… auf Amelsbüren und den Loop
Die pummeligen, meist schmutzig-weißen Kleinbusse kurven seit Jahren durch Münsters Stadtbezirk Hiltrup. „LOOPmünster ist im Rahmen von vollflexiblen On-Demand-Verkehren als Ridepooling-Dienst zu verstehen“ beschreibt der Abschlussbericht der Fachhochschule Münster diesen Taxi-Ersatz. Zur Benutzung reicht ein reguläres ÖPNV-Ticket, seit März 2023 kostet LOOP zusätzlich einen Euro Aufpreis.
Das ist eine schöne Sache. Bequem und billig für die Nutzer. Teuer für die öffentliche Hand. Die Fachhochschule fasst das prägnant zusammen: „Hohe Transportkosten pro Fahrgast, geringer Kostendeckungsgrad sowie großer Anteil an Personalkosten“ und bemerkt dazu trocken, das sei eben so bei Ridepooling-Diensten. 2022 kostete jeder Fahrgast rund 11 Euro, die Einnahme pro Fahrgast lag rechnerisch bei 0,72 Euro.
Solche Dinge startet man üblicherweise als Pilotprojekt. Man probiert es aus und lässt es sich etwas kosten, Dann muss man das Projekt nüchtern bewerten: Nice to have oder notwendig?
Die Fachhochschule lobt das Projekt in einer Presseerklärung über den grünen Klee: „Die Stadt und Stadtwerke Münster verbessern mit diesem innovativen Fahrservice das Nahverkehrsangebot und bringen die Verkehrswende weiter voran. LOOPmünster macht den ÖPNV im Betriebsgebiet deutlich flexibler und stärkt den Umweltverbund“, heißt es da.
Bei etwas mehr Distanz wecken die schönen Worte Argwohn. „Innovativ“ ist eine der meist missbrauchten Reklamevokabeln. Gleiches gilt für die Verkehrswende. Nicht immer ist drin, was drauf steht. Also muss man näher hinsehen.
Wer nutzt den teuren Dienst eigentlich wofür? Auch hier bestärkt die Internetseite der Fachhochschule den Argwohn: Das wunderbare Reklamefoto zeigt zwei junge Männer und eine eher jüngere Frau – warum fahren die eigentlich nicht Fahrrad? Fahrrad ist das ideale Verkehrsmittel für die Kurz- und Mittelstrecke, weiter fährt der LOOP nicht. So stellt der Abschlussbericht der Fachhochschule dann auch „eine gewisse Kannibalisierung“ fest, im Wissenschaftler-Jargon heißt das „… die Luftlinienentfernung [der LOOP-Fahrten liegt] im Entfernungsradius des Fahrrads sowie des Busses in Münster.“ Im Rahmen der Fahrgastumfragen gaben 62 % der Befragten an, dass sie ohne LOOPmünster den Weg mithilfe des Busses, des Fahrrads oder zu Fuß zurückgelegt hätten. Die befragten Taxi-Unternehmen berichten den gleichen Effekt.
Dies Bild der Komfort-Alternative für Radfahrer und Busnutzer wird bestätigt von der Altersstruktur der LOOP-Nutzer. Die Fachhochschule berichtet dazu aus den Nutzendenumfragen: „In den Altersklassen der „16-19-Jährigen“, „20-29-Jährigen“ und „30-39-Jährigen“ ist der Anteil der „aktiv Nutzenden“ (A) überdurchschnittlich hoch. In den Altersklassen „50-59 Jahre“, „60-69 Jahre“, „70 bis 79 Jahre“ und „80 Jahre und älter“ ist der Anteil der „Nicht-Nutzenden“ überdurchschnittlich hoch ausgeprägt“ (Seite 11 des Abschlussberichts). Die genauen Prozentsätze gibt die Fachhochschule nicht an.
Anders gesagt: LOOP ist kein Angebot für die BürgerInnen Münsters, die wirklich ein besseres Nahverkehrsangebot brauchen. LOOP scheint eine Komfort-Variante für die eigene Fortbewegung junger Leute zu sein. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn nicht alle BürgerInnen für die Bequemlichkeit einzelner zahlen sollen.
Knapp 400 Personen nutzten zuletzt LOOP ein- bis siebenmal pro Woche. Die übrigen 1700 aktiven Kunden waren eher Gelegenheitsfahrer. Bringt das die Verkehrswende weiter voran? Der Effekt für eine Veränderung des Modal Split sei jedenfalls marginal, schreibt die Fachhochschule.
Komfort muss man sich leisten können.
Die Stadt Münster galt über Jahrzehnte als reich. Da ging immer noch etwas, wenn die armen Ruhrgebietsstädte längst in der Haushaltssicherung waren. Da beschloss man locker neue Personalstellen, um eine neue Baumschutzsatzung zu exekutieren – Geld spielt keine Rolle. Man kann es auch anders nennen: Da gab es über Jahrzehnte kein Kostenbewusstsein. Da wurden die Augen zu gemacht vor den Folgen. 2024 hat die Stadt Münster kein Geld mehr für die laufende Instandhaltung ihrer vielen Gebäude, und die Kämmerin warnt vor der Haushaltssicherung (WN vom 18.4.2024). Für LOOP ist schlicht kein Geld mehr da.
Nur in Amelsbüren gilt nicht, dass man nur Geld ausgeben kann, das man hat. Die Amelsbürener CDU beklagt den „massiven Rückschritt für den öffentlichen Personennahverkehr“, „weit verbreitet“ seien die Ridepooling-Dienste (WN 18.4.2024). So funktioniert eben nach Ansicht einiger Leute Politik: Schöne Sachen versprechen und dann in Deckung gehen, wenn es Probleme gibt.
Lasst es Manna regnen in Amelsbüren… Vielleicht haben die ja einen Draht nach oben?
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 25.4.2024.)