golocal.de: falsche Bewertung

Die Tücken der Bewertungsportale

Ärztebashing ist ja sehr in Mode. Der Arzt hatte wenig Zeit? Nicht das neuste teuerste Medikament aufgeschrieben? Arbeitsunfähigkeit nicht so lange bescheinigt wie man wollte? Na, dem haue ich eine rein, ist doch ganz einfach. Einfach eins der Bewertungsportale im Internet aufrufen und anonym eine anständige Hassbotschaft hinterlassen. „Der Arzt verhält sich nicht besonders freundlich gegenüber Ausländer. Außerdem hat er nicht richtig zugehört, was für Symptome ich habe“, und schon hat der sein Fett weg – und merkt es gar nicht. Merkt es erst, wenn er von Patienten darauf angesprochen wird, und kann sich dann gar keinen Reim darauf machen. Wie soll er auch, wenn alles anonym läuft, kein Datum und keine Einzelheiten genannt werden?

Golocal.de aber hat in einem tatsächlichen Fall den Vogel abgeschossen. Die Arztpraxis ist von einem Nachfolger übernommen worden, der bisherige Hausarzt hat sich zur Ruhe gesetzt. Das ist erst einige Monate her. Golocal hatte eine herabsetzende Bewertung online, die vor Jahren über den früheren Praxisinhaber angegeben worden war. Jetzt steht ein neuer Name auf dem Praxisschild, das hat golocal noch mitbekommen. Hier fängt die unfassbare Schlamperei an: golocal ließ die alte ungeprüfte Bewertung stehen und verbreitete sie weiter, jetzt unter dem Namen des neuen Praxisinhabers. Ohne jeden Hinweis, wann dieser die Praxis übernommen hat, ohne Kontrolle ob die alte Bewertung überhaupt noch für den neuen Inhaber gelten kann, wenn sie denn überhaupt inhaltlich vertretbar war. Und wie alt diese Bewertung war, das war auf der Internetseite ganz klein und in so hellgrauer Schrift dargestellt, dass man es kaum sehen konnte. Der neue Inhaber hatte nichts damit zu tun und wusste nichts von der bösen Botschaft.

Exemplarisch ist dieser tatsächliche Fall: er macht deutlich, wie sogenannte Bewertungsportale auch falsche Botschaften verbreiten.

Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2016 ein wegweisendes Urteil zu diesem Bewertungsunwesen gefällt. Der betroffene Arzt kann die falsche Darstellung im Internet beanstanden, und der Betreiber der Seite muss mit Rechnungen oder ähnlichen Unterlagen darlegen, dass die angebliche Behandlung, auf die sich die Bewertung bezieht, überhaupt stattgefunden hat. Mehr hat der Bundesgerichtshof nicht gefordert: es bleibt dabei, dass der Betroffene sich selbst darum kümmern muss, ob er in irgendeinem Bewertungsportal falsch bewertet ist; der Betroffene muss also ständig das Internet beobachten, er muss selbst die Initiative ergreifen und sich wehren.

Den Schaden hat in solchen Fällen immer der Beurteilte. Irgendetwas bleibt immer hängen: wenn der Buschfunk erst einmal meldet, dass der Arzt nicht richtig zuhört, was für Symptome man hat, dann hat der Arzt seinen Stempel weg. Das wirkt auch dann nach, wenn die falsche Bewertung wie in dem geschilderten Fall später gelöscht wird – bis dahin war sie monatelang online und ist auch von Patienten des Arztes wahrgenommen worden.

Beteiligt ist in diesem Fall allerdings noch ein weiterer Beteiligter. Golocal ist kein Einzelgänger: golocal gehört zur Heise-Gruppe. Die Heise-Gruppe gibt z.B. die renommierte Computerzeitschrift c’t heraus, aber laut ihrer Selbstdarstellung im Internet eben auch Online-Medien wie golocal.

Die Heise-Gruppe ist um Stellungnahme gebeten worden, sie hat auf golocal verwiesen.

Golocal erklärt in seiner Stellungnahme, es handele sich um einen Einzelfall; Eintragsänderungen würden von der Redaktion auf das Vorliegen von Altbewertungen überprüft, soweit das der Fall sei, werde der jeweilige User nach Erfahrungen mit dem neuen Inhaber befragt und bei Bejahung dieser Frage um Umschreibung und Anpassung der Bewertung gebeten. Dem bearbeitenden – nicht mehr bei golocal beschäftigten – Kollegen sei offensichtlich ein Fehler unterlaufen.

Golocal sieht in seiner Stellungnahme keine Veranlassung, über die Löschung der betreffenden Bewertung hinaus eine Korrektur und Richtigstellung in allen Medien zu veröffentlichen, in denen die falsche Beurteilung bis zur Löschung verbreitet worden war.

Zu der Frage, was golocal in Zukunft zur Verhinderung von Beurteilungen auf falscher Tatsachenbasis unternimmt, äußert sich golocal in der Stellungnahme folgendermaßen: „Natürlich verwenden wir entsprechende Filter um beleidigende, diskriminierende oder sonst strafrechtlich relevante Ausdrücke in Bewertungen und Kommentaren zu erkennen und umgehend zu löschen. Außerdem haben wir eine sehr starke Community, die uns auf problematische Inhalte hinweist. Eine manuelle Prüfung neuer Bewertungen ist uns weder möglich, noch rechtlich erforderlich, wie insb. vom BGH mehrfach entschieden. Vielmehr muss die Rechtsverletzung dem Portalinhaber zur Kenntnis gebracht werden, um eine Prüfpflicht auf unserer Seite in substantiierter Form auszulösen …“.

Die Problematik der Bewertungsportale wird an diesem Fall exemplarisch deutlich: eine Qualitätskontrolle der Bewertungen findet praktisch nicht statt. Der Hinweis von golocal auf „Filter“ dürfte so zu verstehen sein, dass automatisierte IT-Verfahren die Bewertungstexte nach „beleidigenden, diskriminierenden oder sonst strafrechtlich relevanten Ausdrücken“ durchsuchen. Passiert die Bewertung diesen Filter, geht sie online – die Qualitätskontrolle bleibt dann wohl der „Community“ überlassen oder dem Betroffenen, er muss kontinuierlich überall im Internet nach Einträgen über seine Person suchen und sich wehren.

Im vorliegenden Fall reagierte golocal recht harsch auf die Kritik und forderte Löschung eines – zugegeben sehr pointierten – Internet-Artikels. Die öffentliche Diskussion über das Geschäftsmodell Bewertungsportal ist jedoch dringend erforderlich. Bewertungsportale sind keine Wohltätigkeitsvereine, sondern wollen Profit machen. Die Nutzer, d.h. die Leser von Bewertungen wollen belastbare Informationen: die bekommen sie nicht, wenn die Beurteilungen ungeprüft ins Netz gehen. Die Beurteilten, sei es Restaurantbetreiber oder Ärzte, sind in der schwächsten Position, sie haben den Schaden. Die Stiftung Warentest geht konsequent einen anderen Weg: sie fordert die Hersteller getesteter Produkte vor Veröffentlichung der Testergebnisse zur Stellungnahme auf.