwächen. Eine stürzt sich mit Begeisterung in die Gartenarbeit, andere polieren den Haushalt auf Hochglanz, wieder andere kochen und backen sehr gut, die Deutschkenntnisse sind unterschiedlich. In den jetzt vier Jahren Zusammenarbeit mit Hausengel gab es eine Konstante: Fast alle Betreuerinnen leisteten ein hohes Maß an persönlicher freundlicher Zuwendung und Aktivierung, die Grundvoraussetzung für eine verantwortbare Versorgung alter Menschen in dieser Form. Optimal läuft die Versorgung, wenn sich ein festes Team einspielt: Zwei Betreuerinnen mit guten Deutschkenntnissen sind mit der alten Dame, dem Haushalt und der Familie gut bekannt, kennen sich und wechseln sich ab.

Und nicht zu vergessen: Die Betreuerinnen sind kein Ersatz für Engagement der Familie. Medizinische und pflegerische Versorgung muss auch aus der Ferne genauso begleitet werden wie die Organisation des Haushalts. Die Familie muss in „Rufbereitschaft“ bleiben, muss im Notfall aus dem Stand handeln / kommen. Der regelmäßige persönliche Kontakt zum alten Menschen und zu den Betreuerinnen ist unverzichtbar, Besuch ist noch wichtiger als früher schon.
Der Hausarzt ist genauso wichtig. Er kommt einmal im Monat und schaut nach dem Rechten. Der Pflegedienst der Diakonie kommt einmal in der Woche und stellt die Medikamente, er kontrolliert mit einem Messgerät auch Blutwerte; bei Bedarf leistet er die Grundpflege und erneuert Verbände. Fällt dem Hausarzt oder dem Pflegedienst etwas auf, alarmieren sie die Familie per Telefon oder Email.

Ein schwieriges Kapitel ist die Versorgung alter Menschen mit Pflegehilfsmitteln. Die behinderungsgerechte Gestaltung von Toilette / Bad und die Beschaffung von Hilfsmitteln fordern einige Überlegung – die Pflegeberatung zumindest der privaten Pflegepflichtversicherung ist wenig hilfreich. Wenn man Glück hat, kann der Installateur beim Umbau des Badezimmers beraten und helfen. Hilfsmittel muss man sich wohl oder übel selber im Internet zusammensuchen: Alte Menschen, die nicht mehr aus eigener Kraft mobil sind, müssen nicht im Bett liegen bleiben. Der regelmäßige Wechsel vom Bett in den Sessel, vom Sessel auf die Toilette usw. hält gesund und erhält Lebensqualität, mit dem Sara Stedy der Firma Arjo geht das.

Ist eine solche Versorgung bezahlbar? Auch Hausengel ist kein Wohltätigkeitsverein. In dem beschriebenen Fall einer sehr alten Dame lagen die jährlichen Kosten im Jahr 2021 bei ungefähr 30.000 Euro, im Jahr 2022 bei 33.000 Euro. Das Pflegegeld aus der Pflegeversicherung kann dafür verwendet werden, der Rest muss selbst finanziert werden.

(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 11.11.2023.)