CDU Hiltrup will Beton kaufen
Das Geld muss weg – wer mit Behörden zu tun hat, kennt diesen Aufschrei in der zweiten Jahreshälfte: Hilfe, wir kriegen das Geld nicht ausgegeben!
Ein „Haushaltsrest“ droht der Hiltruper Bezirksvertretung, und Reste, das weiß man, gehören in den Müll. Aber nicht einfach wegwerfen, wär doch schade drum, nein, am besten recyceln. Einer neuen guten Verwendung zuführen. Der Kämmerer könnte den Rest einsammeln und davon, sagen wir mal, Laptops für Schulen kaufen. Oder weniger Schulden machen.
Aber warum sollte sich die Bezirksvertretung anders verhalten als eine gute alte muffige Behörde? In der guten alten muffigen Behörde wird disqualifiziert, wer sein Geld nicht ausgibt und am 31.12. zurück geben muss. Das hat sich dann auch die Hiltruper CDU gedacht. Bevor die 26.000 Euro, die da herrenlos herum liegen, künftigen Sparmaßnahmen zum Opfer fallen – so schreibt die WN (12.8.2020) – , will die CDU sie schnell noch ausgeben. Schließlich ist Sparen echt pfui.
Beton will die CDU kaufen, genauer gesagt: Die „Lesende Frau“. Saß einige Wochen vor der Buchhandlung auf der Bank. Und statt ihren traurigen Fiffi zu herzen, guckte sie ins Buch. 50 shades of grey vielleicht, wer weiß.
Auf die Gefahr hin, von der Hiltruper Kulturbühne gelyncht zu werden: Meint ihr von der CDU das wirklich ernst? Seit wann hat die CDU ein Faible für Kabarett? Denn eins ist doch klar, Kunst im öffentlichen Raum sollte eine gewisse Qualität haben. Die Betonfiguren, die eine Weile in Hiltrup gastiert haben und Ende des Jahres noch einmal hier auftauchen sollen, sind nettes Kunsthandwerk. Ja, mehr nicht. Eine liebenswerte Idee, der versprödenden Marktallee ein wenig Leben einzuhauchen, und nebenbei ein paar Besucher in den Krankenhauspark und zur Alten Kirche zu locken (die hat Qualität).
Die Kinder hatten ihren Spaß, und die Erwachsenen konnten sich an dem kabarettistischen Kern reiben: Das sollen „Alltagsmenschen“ sein? Diese schwer modellierten älteren Herrschaften – nein, auch Frauen waren dabei. Wie die „Lesende“ haben sie stämmige Figuren, dicke Beine, die Stützstrümpfe kann man im Beton nur ahnen. Wohlgenährt nannte man das mal, da war die Fresswelle der 50er Jahre noch nicht lange vorbei.
„Glücklich / Dankbar / Gelassen / Fröhlich“ liest man auf der Tafel im Schaufenster hinter der „Lesenden“, und unwillkürlich möchte man dazu schreiben „Lieb und dumm“.
Das ist unverschämter Umgang mit Kunst? Nein, man muss die Skulpturen nur an ihrem Anspruch messen. Sie heißen „Alltagsmenschen“ und sind? Alltagsmenschen wie Du und ich sind sie sicher nicht. Waren sie auch vor 50 Jahren nicht. Schon unsere Groß- und Urgroßeltern wären beleidigt, wenn man sie damit in Verbindung bringen würde.
So bieder und ein bisschen beschränkt, so war der Alltag nicht und ist es auch heute nicht. Die Figuren sind: Kabarett. Witzig, unterhaltsam, Stachel im Fleisch: Passt auf, dass ihr nicht werdet wie sie. Mehr nicht. Nichts, was man konservieren – Vorsicht, Beton bröckelt und Farbe vergeht! – und auf Dauer irgendwo hinstellen kann: Zum sofortigen Verzehr bestimmt.
Also: Nett war’s, und für ein paar Wochen darf die „Lesende“ gern noch einmal auf Besuch kommen. Aber dauerhaft, nein auf Dauer wollen wir die nicht in unserer guten Stube haben.