Herr Spahn und der Arbeiter im Ruhrgebiet

Aufschlussreiche Talkrunde mit Markus Lanz

Man muss sich das ja nicht immer antun. Aber manchmal tut man es eben doch. Und dann hat man hinterher Kopfschmerzen. Da befragt der TV-Moderator Markus Lanz den Herrn Spahn, und Herr Spahn ist ja angeblich die große Hoffnung der CDU im Lande, strahlender als die Kanzlerin selbst. Befragt ihn, ob denn nun in dem Entwurf eines GroKo-Koalitionsvertrages die Obergrenze festgeschrieben ist: 200000 Flüchtlinge im Jahr, und dann Schluss. Was macht Herr Spahn? Windet sich. Versucht Ausflüchte. Von Semantik halte er nichts, eiert er herum. Und redet, redet, redet. Aber der Arbeiter im Ruhrgebiet, der verstehe das: der wisse jetzt, die CDU/CSU habe verstanden, dass das nicht so weitergehen dürfe. Herr Spahn mag in Wahrheit nicht zugeben, dass niemand eine Obergrenze für Asyl und Kriegsflüchtlinge festschreiben kann – und dass so etwas auch nicht im Koalitionsvertrag steht. Herr Spahn legt dafür aber noch eine Schippe drauf, er faselt von unsicheren Bahnhöfen und dass deshalb die Bundespolizei mehr Personal brauche, und dass alles seine Ordnung haben müsse. Wo kommen wir denn dahin, wenn so ein Flüchtling unordentlich ankommt?

Eine bedenkliche Melange ist das. Spahn mischt Migration und Kriminalität, er bedient so die Stammtischdiskussionen, und er hat es immer noch nicht verstanden: Den Bürgern etwas vormachen, von Obergrenze schwafeln und es nicht ernst meinen, das ist es, was Politik so ungenießbar macht und den Populisten am rechten Rand zuarbeitet.

Im Entwurf des Koalitionsvertrags kann man das nachlesen:

„Bezogen auf die durchschnittlichen Zuwanderungszahlen, die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre sowie mit Blick auf die vereinbarten Maßnahmen und den unmittelbar steuerbaren Teil der Zuwanderung – das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) bleiben unangetastet – stellen wir fest, dass die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte, Familiennachzügler, Relocation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration) die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden. Dem dient auch das nachfolgende Maßnahmenpaket.“

Da stellt der Koalitionsvertrag etwas fest, was leider nicht feststellbar ist – genauso gut hätten die Unterhändler feststellen können, dass die Erde eine Scheibe ist. Solche flauen Formulierungen sind vielleicht erlaubt, wenn man untereinander Gesichtswahrung betreiben will. Aber als Obergrenze, also als aktive Begrenzung der Zuwanderung soll man uns das bitte nicht verkaufen wollen.

Das Wort „Obergrenze“ taucht übrigens dreimal im Koalitionsvertrag auf, als Bußgeldobergrenze bei Wirtschaftskriminalität und bei der Begrenzung des Bundeswehreinsatzes in Irak und Mali. Sonst nicht.