Kulturbahnhof in Nöten
Die Kultur ist schon längst bei Amazon angekommen. Musik, Filme, Bücher, auch die antiquarischen Bücher, alles nur noch bei Amazon? Man muss sich schon Mühe geben, die anderen Angebote zu finden und zu nutzen. Denn: Wollen wir wirklich, dass Amazon bestimmt, was gekauft, gesehen, gehört werden kann?
Der Hiltruper Kulturbahnhof ist in Nöten. Das Publikum fehlt, also fehlen auch die nötigen Einnahmen, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. Ein Förderverein wird gegründet, der Oberbürgermeister unterstützt das Vorhaben. Wird das reichen? Fördervereine gibt es in vielen Bereichen, die eine oder andere Investition können sie finanzieren, aber den laufenden Betrieb? Miete, Heizung, Reinigung, Versicherungen, das kann einen Förderverein schnell überfordern.
Publikum für die Kultur muss her, vor allem zahlendes Publikum! Darf man wirklich nur 50 Leute in den Kulturbahnhof hereinlassen, oder dürfen es in Zeiten von 3G auch mehr sein? Kritischer ist aber die Frage, ob es das Publikum für handgemachte Kultur im Stadtteil überhaupt noch gibt. Geht es der Kultur vielleicht inzwischen wie den Kaufleuten: Alles ist online verfügbar, die Kunden sitzen mit dem Handy in der Hand zu Hause im Sessel und lassen sich alles liefern?
Corona hat in vielen Bereichen unsere Lebensgewohnheiten verändert. Wir arbeiten zu Hause, das Büro hat der Arbeitgeber schon verkauft. Wir trauen uns nicht wirklich unter Menschen, wir halten Abstand. Wir haben notgedrungen erfahren, dass viele Einkäufe und Besorgungen des täglichen Lebens auch online zu erledigen sind. Die Kultur ist von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Selbst wenn kein Eintritt erhoben wird, bleibt das Publikum weg.
Es wird dauern, bis Live-Kultur sich wieder als selbstverständlicher Bestandteil des Lebens im Stadtteil etabliert. Teure Investitionen in Veranstaltungstechnik sind nicht die Lösung. Sie sind von der öffentlichen Hand einfach zu subventionieren, aber zumindest kurzfristig bringen sie keinen Zuhörer mehr in den Kulturbahnhof. Der Kulturbahnhof wird genauso wie andere Kultur-Anbieter in Hiltrup lange arbeiten müssen, bis Live-Kultur sich wieder etabliert.
Die Ehrenamtlichen unter den Hiltruper Kulturschaffenden haben einen langen Atem, sie trägt die Begeisterung. Dem Kulturbahnhof könnte aber die Luft ausgehen, bevor das Publikum zurück ist. Der Oberbürgermeister will eine unverbindliche Schirmherrschaft übernehmen – er wird der Frage nach einem Betriebskostenzuschuss nicht ausweichen können.