… oder: glaub nichts, was Du im Internet findest
Das Bewertungsportal golocal.de haben wir hier schon besprochen: eine grob unrichtige und geschäftsschädigende Bewertung über einen Arzt war uns einen Beitrag wert. Golocal hat die Bewertung inzwischen gelöscht, nicht ohne sich bei dem betroffenen Arzt ausdrücklich zu beschweren: man möchte keine Öffentlichkeit, wenn man Fehler gemacht hat.
Aber das ist nicht Alles. Golocal gehört zur Heise-Gruppe, sie ist für die Computerzeitschrift c’t bekannt, aber auch für verschiedene Print- und Online-Verzeichnisse. Dazu gehört auch Das Örtliche, ein kommerzielles Telefonbuch. „Das Örtliche“ und golocal.de sind eng miteinander verbunden; wer in dem Online-Telefonbuch eine Nummer gefunden hat, wird gleichzeitig aufgefordert, die eingetragene Person oder Firma mit einem Klick auf golocal.de zu bewerten. Offensichtlich nutzen beide Medien dieselbe Datenbasis innerhalb der Heise-Gruppe. Im „Örtlichen“ fand sich der betroffene Arzt jetzt, Wochen nach der Auseinandersetzung mit golocal.de, als Referenz für eine Drittfirma missbraucht: ohne sein Wissen und ohne seine Einwilligung ist dem Telefonbucheintrag für seine Praxis in der Online-Ausgabe von „Das Örtliche“ ein Link zu einer Firma zugeordnet, die Dienstleistungen für Ärzte erbringt. Die Anordnung der Angaben ist absolut irreführend: direkt unter der (nicht belegten) Schaltfläche, mit der eine Email an den Arzt gestartet werden kann, befindet sich der Link zu dem Dienstleister; wer diese Darstellung unbefangen wahrnimmt, muss den Link zu dem Dienstleister als Homepage des Arztes ansehen. Scrollt man etwas weiter herunter, findet man Text von der Homepage des Dienstleisters, noch weiter darunter die Öffnungszeiten des Arztes.
Das wirft doch einige Fragen auf: wie kommt die Internet-Adresse des Dienstleisters und Text von dessen Homepage auf den Arzt-Eintrag? Zahlt er dafür? Nimmt Heise Geld dafür? Oder war das wie bei der falschen Bewertung in golocal.de wieder nur „ein bedauerlicher Einzelfall“, die „Fehlleistung eines inzwischen entlassenen Mitarbeiters“? Wie sieht es hier aus mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, mit wettbewerbswidrigem Verhalten?
Eine Ursache für diese Falschmeldung konnte der Arzt schnell ausschließen. Der Dienstleister, dessen Homepage in den Telefonbucheintrag eingebunden ist, hat glaubhaft jede Beteiligung seinerseits dementiert. Bleibt also nur noch die Heise-Gruppe. Man kann nur vermuten, was da passiert sein könnte. Möglicherweise hat auch „Das Örtliche“, genauso wie vor Monaten golocal.de, den Inhaberwechsel in der Arztpraxis durch den geänderten Telekom-Eintrag mitbekommen, aber alle Daten zu dem früheren Inhaber ungeprüft stehen gelassen; dafür spricht, dass auch die in „Das Örtliche“ angegebenen Praxis-Öffnungszeiten falsch sind. Möglicherweise befand sich der unzulässige Verweis auf den Dienstleister schon seit Urzeiten in „Das Örtliche“, und der frühere Praxisinhaber hat es einfach nicht gemerkt – was auch immer. Fest steht jedenfalls, dass der Fehler im Verantwortungsbereich der Heise-Gruppe liegt – und dass auch nach dem Ärger um die falsche Bewertung bei golocal.de, die ja auf einer fehlerhaften Datenübernahme beruhte, die Datenbasis innerhalb der Heise-Gruppe nicht überprüft und korrigiert wurde.
„Das Örtliche“ ist jetzt aufgefordert, diese Verbindung zwischen Arztpraxis und fremdem Dienstleister in der Online-Darstellung zu beseitigen. Mal schauen, ob Heise erst mal mit seiner Rechtsabteilung reagiert, ähnlich brachial wie in dem golocal-Fall, oder für Qualität und rechtlich einwandfreie Darstellung. Auch eine uneingeschränkte Entschuldigung wäre hier angebracht: nicht halbherzig wie beim ersten Mal nach dem Muster „tut uns leid, aber Sie sollen so etwas doch nicht öffentlich machen“.
Was bleibt, ist eine grundsätzliche Frage: ist es wirklich richtig, dass sich jeder selbst darum kümmern muss, ob in allen möglichen Internet-Portalen Falschmeldungen über ihn verbreitet werden? Im Fall von golocal.de und ähnlichen Bewertungsportalen geht die Rechtsprechung bislang noch davon aus, dass die Verbreitung ungeprüfter Beurteilungen von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Ob sich diese rechtliche Einschätzung auf Dauer halten lässt, muss man bezweifeln. Veröffentlichungen im Internet haben eine so hohe Reichweite, Schnelligkeit und Nachhaltigkeit – auch übelste Nachrede lässt sich kaum wieder aus der Welt schaffen -, dass man ernsthaft darüber nachdenken muss, ob dies Risiko weiterhin einseitig dem von solchen Meinungsäußerungen Betroffenen aufgebürdet werden kann.
Bei Auskunfts- oder Informationsportalen wie „Das Örtliche“ dürfte die Rechtslage noch anders aussehen. Hier geht es nicht um die durch die Verfassung geschützte freie Meinungsäußerung, sondern um schlichte Tatsachenbehauptungen. Wer sein Geld mit Tatsachenbehauptungen verdient, muss für falsche Behauptungen haften. Auch hier stellt sich aber die Frage, ob die Mühe und das Risiko der Kontrolle einseitig dem Betroffenen aufgebürdet werden kann.
Natürlich kann der Betroffene einen Abmahn-Anwalt beauftragen, um sich seiner Haut zu wehren – als Arzt hat er aber Besseres zu tun, wenn das Sprechzimmer voll ist. Deshalb: wie wäre es, wenn all diese Meinungsschleudern und Tatsachenbehaupter verpflichtet würden, ihre Veröffentlichungen den Betroffenen wenigstens unaufgefordert mitzuteilen? Die öffentliche Debatte wird zurzeit schon ausreichend durch Fake-News vergiftet, warum müssen wir auch noch Fake-Beurteilungen und Fake-Telefonbücher ertragen?
PS: So ganz einfach ist das nicht herauszufinden, wer eigentlich für die Internetseite http://www.dasoertliche.de/ verantwortlich ist. Folgt man dem Link zum Impressum der Seite, bekommt man den Hinweis „Impressum Gemeinsame Herausgeber und Verleger: Deutsche Telekom Medien GmbH und Partnerfachverlage“ sowie eine nicht endende Liste von Firmen zu sehen, die wohl irgendwie damit zu tun haben – verantwortlich will wohl keiner sein? Den Hinweis auf Heise bekommt man erst, wenn man dem Link „Kontakt / Sie möchten Ihren Telefonbucheintrag direkt online selbst anlegen oder bearbeiten“ folgt, dann landet man auf telefoneintrag.de, und das Impressum dieser Seite nennt dann Heise Media Service GmbH & Co. KG in Hannover als Verantwortlichen. Alles klar?