Drei Wochen vor der Europawahl bot die Hiltruper Marktallee schon ein denkwürdiges Bild. Die Übermacht der AfD-Plakate war über Nacht verschwunden, und die großen alten Tanten SPD und CDU waren überhaupt nicht mit Plakaten vertreten. Ein Rundgang am Tag der Europawahl sollte zeigen, wie sich dies Bild danach verändert hat.
Um es kurz zusammen zu fassen: An dem Nicht-Wahlkampf von SPD und CDU hat sich bis zum Wahltag nichts geändert, soweit man nur auf die Plakatierung an Hiltrups Einkaufsmeile sieht. Die beiden Parteien haben entweder bewusst auf Plakate verzichtet, oder sie hatten nicht mehr die Kraft, einen normalen Wahlkampf zu führen. Nachdem die AfD-Plakate abgerissen und dadurch Standorte frei geworden waren, hatte es durchaus entsprechende Hinweise an die zentralen Wahlkämpfer gegeben. Hiltrup war ihnen aber wohl nicht wichtig, und die örtlichen Parteigliederungen erklärten sich für nicht zuständig.
Im Hiltruper Kleinklein ist das dasselbe Bild, das zurzeit in mehreren europäischen Ländern zu beobachten ist. Die ehemals großen alten Parteien erodieren, und eine Flut von Splittergrüppchen drängt in diese Lücke. So ist es kein Wunder, dass ausgerechnet die Grünen den Plakat-Wahlkampf auf der Marktallee dominieren.
Ihre zahlreichen Plakate haben die Grünen im Endspurt noch aktualisiert. Das Thema Bienensterben hat in den Medien einigen Platz eingenommen, so hat man ein Plakat dazu nachgeschoben: Es bekommt den Ehrenpreis für die schlechteste Grafik, es ist im Vorbeifahren praktisch nicht lesbar.
Neu aufgetaucht sind die „Elektriker“. Beim Stichwort Volt denken die wenigsten Betrachter an politische Inhalte, und der Slogan vom „Europa wie wir es wollen“ auf aggressiv-rotem Hintergrund wirkt eher als Bedrohung: Was da wohl kommen mag? „Pragmatisch progressiv“, „viel schlauer“ und „Klima“ tauchen als Stichwörter auf, alles sehr beliebig, und eigentlich haben die Betrachter nur den Streit um den Wahl-o-mat im Kopf. Eine Empfehlung?
Dann dürfen natürlich die Spaßvögel nicht fehlen. Hoffentlich haben die Wähler und Wählerinnen daran gedacht, dass man mit Stimmen für diesen Verein das Geld der Steuerzahler an die Urheber schlechter Späße umleitet.
Und hier tauchen tatsächlich die Piraten wieder auf! Sehr originell, dieser Slogan: Alle Anderen sind der Filz, nur wir sind ehrlich und sauber.
Aber dann wird es doch ein wenig gruselig, was die Piraten so kandidatenmäßig plakatieren… rein plakattechnisch betrachtet.
Im Wettbewerb der Plakatierer kommen die Linken dann doch noch vor einigen anderen auf einen ehrenvollen zweiten Platz. Nachdem sie vor Wochen mit dem abgekupferten Mindestlohn-Thema Minuspunkte kassiert hatten, haben sie nun nachgelegt. Klima, haben sie inzwischen gemerkt, ist ein wichtiges Thema (schön! Nach so vielen Jahren!).
Auch das doch recht spröde Thema der internationalen Unternehmensbesteuerung hat es bei den Linken aufs Plakat geschafft.
Das einzige auf der Marktallee verbliebene Plakat der AfD ist von den Linken spürbar aufgewertet worden. Herzerfrischend, wie der Herr Meuthen jetzt gegen Rassismus kämpft, der Sonderpreis für Humor im Wahlkampf geht an die Linken!