Mehr Geld fürs Militär?

Das Militär und die Folgekosten

Trump hat erst die Nato zur Disposition gestellt. Dann hat er von den europäischen Verbündeten mehr Geld fürs Militär gefordert. Nun hat sich die Sicherheitslage Europas ja nicht verändert: die EU ist an ihrer östlichen Außengrenze mehr oder weniger direkt mit Russland konfrontiert, und Putin hatte schon in der Ukraine keine Skrupel, die militärische Karte zu spielen. Also werden wir wohl in die Tasche greifen und uns selber schützen müssen, Armee vergrößern und aufrüsten – und wie sieht es mit Atomwaffen für die EU aus, wenn Großbritannien ausschert und Frankreich traditonell Probleme damit hat, sein Militär in ein Bündnis einzubinden?

Wir können Gabriel in seiner neuen Rolle als Außenminister dankbar sein, dass er endlich offen die andere Seite der Medaille angesprochen hat. Deutschland trägt finanziell eine große Last der unsäglichen Militäraktionen der USA im Nahen Osten. Mit erlogenen Gründen (Fake News würde Trump sagen) haben die USA den zweiten Krieg im Irak angefangen, das ist inzwischen schon einige Zeit her. Dieser Krieg hat die gesamte Region destabilisiert. Das von den USA mutwillig geschaffene Vakuum wird vom Iran und von Syrien gefüllt, die mit dem Iran verfeindeten Anrainerstaaten finanzieren zusätzlichen Terrorismus, Russland ist mit einiger Verzögerung in das von den USA ausgelöste Chaos eingestiegen.

Wer zahlt? Europa steht jetzt einer destabilisierten Türkei gegenüber – wir zahlen hier einen Preis in Form von erhöhter Unsicherheit an Europas Außengrenzen, aber auch in Form von zunehmenden Spannungen innerhalb unseres Landes. Europa muss eine Antwort finden auf die Völkerwanderung, die von dem Chaos im Nahen Osten ausgelöst worden ist – wir in Deutschland zahlen Unsummen für die Integration der Flüchtlinge, wir zahlen aber auch drauf bei unseren Bürgerrechten, die aus Sicherheitsgründen immer weiter eingeschränkt werden. Unsere Nachbarn Italien und Griechenland haben die Flüchtlinge an ihren Küsten, tot und lebendig, und Erdogan droht uns mit weiteren Flüchtlingswellen.

Europa zahlt seit Jahren die Zeche, nachdem die USA unbedacht gezündelt haben. Europa sollte den USA schlicht und einfach die Rechnung dafür aufmachen – aber so einfach funktioniert der Dialog mit einer Großmacht nicht. Trotzdem war es richtig, dass Gabriel diese Seite der Medaille angesprochen hat. Und über mehr Militär muss man sehr sorgfältig nachdenken, Militär ist immer die schlechteste Antwort auf schwierige Fragen.

Wie schwierig die sind, kann man sich im Augenblick gut im Kino ansehen: „Die andere Seite der Hoffnung“ von Aki Kaurismäki läuft gerade in Münster im Cinema. Kein Gute-Laune-Kino, ein schnörkelloser Blick auf unseren aktuellen Alltag; die Menschen balancieren täglich am Rand des Abgrunds, und sie behalten ihre sprachlos-grotesk-lakonische Menschlichkeit; der Flüchtling erfährt brutalste Gewalt, und wir werden in eine zweideutige Zukunft entlassen. Absolut sehenswert!