Gut besuchte Lesung des VorLeseClub Hiltrup
Der VorLeseClub Hiltrup hatte ins Museum An der Feuerwache eingeladen, und die Besucher füllten am 28.4.2017 das alte Spritzenhaus der Hiltruper Feuerwehr.
Inmitten all der Plüsch-Tiere, die den Weg aus der Kösener Spielzeug Manufaktur ins Museum gefunden hatten, war das Programm an diesem Abend – anders als sonst – nicht allein auf die Ohren der Besucher ausgerichtet: wo in den meisten Lesungen des Jahresprogramms Textvortrag und (oft) Musik Aufmerksamkeit fordern, ergänzten sich diesmal Bilder – auf eine Leinwand projiziert – und Texte.
Unter dem Thema „Literatur und Kunst“ hatten acht Mitglieder des VorLeseClub jeweils ein Bild und einen damit korrespondierenden Text ausgesucht, und schon in der Generalprobe war deutlich geworden: so verschieden die Bilder aus mehreren Jahrhunderten waren (die Präsentation der Bilder finden Sie hier), so unterschiedlich waren auch die Texte – und doch fügten sie sich zu einem unterhaltsamen Ganzen zusammen.
Nach der Eröffnung durch Gerda Hegel startete das Programm mit der Plastik „Lesender Klosterschüler“ von Ernst Barlach und einem Text von Ernst Andersch aus Sansibar oder der letzte Grund.
Unmerklich wechselt der Ich-Erzähler von der Betrachtung der Skulptur, die als „entartete Kunst“ vor den Nazis gerettet werden soll, zur Selbstreflexion, ein leiser und eindrücklicher Text.
Das Mädchen mit dem Perlenohrring von Tracy Chevalier springt Jahrhunderte zurück zur Entstehung des bekannten Bildes von Johannes Vermeer. Die Magd Grit, gebunden in ihre Zeit, ist wider Willen Teil des malerischen Schaffens; ihr wird während des Gemalt-Werdens ein Schmuck aufgedrängt, der ihr nicht zusteht und sie ihren Arbeitsplatz kostet.
Mit Paul Klees „Gelehrter im Umgang mit Gestirnen“ setzt sich der Text „Traumbilder“ von Erhart Kästner auseinander. Kästner hatte als Leiter der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel Künstlerbücher und moderne Kunst für sich entdeckt, er schildert seinen Zugang zu Bildern überhaupt und zu diesem Bild.
Konzert ohne Dichter von Klaus Modick zum Verhältnis zwischen dem Dichter Rilke und dem Maler Vogler in der Künstlerkolonie Worpswede ist von der Tageszeitung als literarische Präzisionsarbeit in der Beschreibung norddeutscher Milieus und Sprache gelobt worden. Der von Henning Klare vorgetragene Ausschnitt beschreibt höchst amüsant das Aufeinandertreffen von Rilke und Vogler; der geschilderte Hintergrund einer Vernissage, Bilder der Lebensreform-Bewegung und „Blut-und-Boden“-Geschwafel, korrespondieren zeitgeschichtlich mit dem „Lesenden Klosterschüler“.
Nachdenkliche Texte bestimmten nach der Pause das Programm: Albert Verwey „Breughels Ikarus“, Wastan Hugh Auden, Michale Hamburger „Verse auf Breughels Ikarus“, Raissa Maritain „Der Sturz des Ikarus“.
Zwei Schülertexte aus dem Deutschunterricht standen selbstverständlich neben Margot Scharpenbergs „Gesang über den Wassern“.
Der Polizist überbringt das behördliche Malverbot, dieser Ausschnitt aus Siegfried Lenz‘ Deutschstunde ist anspruchsvoll im Vortrag; die sich selbst vergewissernde bedächtige Erzählweise ist gleichzeitig langatmig (und fordert langen Atem) und hoch verdichtet – ein besonderer Hörgenuss.
Umso größer dann der Kontrast zum Abschluss: Agatha Christie, Das unvollendete Bildnis.
Hier sind die Zuhörer gefordert: das Bild ist in der Präsentation als leerer Rahmen vertreten, es ist der Kristallisationspunkt und die Pointe des Kriminalromans, der auf ein vorlesetaugliches Format eingekürzt ist.
Die Besucher waren es zufrieden. „Ein gelungenes Experiment“ hieß es, wenn über diese gemeinsame Vorstellung von Bildern und Texten gesprochen wurde. Der VorLeseClub kann sich diese Erfahrung ja einmal für zukünftige Veranstaltungen merken?