Corona-Tests ohne Schutzkleidung
Hausärzte in Münster leben gefährlich. Als die Corona-Pandemie ausbrach, gab es für die Ärzte keine Schutzausstattung. Masken, Handschuhe, nichts war zu bekommen. Ab und zu kam mal eine milde Gabe von der Kassenärztlichen Vereinigung, riesige Männer-Handschuhe für die schmalen Hände von Ärztinnen zum Beispiel. Dann wurden Testcenter eingerichtet, die Corona-Verdachtsfälle liefen nicht mehr bei den Hausärzten auf. Nach und nach kam auch die Belieferung mit Schutzausstattung in Gang.
Jetzt sind die Testcenter aufgelöst, die Hausärzte sind wieder zuständig, Test-Abstriche bei möglicherweise infizierten Patienten zu nehmen und ins Labor zu schicken. Mit Vorsicht und Schutzausstattung zwar kein großes Problem, aber diese Patienten tragen den Keim ins Wartezimmer, wenn sie sich nicht ordnungsgemäß vor dem Besuch der Arztpraxis erklären. Und ein Restrisiko bleibt: Ein und derselbe Arzt nimmt erst den Corona-Test vor und macht dann den Hausbesuch im Altenheim.
So weit, so gut. Seit neuestem gibt es allerdings ein Aber: Aktuell gibt es keine Schutzkleidung mehr für die Hausärzte in Münster. Das Telefon der Kassenärztlichen Vereinigung läuft heiß, die arme Frau am Apparat kann nur immer wieder erklären, dass nichts da ist. Man kann nur spekulieren, was los ist. Wahrscheinlich wird gerade sämtliche verfügbare Schutzkleidung im Umfeld von Herrn Tönnies und seiner Fleischfabrik verbraucht.
So gehen Münsters Hausärzte frohgemut in die neue Woche. Die möglicherweise mit Corona infizierten Patienten kommen nach wie vor zu ihnen, um einen Abstrich machen zu lassen. Die Hausärzte müssen diese Arbeit erledigen, ohne sich ausreichend schützen zu können, und machen danach weiter ihre Hausbesuche. Und denken voller Dankbarkeit an den Minister aus dem Münsterland, der sie zum Dienst auf den Intensivstationen zwangsverpflichten wollte.
Immerhin: Am Anfang der folgenden Woche kommt ein großer Karton voller Schutzkleidung in die Praxis, und dazu die Vorwarnung: Die Kassenärztliche Vereinigung warnt vor einer gefährlichen Corona-Welle. Die Menschen wollen in Urlaub, trotz Corona bei Tönnies, und wollen getestet werden – zum Schluss der Sprechstunde „verkleidet“ sich der Hausarzt aufwendig und nimmt die Proben der Testkandidaten. Anschließend geht er zum Hausbesuch ins Altenheim. Hier spitzt sich die Situation zu: Pflegekräfte kündigen, die verbleibenden sind überlastet, die alten Menschen brauchen Pflege und ärztliche Versorgung. Da geht es langsam an die Substanz: Wegen Überlastung weigern sich Pfleger des Altenheims, Urinproben der alten Menschen zur Untersuchung in die Arztpraxis zu bringen. Da darf der Hausarzt noch etwas früher aufstehen als sonst schon und selber den Urin im Altenheim abholen. Und am Abend selber die Abstriche der Corona-Testkandidaten ins Labor bringen, weil der Kurierdienst des Labors Feierabend hat und die Patienten auf das Testergebnis warten.
Und was ist mit dem Doktor? Kann der sich wenigstens in Abständen testen lassen? Die Hausärzte stehen schließlich in der vordersten Linie, sie laufen Gefahr, sich das Virus einzufangen und im schlimmsten Fall an ihre alten Patienten weiterzugeben oder an ihre private Umgebung.
Ja, natürlich kann sich auch der Doktor testen lassen – auf eigene Kosten. Macht mal eben schlappe 170 Euro für einen Test. Seine Patienten bekommen den Test umsonst, auch die, die freiwillig im Risikogebiet Urlaub gemacht haben. Kein Wunder, wenn die niedergelassenen Ärzte sich sträuben.
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 22.08.2020.)