Heideggers Hiltruper Erben

Die Umbenennung der Heideggerstraße in Hiltrup steht an

Vor 90 Jahren konnte es den Hiltrupern gar nicht schnell genug gehen. In der ersten Sitzung nach der Wahl sorgten Gemeindevertreter aus dem „bürgerlichen“ Lager am 12.3.1933 dafür, dass der Landwirt Josef Grüter als Kandidat der Nazis Gemeindevorsteher von Hiltrup wurde. Der erste NSDAP-Gemeindevorsteher im Münsterland. Fünf Wochen später beschloss die Hiltruper Gemeindevertretung auf Antrag des NSDAP-Ortsgruppenführers Fiegenbaum die Umbenennung von Straßen in Hiltrup: Adolf-Hitler-Straße, Hindenburgstraße, Horst-Wessel-Straße, Albert-Leo-Schlageter-Straße und Jahnstraße.

Mit dem Namen Hindenburg auf dem Straßenschild hat Münster sich gequält. 2012 brauchte es erst einen Bürgerentscheid, um den Ratsbeschluss zu bestätigen: Schlossplatz. Münsters Bürger ersparten ihrer Stadt eine Blamage, der heutige CDU-Ratsherr aus Hiltrup mit seiner Bürgerinitiative PRO HINDENBURG musste sich der basisdemokratischen Mehrheit geschlagen geben.

Hiltrup war 2012 übrigens der einzige Stadtbezirk, der mit einer hauchdünnen Mehrheit für die Rück-Umbenennung des Schlossplatzes zum Hindenburgplatz stimmte – eine gewisse Kontinuität ist nicht zu übersehen.

Jetzt nähern wir uns bald dem 100. Gedenktag der „Machtergreifung“ und diskutieren immer noch über Nazis auf Straßenschildern? Es wird Zeit, dass sich auch Hiltrup der geschichtlichen Verantwortung stellt. Heidegger trat seit dem Ersten Weltkrieg für eine völkisch-nationale Wiedergeburt Deutschlands ein, die in ihrer, von ihm 1933 propagierten Radikalität weit über die nationalsozialistischen Ambitionen hinausging – dem Urteil der Freiburger Kommission von 2016 ist nichts hinzuzufügen. 1933 war die Änderung von Briefpapier und Ausweis kein Thema, 2023 erst recht nicht.

Also was nun?

Die Verwaltung hat sich schlicht und einfach an die mit der Kommunalpolitik abgestimmten Regeln gehalten. Für die Benennung von Straßen und Wegen führt die Verwaltung eine Liste mit Namensvorschlägen der Parteien, die Hiltruper Kommunalpolitikerin Marga Niedenführ (SPD) steht aktuell auf Platz 1. Sie war eine der politisch engagierten Frauen Hiltrups in der Frühzeit der Bundesrepublik, von 1956 bis 1974 in verschiedenen Gremien tätig. Vor ihr ist Alma Neisemeyer mit einem Straßenschild geehrt worden, sie war von 1946 bis 1961 zunächst für das Zentrum und dann für die CDU in Gemeinderat / Kreistag.

Wem die SPD-Frau nicht passt, mag das öffentlich äußern. Heidegger gehört bei allem Philosophen-Ruhm nicht aufs Straßenschild gehoben. Die Freiburger Kommission hatte einen Kompromissvorschlag, ein „Philosophenweg“ sollte mit einem Zusatzschild auf Heidegger und seine Kollegen Husserl und Cohn verweisen. Letztere erhielten wegen ihrer jüdischen Herkunft Lehrverbot. Ein eher fauler Kompromiss, Täter und Opfer gemeinsam aufs Schild zu zwingen. Nazi-Opfer, die zu ehren wären, kennt Hiltrup genug. Eine Chronik erwähnt im Jahr 1938 die Ermordung eines jüdischen Mitbürgers in Hiltrup. Oder: Stellvertretend für die 1000 Ausländer, die bei Kriegsende als Zwangsarbeiter in Hiltrup schuften mussten, wäre zum Beispiel Nikolai Karpow zu nennen, Der kleine Ostarbeiter. Runter mit den Nazis von den Schildern, ehrt die Opfer! In der Bürgerversammlung am 27.2.2023, 17h in der Stadthalle wird darüber zu reden sein.

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