Zweifelhaftes Bewertungsportal für Ärzte
Durch die Medien geht gerade die Berichterstattung über ein Urteil des Urteil des Bundesgerichtshofs: Ärzte müssen es nicht hinnehmen, wenn das Bewertungsportal Jameda (und auch die anderen Portale) bei der Darstellung ihrer Daten aufwendig gestylte bezahlte Anzeigen der Konkurrenz einblendet. Jameda kassiert viel Geld dafür, dass Ärzte sich prominent und zum Beispiel mit Foto anpreisen. 708 Euro bis 1668 Euro kostet das im Jahr. Jameda deklariert aber nicht, dass es sich um teuer bezahlte Werbeanzeigen handelt.
Unabhängig von diesen Tricksereien haben Bewertungsportale wie Jameda allerdings ein noch viel größeres Problem. Jeder Idiot kann jeden Mist als Bewertung über das Internet verbreiten, und es bleibt dem Beurteilten überlassen, regelmäßig nach Beurteilungen über sich zu suchen und dagegen vorzugehen. Die dargestellte Beurteilung mit der Note 6 – ganz schlecht – hat zum Beispiel in dem konkreten Fall keinerlei tatsächliche Grundlage: Der Beurteiler hat überhaupt keinen Kontakt mit dem Arzt gehabt, er ist weder in der Praxis noch im Sprechzimmer beim Arzt gewesen – aber er vergibt schlechte Noten für Behandlung, Aufklärung, Vertrauensverhältnis, genommene Zeit und Freundlichkeit.
Der konkrete Fall ist ein Fall für die Rechtsanwälte geworden. Der Fall macht aber exemplarisch deutlich, dass all diese Bewertungsportale nur eins sind: wertlos. Sie sind so lange wertlos, wie sich die Portale auf den Verkauf von teuren Anzeigen beschränken und die veröffentlichten Bewertungen nicht inhaltlich überprüfen. „Unser Qualitätsteam garantiert allen Ärzten – unabhängig davon, ob sie Kunden sind oder nicht – einen verantwortungsvollen Umgang mit Patientenmeinungen und schützt sie vor Beleidigungen und Schmähkritik“ behauptet Jameda auf seiner Website. Der konkrete Fall beweist aber das Gegenteil: bei Jameda werden Bewertungen ganz offensichtlich überhaupt nicht kontrolliert. Denn allein schon aus dem Freitext dieser Beurteilung geht ohne Weiteres hervor, dass der Beurteiler gar keinen Kontakt zum Arzt hatte, dass seine Beurteilung der fachlichen Leistung des Arztes also keinerlei Grundlage hat. Aber Jameda verbreitet solchen Mist ungeprüft.
Es ist dasselbe miese Niveau wie bei Amazon. Nur einen Unterschied gibt es. Die bei Amazon bewerteten Handelswaren kann man auch anderswo ansehen, anfühlen und sich oft allein mit gesundem Menschenverstand ein Bild machen. Bei Jameda wird eine hoch qualifizierte, höchstpersönliche Dienstleistung bewertet, und es gibt kaum Korrektive zu unqualifizierten Bewertungen.
Der Beurteiler hat in dem konkreten Fall die Arztpraxis gar nicht aufgesucht. Er hat am 19.2.2018 angerufen und wollte einen Termin vereinbaren. Ihm sind am Telefon mehrere verschiedene Termine noch für die laufende Woche angeboten worden; dabei ist er darauf hingewiesen worden, dass er sich wegen des starken Patientenandrangs in der Praxis (akute Grippewelle!) auch bei der Vereinbarung eines Termins auf eine gewisse Wartezeit einrichten müsse. Dem Anrufer passten alle vorgeschlagenen Termine nicht. Er ist daraufhin gefragt worden, ob er vielleicht im nächsten Monat kommen wolle oder welche Termine ihm denn passen! Auf diese Frage hat er keine Antwort gegeben und angekündigt, zu einem anderen Arzt zu gehen. Und hat eine schlechte Bewertung geschrieben über den Arzt zu den Themen Behandlung, Aufklärung, Vertrauensverhältnis, genommene Zeit und Freundlichkeit – obwohl er den Arzt überhaupt nicht gesehen oder gesprochen hat.
Über sich selbst schreibt dieser Bewerter auf Jameda: „privat versichert, Alter: unter 30“. Ja, Doktor spring, meint er wohl: wenn ich privat bin, kann ich mir jede Unverschämtheit leisten.
Leider handelt es sich bei dem dargestellten tatsächlichen Fall nicht um einen Einzelfall. Allein dieser Arzt hatte in weniger als zwei Jahren noch zwei weitere „Begegnungen der besonderen Art“ mit Bewertungsportalen: einmal war es die Heise-Gruppe (bekannteste Veröffentlichung: Computermagazin c’t) mit dem Bewertungsportal golocal; da war es das „bedauerliche Fehlverhalten eines inzwischen ausgeschiedenen Mitarbeiters“, das dem Arzt eine grob falsche und ehrenrührige Bewertung eingebracht hatte. Und dann war es noch einmal die Heise-Gruppe mit ihren Telefonbuch-Veröffentlichungen, diesmal wurde in der Online-Ausgabe von „Das Örtliche“ öffentlich eine Verbindung des Arztes zu einem speziellen Software-Haus behauptet.
So lange Jameda und die anderen Portale diese Probleme nicht in den Griff bekommen, bleibt dies Bewertungsunwesen nur Beutelschneiderei. Den Patienten hilft es nicht, nur Jameda und Co profitieren.
Die Süddeutsche Zeitung bringt es auf den Punkt: Eine gesetzliche Regelung für Transparenz, Neutralität und Abwehransprüche muss her!